Werksbesuch bei Lotus
Ausfahrt im Elise S Cup und Exige S Roadster

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Eine Fahrt in den Osten Englands lohnt sich immer. Nicht wegen dem Wetter, sondern wegen Lotus. Wie geht es der Traditionsmarke aktuell? Ein Werksbesuch beim Leichtbau-König aus Hethel bei Norwich.

Lotus Exige S Roadster Automatic Option, Lotus Elise S Cup,
Foto: Rossen Gargolov

Der Landregen bei unserem letzten Besuch im April 2012 passte perfekt zur damaligen Untergangsstimmung im britischen Hethel. Während drinnen im Lotus-Werk die Produktionsbänder stillstanden, warteten draußen Hunderte vermeintlich fertiger Fahrzeuge auf ihre Scheinwerfer. Lotus konnte seine Zulieferer nicht mehr bezahlen, also gab es auch keine Scheinwerfer mehr. Elise, Exige und Evora mit ausgekratzten Augen – damals Sinnbild der darbenden Sportwagenmarke.

Lotus soll bis 2017 wieder profitabel werden

Februar 2015: Als ob nichts gewesen wäre, begrüßen uns heute mit Lotus Elise S Cup sowie der Exige-S-Automatikversion zwei Modelle auf der hauseigenen Lotus-Teststrecke, deren Verwandten wir seit Langem querdynamisch lieben und schätzen gelernt haben. Auf den ersten Blick treffen wir auf dem Werksgelände also Altbekanntes, doch im Hintergrund hat sich hier einiges verändert.

„In Zukunft wird jeder neue Lotus noch leichter und schneller sein“, erklärt uns Lotus-Chef Jean-Marc Gales. Der Luxemburger übernahm im Mai 2014 das Ruder von Aslam Farikullah, der nach dem Rauswurf von Luftschlösserbauer Dany Bahar die Sportwagenschmiede in ruhigeres Fahrwasser gelenkt hatte. Nachdem Millionenverluste in den letzten Dekaden zu Lotus gehörten wie Baked Beans zu britischem Frühstück, will Gales die Firma bis 2017 wieder profitabel machen.

Dem 52-Jährigen, der von 2009 bis 2012 Chef des PSA-Konzerns war, scheint die Marke Lotus wirklich am Herzen zu liegen: „Ich liebe unsere Autos. An drei Tagen in der Woche fahre ich mit Prototypen nach Hause“, verrät er uns mit leuchtenden Augen. Okay, bei Chicken Teriyaki haben schon viele Bosse lässige PR-Salven rausgehauen, Gales klingt dabei jedoch authentisch. Neben Emotionalität bringt er aber auch die Rationalität eines Großkonzern-Entscheidungsträgers mit. Bei aller Liebe für die bisweilen herrlich hemdsärmligen, aber auch chaotischen Verhältnisse, so etwas hat Lotus bisher gefehlt. Es musste gespart werden, gleichzeitig will Gales aber die Qualität der Produkte verbessern.

Lotus will weltweit auf 200 Händler aufstocken

Es folgte zunächst ein radikaler Schnitt: „Im September 2014 hatten wir 1.215 Mitarbeiter, jetzt sind es 960. Wir stellen aber wieder neu ein. Für den neuen Evora brauchen wir in der Produktion 150 Arbeiter mehr“, blickt Gales nach vorne. Weitere positive Nachrichten: Nach absatzschwachen Horrorjahren verkaufte Lotus im laufenden Geschäftsjahr 2014/ 2015 bis Ende Januar 1.718 Fahrzeuge – ein Plus von 63 Prozent im Vergleich zum Januar des Vorjahres. „Wir werden das Jahr mit bis zu 2.060 verkauften Fahrzeugen abschließen. Letztes Jahr waren es nur 1.300“, erklärt Gales. Im darauf folgenden Geschäftsjahr will Gales 3.000 Fahrzeuge verkaufen.

Dafür sollen neue Märkte erschlossen und das weltweite Händlernetzwerk von 168 derzeit auf 200 Händler ausgebaut werden. Nicht nur an der französischen Côte d'Azur, an der bisher ein Händler fehlte, sondern auch in Mexico City und auf den Philippinen sollen Lotus-Fahrzeuge bald zum Exportschlager werden. „Guatemala kommt demnächst, da gibt es viel Geld – Coffee Money“, fügt der neue Lotus-Boss lächelnd hinzu.

Klingt wieder ein bisschen Lotus-typisch verrückt, aber wenn der Plan aufgeht, ist Gales der Held. Heldenstatus bei den eingeschworenen Hardcore-Lotus-Fans könnte der Luxemburger aber mit dem eingangs erwähnten Thema Leichtbau erlangen. „Wir können überall noch Gewicht sparen. Von jedem Modell gibt es zukünftig eine Lightweight-Version – einen Lightweight-Evora, eine Lightweight-Exige und eine Lightweight-Elise. Unsere Basisautos werden leichter und stärker. Die Leichtbauversionen werden nochmals radikaler.“

Kein Cupholder mehr

Anders als Bahar, der Verfechter von größeren und komfortableren Fahrzeugen war, ist Jean-Marc Gales Fan von leichten und kompakten Boliden. Vor der heutigen Testfahrt entführt er uns noch in das neue, wie er es nennt, „Leichtbau-Laboratorium“. Dahinter verbirgt sich ein Raum in der Entwicklungsabteilung, halb so groß wie ein Basketballfeld. Überall stehen Tische, die mit Lotus-Bauteilen überfüllt sind. Die Wände zieren großflächige Analyse-Charts. Jedes Bauteil trägt einen blauen, roten oder grünen Punkt. „Grün bedeutet 'ist okay', Rot heißt 'zu teuer und zu schwer, also ersetzen und verbessern' und Blau steht für 'entfällt'“, erklärt Gales, während er den Cupholder aus Elise und Exige zeigt.

„In Zukunft wird es den Cupholder nicht mehr geben. Das spart wieder ein halbes Kilogramm. Wenn man derzeit richtig beschleunigt, dann schwappt der Kaffee aus dem Cupholder aufs Knie“, sagt der Lotus-Boss und deutet auf das dazugehörige Chart: 20,48 britische Pfund kostet der Cupholder im Produktionseinsatz. Sein Entfall spart pro Jahr also 30.865 Pfund.

Durch ähnliche Reduktionen kostet ein Lotus Evora in der Herstellung zukünftig 3.000 Pfund weniger. „Bei der Exige kann man noch rund 2.000 Euro pro Fahrzeug in der Produktion rausholen, bei der Elise sind die Einsparungen ein bisschen geringer“, erklärt Gales.

Lotus Elise S Cup mit 220 PS

Stichwort Elise. „2016 kommt zunächst ein Exige-Facelift, das leichter sein wird. Wir werden aber auch die zukünftige Elise, die in zwei Jahren kommen wird, wieder leichter machen. Außerdem verbessern wir das manuelle Getriebe sowie die Qualität der Gangwechsel.“

Peng, da hat der neue Lotus-Frontmann den Nagel aber direkt auf den Kopf getroffen. Langsam kann man das zuweilen sehr hakelige Getriebe trotz des liebenswerten Exotenstatus auch nicht mehr in Schutz nehmen.

Auch beim aktuellen Elise-S-Cup-Testwagen verlangt der kratzige Rückwärtsgang nach viel Feingefühl. Wie gewohnt zaubert jedoch auch das neueste Derivat, das auf der Elise-Rennversion S Cup R basiert, mit kerniger Lenkung, ungefiltertem Fahrgefühl und heute so oft vermisster Leichtigkeit ein euphorisches Lächeln ins Gesicht.

Die Leistungsdaten des Vierzylinder-Kompressors haben sich im Vergleich zum bekannten S-Modell zwar nicht verändert, trotzdem soll die 220-PS-Cup-Version die 3,5 Kilometer lange Teststrecke drei Sekunden schneller umrunden. Hierfür soll vor allem das Aeropaket, bestehend aus Heckflügel, Seitenschwellern, Frontsplitter und Heckdiffusor, verantwortlich sein. Laut Lotus liegt der Gesamtabtrieb bei 200 km/h nun bei 104 Kilo (Standard-Elise S: 8 kg bei 200 km/h). Was die Lotus Elise S Cup wirklich besser kann, wird dann unser Test in Hockenheim zeigen.

Lotus Exige S mit Automatik-Getriebe

Nach fünf Elise-Runden in Hethel steigen wir in die Roadster-Version der Lotus Exige S um. Ab sofort gibt es Roadster (ab 69.040 Euro) und Coupé (ab 67.940 Euro) als Automatikversion (Automatic Option: Aufpreis 2.600 Euro). Im Alltagsbetrieb arbeitet die Sechsgangautomatik verlässlich mit. Doch wie fährt sich die Automatik auf der Rennstrecke? Unter Volllast reagiert das Getriebe halbwegs zügig auf Hochschaltbefehle an der rechten Lenkradwippe. Daumen hoch außerdem für den echten manuellen Modus (kein autonomes Hochschalten bei Maximaldrehzahl).

Beim Runterschalten dürfte das Getriebe trotz der emotionalen Zwischengasstöße im Sport- und Race-Modus jedoch noch zackiger auf die Wippenbefehle reagieren. Andere automatisierte Getriebe arbeiten da im Grenzbereich noch flinker. Aber seien wir mal ehrlich: Einen Lotus bestellt man einfach nicht mit Automatikgetriebe. Allein bei dem Gedanken dreht sich Lotus-Gründer Colin Chapman nervös im Grabe um!

Die Leichtbaupläne von Jean-Marc Gales hätten dem größten Gewichtsreduzierer aller Zeiten jedoch sicherlich gefallen.

Technische Daten
Lotus Elise S S
Grundpreis48.250 €
Außenmaße3824 x 1719 x 1117 mm
Kofferraumvolumen112 l
Hubraum / Motor1798 cm³ / 4-Zylinder
Leistung162 kW / 220 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit234 km/h
Verbrauch7,5 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten