VW Arteon 2.0 TDI 4Motion R-Line im Fahrbericht
Mit dem CC-Nachfolger an den Gardasee

Der VW Arteon will Größe mit Eleganz verbinden und sich beim Fahrgefühl spürbar vom Passat absetzen. Wie ihm dies gelingt, klären wir auf einer Reise an den Gardasee.

VW Arteon Impression
Foto: Hans-Dieter Seufert

Falls Reisen in 20 Jahren tatsächlich zu Mobilitätsdienstleistungen geschrumpft sind, uns autonome Autos zur Passivität zwingen und Algorithmen die schnellste Verbindung zwischen A und B berechnen, werden wir diese Momente vermissen: einfach mal rechts ranfahren, aussteigen und die unerwartet kräftige Allgäu-Sonne genießen.

Allein wegen der Routenwahl würde uns der Algorithmus für bekloppt halten. Fotograf Hans-Dieter Seufert will den Gardasee in Norditalien als Kulisse für den neuen VW Arteon. Doch statt der direkten Route über Autobahnen wählen wir Umwege über Landstraßen, überqueren den ersten Teil der Alpen per Fernpass, nehmen anschließend nicht das bequeme Brenner-Viadukt, sondern den winkeligen Reschenpass. Dauert länger, macht aber viel mehr Spaß.

Unsere Highlights
VW Arteon Front
Hans-Dieter Seufert
Um den Arteon besser kennenzulernen nehmen wir diesmal nicht die direkte Route an den Gardasee, sondern nutzen lieber malerische Alpenpässe.

Und es bietet die Chance, den Arteon gleich mal ausgiebig kennenzulernen. Das neue Topmodell von VW rangiert oberhalb des Passat, mit seiner Raumfülle kommt es gar an den einstigen Luxusgleiter Phaeton heran. Obwohl er rund 20 Zentimeter kürzer ist, fällt das Raumangebot im Arteon oberklassig aus, die Beinfreiheit im Fond liegt sogar über der im Phaeton.

Aus einfachem Grund: Da keine voluminösen Acht- oder gar Zwölfzylinder vorgesehen sind, darf sich der Arteon seine Aggregate platzsparend quer zwischen die Vorderräder klemmen. Hinter der riesigen Heckklappe, die gegen Aufpreis elektrisch auf- und auch wieder zusurrt, tut sich ein 563 Liter fassender Kofferraum auf, der sich durch Umlegen der Rückbank wie bei einem Kombi flexibel beladen lässt.

Adaptivdämpfer auf Comfort+

Nicht dass es eine Schande wäre, praktisch zu sein, gewiss nicht, doch pragmatische Nutzwertoptimierer hat VW bereits zahlreich im Programm. Der Arteon will zusätzlich auch besonders elegant sein, weshalb er sich flacher über den Asphalt duckt als ein Passat, und seine Kotflügel selbstbewusster in die Breite streckt. Rahmenlose Seitenscheiben wecken Coupé-Assoziationen, die breite, bis an die Radhäuser reichende Motorhaube reduziert die sichtbaren Karosseriefugen.

Darüber hinaus darf der Arteon als erster Pkw von VW auf 20-Zoll-Rädern stehen. 20-Zöller mit Serie-35-Reifen? Wer schön sein will, muss leiden? Nicht im Arteon, für den die VW-Ingenieure eigens neue Adaptivdämpfer entwickelten. So verfügen deren Ventile über einen größeren Maximaldurchmesser, der dem Dämpferöl weniger Widerstand entgegensetzt. Für ein geschmeidiges Abrollen lässt sich das DCC-Fahrwerk im Menü über die Comfort-Stellung hinaus auf Comfort+ stellen.

Tatsächlich spricht das Fahrwerk äußerst feinfühlig auf kurze Unebenheiten wie Querfugen an ohne nachzuwippen oder die Kontrolle zu verlieren. Registrieren die Steuergeräte einen kritischen Fahrzustand – etwa in schnellen Kehren –, verengt sich der Durchlass der Dämpferventile, wodurch die Abstimmung binnen Sekundenbruchteilen straffer wird. Das alles lässt sich hier am Reschenpass wunderbar ausprobieren, mehrfach geflickte Straßen und schnelle Kurven gibt es schließlich genug.

VW Arteon Top-Diesel immer mit Allrad

Was jedoch überrascht: An einem ganz normalen Mittwoch außerhalb der Schulferien ist hier so gut wie nichts los. Ab und zu muss mal ein Traktor oder Lkw überholt werden, was mit 240 TDI-PS zum kurzen Vergnügen wird. Der Zweiliter-Biturbo wuchtet schon unter 2.000/min seine vollen 500 Nm auf die Kurbelwelle und verzahnt sie per Allradantrieb schlupfarm mit dem Asphalt. Das 4Motion-System, bei dem eine Lamellenkupplung an der Hinterachse die Kraftverteilung zwischen vorn und hinten regelt, ist beim Top-Diesel ebenso serienmäßig an Bord wie das komfortabel und dennoch zackig schaltende Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe.

VW Arteon Fahrbericht
Hans-Dieter Seufert
Die variabel übersetzte Progressivlenkung macht den Arteon handlich.

Wie schnell es mit den Übersetzungen jongliert, fällt vor allem im manuellen Modus auf, wenn wir vor dem Einlenken ein, zwei Gänge zurückschalten, um ab Kurvenmitte mit Zug auf der Kette wieder durchzustarten. Ebenso fällt die gelungene Abstimmung der serienmäßigen Progressivlenkung auf, deren Übersetzung über eine variable Verzahnung mit zunehmendem Einschlag direkter wird und so das lästige Gekurbel beim Einparken reduziert. Für eine fast 4,90 Meter lange Limousine fühlt sich der Arteon daher beeindruckend handlich an, ohne nervös zu wirken.

Nach 610 Höhenmetern mit bis zu 13 Prozent Steigung sind wir über den Berg und legen am Reschensee die nächste Pause ein. Hier stand einst das Dörfchen Graun, von dem nur noch der Kirchturm aus dem Wasser ragt. Das restliche Dorf musste kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einem Stausee zur Stromerzeugung Platz machen. Eine Ausstellung am Reschensee informiert über die eindrucksvolle Geschichte des Großprojekts. Wir haben alle Zeit, sie zu besuchen, bisher sind wir viel besser durchgekommen als erwartet.

Smart, sicher und gut vernetzt

Zeit lassen wir uns auch auf den letzen Kilometern bis zum Gardasee. Der Arteon klinkt sich per ACC hinter dem Vordermann ein, sein Radarsensor hält automatisch den Abstand und erlaubt so, die ersten Palmen der immer mediterraner werdenden Landschaft zu bestaunen. Wir müssen noch nicht einmal Angst haben, ein Tempolimit zu übersehen, die Frontkamera hält Ausschau nach Verkehrsschildern und passt die Geschwindigkeit selbstständig an.

Jetzt noch die Massagefunktion der ErgoComfort-Sitze aktivieren und eine Spotify-Playlist wählen. Durch die Anbindung des Streaming-Dienstes und weiterer Handy-Apps ans Infotainment-System hören wir unsere Lieblingslieder über die 700 Watt starke Edel-HiFi-Anlage von Dynaudio. Das Smartphone liegt derweil in seiner Ablage, wo es ohne fummelige Anschlüsse schnurlos mit der Außenantenne verbunden wird.

VW Arteon Impression
Hans-Dieter Seufert
Mann vor Arteon: als Fotomotiv so beliebt wie der Gardasee dahinter.

Auch am Gardasee ist wenig los, wir kommen problemlos bis ans Ufer. Auf dem schmalen Gewässer soll es im Spätmittelalter echte Seeschlachten gegeben haben, erzählt uns ein deutscher Urlauber. Als Kind wohl zu lang mit dem Playmobil-Piratenschiff in der Badewanne gesessen, denken wir und zwingen uns zu einem seriösen Gesichtsausdruck. Doch Wikipedia gibt dem Mann recht: 1439, Schlacht bei Torbole, Mailand gegen Venedig. Und egal, wo wir sonst noch zum Fotografieren anhalten, der große Volkswagen in Kurkumagelb zieht die Menschen an.

Es ist schon erstaunlich, wie lässig der Arteon von Sport auf Entspannung umschaltet, ebenso verblüffend, wie deutlich sich sein Fahrgefühl vom Passat unterscheidet. Damit rechtfertigt er seinen Aufpreis über den reinen Platzgewinn hinaus. Der 240-PS-Diesel liegt in der Top-Variante R-Line mit DSG und Allradantrieb bei 52.175 Euro und damit rund 5.000 Euro über einer vergleichbaren Passat-Limousine. Los geht es beim Arteon derzeit bei 39.675 Euro für den 150-PS-TDI mit Frontantrieb, ein 1,5-Liter-Benziner mit ebenfalls 150 PS folgt in der zweiten Jahreshälfte zum Preis von 34.775 Euro.

Technische Daten
VW Arteon 2.0 TDI 4Motion R-Line
Grundpreis52.175 €
Außenmaße4862 x 1871 x 1450 mm
Kofferraumvolumen563 bis 1557 l
Hubraum / Motor1968 cm³ / 4-Zylinder
Leistung176 kW / 239 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit245 km/h
Verbrauch5,9 l/100 km