VW Polo WRC in Düsseldorf
Im Rallye-Auto durch die City

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Viel Schotter auf der Kö statt Schotter unterm Reifen. Da hast du für einen Tag ein Rallye-Weltmeister-Auto unter dem Hintern – und wohin soll’s gehen? Mit dem Polo WRC ausgerechnet durch die Düsseldorfer City. Das Höllengerät und die Rushhour.

VW Polo WRC, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Falls Ihnen irgendwann mal ein Rallye-Weltmeister für einen Tag sein Auto leiht, hier ein paar essenzielle Tipps: Suchen Sie sich keine Großstadt für die erste Wertungsprüfung aus, meiden Sie Ampeln und umfahren Sie großzügig S-Bahn-Schienen. Machen Sie sich vorher mit dem Höllengerät und seiner Teufelskupplung vertraut. Machen Sie es also nicht so, wie ich es getan habe.

VW Polo WRC mit 315 PS in ungewohnter Umgebung

Die Sandwich-Position zwischen öffentlichem Nah- und örtlichem Autoverkehr demonstriert zwar imposant die verkorkste Straßenführung in Düsseldorf, sorgt aber nicht zwingend für Entspannung in einem 315 PS starken WRC-Biest. Wenn der breite VW-Werbeaufkleber auf der Frontscheibe Ampeln wie die Augen von Verbrechern verdeckt (was ja irgendwie nicht so falsch ist) und du mitten auf den Schienen den Druckpunkt der vermaledeiten Kupplung suchst, kommt Temperatur im Cockpit auf.

Irgendwann klopft Dieter an die Scheibe: „Ich schau für dich mit, gleich ist’s grün.“ Als mehrfachen deutschen Rallyemeister bringt Dieter Depping so schnell nichts aus der Ruhe. „Jaaaa, fürs Anfahren ist der Polo nicht gemacht.“

Dieter weiß: „Der läuft lieber. Da brauchst du sehr viel Drehzahl. Untenrum hat der Motor gar keine Leistung. Kupplung schön schleifen lassen.“ Also ungefähr gerade so, wie du es nie mit deinem eigenen Auto machen solltest. Der 1,6-Liter-Turbo heult auf, kurz blitzt die rote Schaltanzeige, und ein Rucken wie bei einem Getriebeschaden setzt den VW Polo WRC hoppelnd in Gang. Es gäbe natürlich auch die Option, ihn schnell anzufahren.

VW Polo WRC mit 1,2 Tonnen und harter Kupplung

Es gibt aber auch in Düsseldorf Race-Marshalls – Polizisten genannt. Also fährst du langsam, sehr langsam, was dich trotzdem nicht von einer Begegnung mit den örtlichen Streckenautoritäten abhält: „Wir sind angerufen worden, weil hier angeblich ein illegales Straßenrennen stattfindet.“ Das hat man davon, wenn Sébastien Ogiers VW Polo WRC bei Tempo 30 so klingt, wie die meisten Sportwagen bei 200 gerne würden.

Was bleibt, sind der böse VW Polo WRC, die Innenstadt und ein Pilot, für den jede weitere Ampel zur Strafe wird. Der Carbon-Schalensitz umarmt dich fest wie Omi bei deiner Erstkommunion, und der große Schalthebel steht wie ihr Spazierstock im völlig ausgeräumten Cockpit. Hier ist nur das VW-Zeichen auf dem Lenkradkranz Serie.

Bamm, der zweite Gang ballert mit einem kurzen Ruck am Spazierstock rein. Hart, schnell und mit einem Der-ist-drin-Krachen. Dieter sagt: „Hochschalten kannste ohne Kupplung machen, runter lieber mit.“ Ich nehme auch hoch lieber die Kupplung. Und schon erschüttert die Aktivierung des dritten Gangs das 1,2 Tonnen schwere Stahl-Carbon-Konstrukt wie ein schlimmer Auffahrunfall.

Freudentränen im Weltmeister-Auto

Unser Ziel ist die Rheinbrücke, der Weg dorthin führt durch den Tunnel und eine Tempo-70-Zone. Klappen auf für Glückshormone. Gegen die brutal-direkte Ansprache des Rallye-Laders ab 2.000/min wirken die Turbolöcher aller Serienautos tief, sehr tief. Orgiastisches Brüllen des VW Polo WRC flutet die dunkle Durchfahrt, auf Zug flutschen plötzlich die Gänge. Nur ein Fingerschnippen trennt 2.000 von 7.000 Touren und 20 von 70 km/h.

Hemmungsloser Schub und ein anmachend intimes Lenkgefühl sorgen kurzzeitig für Freudentränen. Der Allrad-Antriebsstrang entspannt sich. Der VW Polo WRC will doch nur rasen. Wieso tun wir ihm so was an? Weil es so noch keiner gemacht hat. Raus aus dem Tunnel, in der sehr langsamen engen Rechts zur Brücke ächzt der Antriebsstrang beim Heranrollen wieder wie ein arthritischer Rentner.

Seit die FIA aus Kostengründen keine elektronischen Differenziale mehr erlaubt, ist die Kraftverteilung auf 50 : 50 festgesetzt. Rein mechanisch darf die Sperrwirkung fest eingestellt werden.

VW Polo WRC im Mittelpunkt

Da zetern die Zahnräder bei Drehzahldifferenz wie alte Waschweiber. Die winklige Verbindungsetappe zur Kö zehrt an den Nerven. Der Kopf schreit nach einer Kaffeepause und vergisst im Drive-in des amerikanischen Bohnengebräu-Dealers, dass durch die enge Luke im Plexiglas-Seitenfenster nur ein Ristretto passt. Ähh, hättest du vielleicht einen Strohhalm für den großen Caffè Latte mit Peru-Bohnen?

Dann taucht sie auf, Düsseldorfs Prachtstraße, Flaniermeile für die Reichen, Exklusiven und die Etepetete-High-Society, in die mittenrein diese WRC-Carbontheke wie der Pornostar in den Bibelkreis platzt. Hunderte Handys recken sich nach oben, Louis-Vuitton-Taschen und Rolex-Uhren mit ihnen. Prada, Versace und Gucci werden plötzlich unwichtig: Was, zum Teufel? Ja, genau der: Ein böser kleiner VW Polo WRC aus Wolfsburg, der auf Schotter um jeden Show-Sportwagen hier Kreise fahren würde. Schotter gibt es hier auch eine Menge, aber leider keinen, auf dem der Polo abfahren würde.

Ein kleiner Trost zum Schluss

Also lassen wir die zwischen Begeisterung und Fassungslosigkeit schwankende Luxus-Menge hinter uns und steuern den Industriehafen an. Dort soll es ein kleines Fleckchen Glückseligkeit geben. Etwas loser Untergrund als Balsam für die vom Verkehr gepeinigte Petrolhead-Seele.

Als der Staub Sébastien Ogiers Dienstwagen dort endlich standesgemäß einsaut, ist die Welt wieder in Ordnung. Dieter liefert entscheidende Details: „Auf technisch anspruchsvoller Strecke ist der VW Polo WRC schneller als die alten Gruppe-B-Helden wie der Audi S1.“ Echt? Gilt das auch für Innenstädte?

Technische Daten
VW Polo R WRC
Außenmaße3976 x 1820 x 1356 mm
Hubraum / Motor1600 cm³ / 4-Zylinder
Leistung232 kW / 315 PS bei 6250 U/min
Höchstgeschwindigkeit200 km/h