Fahrbericht VW Passat 2.0 TDI R-Line Edition
Nie war er so wertvoll wie heute

VW hat Generation 8 seines Mittelklasse-Bestsellers überarbeitet und vor allem bei Mulitmedia und Assistenzsystemen Aufwand betrieben. Reicht das, um den Bestseller up to date zu halten?

VW Passat 2.0 TDI R-Line, Exterieur
Foto: Tom Salt

Grandezza war nie die herausragende Eigenschaft des VW Passat, der 1973 Premiere feierte. Dennoch brachte er es bis heute auf 30 Millionen verkaufte Autos – das Jubiläumsmodell wurde im März im Werk Emden gebaut. Es ging den Käufern also wohl eher um die inneren Werte, mit denen der Wolfsburger Erfolgswagen quer durch alle Generationen reichlich gesegnet war. Nun bekam die mittlerweile achte Generation ein Facelift, wobei dieses Wort in die Irre führt.

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VW Passat 2.0 TDI R-Line, Exterieur
Tom Salt
Facelift bedeutet ja meistens eine äußerliche Auffrischung. Und die fiel ausgesprochen dezent aus.

Denn Facelift bedeutet ja meistens eine äußerliche Auffrischung. Und die fiel ausgesprochen dezent aus. Mehr Chrom um die Scheinwerfer und überhaupt ein paar neue Linien am Bug, Heckleuchten mit Lichtsignatur ähnlich wie beim Touareg, mittig verlaufender Passat-Schriftzug und breite Auspuff-Blenden in der Heckschürze.

Euro 6d Temp für alle, Euro 6d für den GTE

Hm, das soll es gewesen sein? Natürlich nicht. VW hat vielmehr die inneren Werte des Bestsellers geschärft, wobei die klassische Automobiltechnik weniger Innovation abbekam als das weite Feld der Elektronik. Dass die Verbrenner nun allesamt die Abgasnorm Euro 6d-Temp (und der teilelektrische GTE sogar sauber die Euro 6d ist) erfüllen, ist nur einen Nebensatz wert – das muss ja so sein. Dass die adaptiven Dämpfer des DCC-Fahrwerks (1.200 Euro, Serie beim 240 PS-TDI und beim 272 PS-TSI) sich nun per Schieberegler feinjustieren und für Extremsituationen über die bisherige Comfort- oder Sportstellung hinaus konfigurieren lassen, ist dann im Grunde schon die größte Neuerung.

Nach ausgiebigen Testfahrten mit dem 240 PS starken Top-Diesel bleibt jedenfalls der Eindruck, dass es auch im normalen Verstellspektrum keinen Grund zur Klage gibt: Comfort passt im Grunde immer und überall, Sport lässt sich etwas mehr Präzision bei dynamischer Kurvenfahrt mit einer gewissen Unnachgiebigkeit speziell auf Querfugen bezahlen. Wer das DCC ordert und Spaß am Autofahrenr hat, sollte allerdings noch weitere 530 Euro für das elektronische Sperrdifferenzial und die Progessivlenkung einkalkulerien. Die wirkt wie eine Schlankheitskur für den Passat, denn schon kleine Lenkbewegungen führen zu großen Resultaten.

Motor leise, Sprachsteuerung verständig

Dass der starke 2.0 TDI ordentlich anschiebt und mit dem Sechsgang-DSG ein effektives Team bildet, ist bekannt und sei hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt. Rund 240 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit sollten für die allermeisten Ansprüche genügen wie auch der wuchtige Durchzug aus dem Drehzahlkeller. Das Laufgeräusch des Vierzylinders ist ausreichend gut gedämmt, so dass auch auf Fernreisen kein Geräusche-Stress auftritt

VW Passat Variant R Line, Motorraum
Volkswagen
Das Motorenangebot ist momentan noch übersichtlich: Es gibt Diesel mit 120, 190 und 240 PS sowie Benziner mit 190 und 272 PS.

Und nun ist es Zeit, sich näher mit jenen Neuerungen zu beschäftigen, die aus dem außen kaum veränderten Passat den neuen Passat machen. Da wäre, um es mal ganz kleinteilig-praktisch anzugehen, die wegen des neuen Info-Systems überarbeitete Mittelkonsole. Dass es da nur noch USB-C-Steckplätze gibt, wird manchen ärgern, da er vielleicht neue Kabel oder Adpater anschaffen muss. Doch es gibt ja nun auch die Möglichkeit, das Smartphone induktiv in einer endlich ausreichend großen Ablage zu laden – und zur Nutzung von Apple Carplay oder Android Auto lassen sich Smartphones nun kabellos koppeln. Möglich macht das der neue Modulare Infotainmentbaukasten 3 (IMB3) der auch ein verfeinertes Digitalcockpit und eine eigene SIM-Karte mit sich bringt. Musikstreaming, Webradio, die Nutzung der Online-Dienste von We Connect oder Navigation mit Echtzeit-Verkehrsdaten sind nun möglich – und dank einer verbesserten Spracheingabe versteht das Auto auch normale Sätze und Fragen. „Wo kann ich hier griechisch essen?“ zum Beispiel reicht, um eine Liste aller in Frage kommenden Restaurants auf den großen Monitor zu zaubern.

Fährt schon fast allein

Bedeutsamer aber sind Funktionen, die Volkswagen unter dem Label IQ.Drive bündelt. Das unigrau lackierte Sondermodell R-Line Edition, dessen ESP zur Betonung der sportlichen Gesinnung komplett abschaltbar ist, hat sie wie nahezu alle wichtigen Sonderausstattungen – LED-Matrixlicht inklusive – serienmäßig an Bord. Zu nennen wären da vor allem der Travel-Assist: Er ist einsatzfähig vom sanften Start im Stau bis hin zum ambitionierten Reisetempo von 210 Kilometer pro Stunde. Zweifelt das Auto, dass der Mensch am Steuer noch mitmacht, muss er nur noch das neue Lenkrad mit dem berührungsempfindlichen, weil kapazitiven Kranz leicht anfassen und nicht mehr mit einer Lenkbewegung Wachsamkeit signalisieren. Schon folgt der Passat wieder für einige Zeit der Fahrspur, bremst notfalls selbsttätig ab und beschleunigt wieder, wenn der Weg frei ist.

VW Passat Variant R Line, Interieur
Volkswagen
Intergriert ist der neue Modulare Infotainmentbaukasten 3 (IMB3) der auch ein verfeinertes Digitalcockpit und eine eigene SIM-Karte mit sich bringt.

Das gelingt nicht nur auf Autobahnen, sondern auch über Land. Denn auf Wunsch bezieht Travel-Assist die Navigationskarten und die Infos der Verkehrsschilderkennung in seine Regelstrategien mit ein. Nähert sich der Passat einer Kurve oder Abzweigung, bremst er automatisch auf das ihm angemessen erscheinende Tempo herunter und erklärt das auch mit einem Hinweis im Display. Nach der Kurve gibt er wieder Gas, bis das zulässige Höchsttempo erreicht ist. Anders herum funktioniert Travel-Assist auch: Nimmt der Passat plötzlich scheinbar grundlos Tempo raus, nähert er sich mit Sicherheit einem Tempolimit. Und wenn das Auto genau dieses Verkehrsschild passiert, zeigt der Digitaltacho im Head-up-Display oder im normalen Cockpit natürlich genau diese Geschwindigkeit an.

Man kann sich also durchaus anfreunden mit diesem modernen Assistenten, wenn man vielleicht nach einem langen Tag einfach nur ankommen möchte, ohne die eigenen Energiereserven anzugreifen Er bringt einen zwar in Kurven sehr viel langsamer als ein routinierter Fahrer, aber komfortabel und sicher ans Ziel.

Motorenangebot noch überschaubar, Varianten im Überfluss

Das Motorenangebot ist momentan noch übersichtlich: Es gibt Diesel mit 120, 190 und 240 PS sowie Benziner mit 190 und 272 PS. Zur Händlerpremiere im September sollen mit dem 1.5 TSI und dem 2.0 TDI Evo noch zwei Motoren der 150 PS-Klasse verfügbar sein. Die Ausstattungslinien wurden neu geordnet: Die Basis heißt Passat, darauf folgen Business, Elegance und – beim Variant – die Alltrack-Linie mit vergrößerter Bodenfreiheit und mildem Offroad-Look. Da spricht wenig dagegen, dass der Passat auch in den kommenden Jahren seine Kunden finden wird. Es muss ja nicht der auf 2.000 Euro limitierte Variant R-Line Edition sein, der mit 63.700 Euro für den Diesel (2.0 TSI: 62.830 Euro) beim Grundpreis ebenso viel Selbstbewusstsein signalisiert wie mit seiner Platz-da-Aufmachung.

Fazit

VW hat den Passat vor allem im Multimedia- und Assistenzbereich aufgefrischt. Das tut dem Wolfsburger Bestseller gut. Wer nicht alle Neuerungen bestellt, darf aber wie bisher sicher sein, ein praktisches, komfortables und sicheres Auto zu fahren, das seinen relativ hohen Einstandspreis durch niedrige Unterhaltskosten und hohe Wertstabilität rechtfertigt.