Zeekr X
Kommt aus China, fährt wie für Europa

Zeekr? Nie gehört? Die bei uns noch junge Elektro-Marke gehört zum chinesischen Autogiganten Geely (Volvo, Polestar, Smart, Lotus) und bringt nun ihr zweites Modell nach Deutschland, das schlicht und einfach X heißt. Und wir dürfen es fahren.

Zeekr X, Elektro-SUV aus China
Foto: Zeekr

Gefühlt purzelt ja täglich ein für den europäischen Markt neues Elektroauto aus den in Bremerhaven, Zebrugge oder Rotterdam anlandenden Riesenschiffen. Herkunft: China. Marke: Nie gehört. Da kann man schnell mal den Überblick verlieren. Zeekr allerdings ist eigentlich kein Unbekannter, nur der Name ist neu (ZE = "Zero", E = "Entwickeln der elektrischen Era", KR = "Krypton"). Denn die vor genau zwei Jahren in China gestartete Marke gehört zum Geely-Konzern, teilt sich die Technik mit Modellen von Volvo, Polestar und Smart – so auch der X, ein kompaktes Crossover.

Der große E-Ratgeber

Das ist mit 4,43 Meter etwa so lang wie ein Audi Q3, Mercedes EQA oder Volvo XC40, wiegt 1.855 Kilogramm, hat Platz für fünf Personen und recht mickrige 362 Liter Kofferraumvolumen. Allerdings bleibt unterm aufstellbaren Ladeboden noch Platz fürs Ladekabel oder kleine Einkäufe. Klappt man die asymmetrisch geteilte Fondlehne um, schluckt der X 1.182 Liter Gepäck – per Tennnetz von der ersten Sitzreihe separiert. Wem das noch nicht reicht, der kann bis zu 1,6 Tonnen Ballast (gebremst) an den Haken hängen (optional). Anders, als der ebenfalls auf der SEA-Plattform basierende Smart #1, hat der Zeekr X einen 16 Liter großen, wirklich nutzbaren Frunk (Stauraum unter der Fronthaube), in den das für AC-Ladestationen nötige Kabel passt, ohne dieses quetschen zu müssen oder über besondere Wickel-Fertigkeiten zu verfügen.

Hochwertiger Zeekr X ohne Handschuhfach und klassische Türgriffe

Große Ablagen in den Türen und in der Mittelkonsole (inklusive belüftetem 50-Watt-Induktiv-Ladefeld) sind im Alltag praktisch, allerdings fehlt das klassische Handschuhfach, um Fahrzeugpapiere, Wartungsheft oder andere Gegenstände blickgeschützt unterzubringen. Das bietet nur das Fach unter der Mittelarmlehne zwischen den beiden Vordersitzen. Eine Bedienungsanleitung braucht man übrigens nicht mehr – solange der Touchscreen funktioniert. Denn die gibt’s komplett digital. Der gesamte Innenraum des Vorserienfahrzeugs ist hochwertig ausstaffiert, mit vielen geschäumten Materialien, sauber vernähtem Kunstleder und ab der Fensterlinie nach oben in weiches, Alcantara-ähnliche Textilbezüge gekleidet. Nur an wenigen Stellen merkt man dem zur ersten Charge gehörenden und nicht für Kunden bestimmten Testwagen an, dass noch nicht alles hundertprozentig sitzt.

Aber stopp, wir müssen kurz zurückspulen. Denn bevor wir über den Innenraum sprechen, müssen wir erst einmal die Türen öffnen und einsteigen. Und das geht beim Zeekr X über vier einklappbare, während der Fahrt verschlossene Blenden, hinter denen rund 20 cm breite Hohlräume sitzen. In denen stecken sensible Sensoren, sodass der elektrisch gesteuerte Mechanismus die jeweilige Tür schnell entriegelt.

Viel Platz im Fond und beim Einsteigen ist das Dach nicht im Weg

Im Gegensatz zu manchem vor lauter Design verbauten Crossover ist beim Entern der zweiten Reihe das Dach nicht im Weg, da dessen Linie nach hinten erst hinter der C-Säule leicht abfällt. Auf der Rückbank kann man sich ebenso wenig über mangelnde Bewegungsfreiheit beklagen, weil die Innenhöhe unterm serienmäßigen Panorama-Glasdach passt, die Beinfreiheit üppig ist (Radstand: 2,75 m) und man die Beine lang machen kann, die Füße unter die Vordersitze passen. Ach ja, und der Sitzkomfort ist ebenfalls gut, mit ausreichend steil stehender Lehne und nicht zu flach stehender Bank. Luftausströmer in den A-Säulen sorgen für die richtige Klimatisierung, zwei USB-C-Ausgänge für die zuverlässige Stromversorgung von elektronischen Geräten.

Zeekr X, Elektro-SUV aus China
Zeekr

In der zweiten Reihe geht es geräumig zu.

An den sicheren Transport der Kids wurde auch gedacht, mit leicht zugänglichen Isofix-Halterungen am Beifahrersitz und den äußeren Fondplätzen. Der einen Tick zu hoch installierte Fahrersitz ist elektrisch einstellbar, allerdings ohne ausfahrbare und zweigeteilt, sondern nur als Ganzes in der Höhe einstellbare Sitzfläche. Von dort aus schaut man auf ein 8,8 Zoll großes Instrumentendisplay, ergänzt durch ein Head-up-Display, das alle wichtigen Fahrinfos 24,3 Zoll groß auf die Frontscheibe projiziert. Die meisten Einstellungen steuert man über den zentralen 14,6-Zoll-Touchscreen im Querformat – auch die der Außenspiegel. Immerhin: Das griffige, an allen vier Seiten abgeflachte Lenkrad mit dem 4-Tasten-Layout kann man noch per Hebelzug darunter entriegeln, um es axial und vertikal zu justieren.

In 3,8 Sekunden auf 100 km/h. Und Kurven kann der X auch

Jetzt, wo alles eingestellt ist, kann’s nach einem Zug am Getriebewählhebel hinterm Lenkrad losgehen – in der Allradvariante mit zwei Motoren und insgesamt 315 kW (428 PS) Leistung sowie 543 Nm Drehmoment. Drei Fahrmodi stehen zur Verfügung, wobei die sich nur auf die Vehemenz der Beschleunigung auswirken. In "Unterdrückt" und "Standard" spricht das Strompedal noch verhalten an, legt der Zeekr X selbst bei Kickdown abgesoftet los. Erst in "Sport" gibt’s den berüchtigten Nackenschlag der Kopfstütze, soll es aus dem Stand in 3,8 Sekunden auf Tempo 100 gehen. Glauben wir gerne und checken noch die weiteren Einstellmöglichkeiten. Zum Beispiel die der Lenkung ("Komfort", "Normal", "Sport") und der Rekuperation ("Mittel", "Hoch").

Und so ist schon nach wenigen Kilometern kurvenreicher Strecke klar, dass für Europa nicht einfach die China-Abstimmung übernommen wurde, sondern die Entwicklungsabteilung in Göteborg (dort ist übrigens auch das gesamte Design entstanden) sowohl Lenksoftware als auch Fahrwerksabstimmung an die hiesigen Bedürfnisse angepasst hat. Deshalb geht der Zeekr X willig und zügig ums Eck, kündigt er seinen Grenzbereich gutmütig untersteuernd und transparent an, lenkt spontan ein und hält die vorgegebenen Linie ohne große Korrekturen am Volant. Zwar dürfte er etwas mehr Drehmoment an die Hinterachse leiten, damit das Fahrerlebnis im Sportmodus noch agiler, wendiger gestalten. Dennoch wirkt das Paket harmonisch abgestimmt. Da stört selbst die grobe Kanten und Fugen nicht immer sanft verarbeitende Hinterachse (Fünflenker-Layout mit passiven Dämpfern) selten.

Rekuperations-Einstellungen im Untermenü. Kein Segelmodus

Schade dagegen ist, dass man fürs Anpassen der Rekuperationsmodi zum Touchscreen greifen muss, statt dies per Wippenzug oder Knopfdruck am Lenkrad zu erledigen. Auch, dass es keinen komplett antriebswiderstandsfreien Segelmodus gibt, kreiden wir dem X an. Das gehört zu einem guten E-Auto einfach dazu, genau wie eine One-Pedal-Drive-Funktion (die hat er!) oder die Wahl zwischen vollständigem Halt und Kriechmodus (hat er auch).

Während der Fahrt versorgen die Displays mit Infos zu Reichweite und Verbrauch – der Akkustand in Prozent (SOC) wird jedoch nur im Touchscreen im entsprechenden Untermenü angezeigt. Dort findet man auch die exakten Fülldrücke und Temperaturen der Continental-Reifen vom Typ EcoContact 6 Q (245/45 R 20 103V), die sich bei einem kleinen Durchstich nicht nur selbst versiegeln, sondern auch eine Art Schaumstoff-Streifen unter der Lauffläche tragen, um die Abrollgeräusche zu reduzieren. Tatsächlich aber ist der Geräuschkomfort je nach Fahrbahnoberfläche (das mag auch an den etwas rauen, schwedischen Landstraßen liegen, auf denen wir unterwegs sind) nicht optimal, hört man außerdem ab über 100 km/h den Wind recht deutlich um die rahmenlosen Scheiben und die Außenspiegel rauschen.

Bis zu 150 kW Ladeleistung; Ladeanschluss auf der falschen Seite

Inzwischen sind wir knapp 150 km gefahren, statt der vormals 396 km Reichweite bei 97 Prozent SOC stehen nun noch 280 km bei 70 Prozent SOC auf dem Display, und ein Verbrauch von rund 21 kWh. Zeit für einen Ladetest an der HPC-Station, wobei der Zeekr X seinen 69 kWh großen Akku vortemperiert, wenn man die Ladestation als Ziel ins Navi eingibt. Die maximale DC-Ladeleistung (Gleichstrom) liegt bei vergleichsweise gewöhnlichen 150 kW, an der AC-Wallbox (Wechselstrom) sind serienmäßig bis zu 22 kW möglich – das ist selbst bei doppelt so teuren Elektroautos nicht selbstverständlich.

Bei unserem spontanen Ladeversuch mit recht hohem Start-SOC (70 Prozent) waren allerdings nicht mehr als 30 kW Ladeleistung möglich. Immerhin konnten wir währenddessen sehen, dass der X nicht nur alle dabei wichtigen Infos parat hat (Spannung in Volt, Ladeleistung in kW, Ladetempo in km pro Stunde und verbleibende Ladezeit bis zum gewählten Ladelimit), sondern auch via externem, auf der B-Säule an der Fahrerseite untergebrachtem Runddisplay über Akkustand in Prozent, Reichweite und verbleibende Ladezeit informiert. Auf der Fahrerseite, hinten, befindet sich übrigens auch die Ladeklappe mit zwei fummeligen Gummikappen über den Anschlüssen. Der Ort des Steckeranschlusses ist insofern unpraktisch, weil bei uns der Bordstein und damit auch die meisten AC-Säulen auf der Beifahrerseite liegen, man zum Stopp an der DC-Station meist rückwärts einparken muss. Doch das machen viele Wettbewerber, auch europäische, nicht besser.

Zeekr X, Elektro-SUV aus China
Zeekr

Für den deutschen Markt unpraktische Position des Ladeanschlusses.

Der Lenkassistent macht runde Kurven im Moment noch eckig

Besser hingegen funktionieren bei den meisten Elektroautos von unserem Kontinent die sogenannten ADAS-Systeme (Advanced Driver-Assistance Systems), womit zum Beispiel der Abstandsregeltempomat, die Spurhalte- oder Lenkunterstützung gemeint ist. Der Distanzregler zum Beispiel arbeitet teils übervorsichtig, baut das zuvor eingestellte Tempo nur verhalten wieder auf, nachdem ein vorausfahrender Verkehrsteilnehmer nach rechts zieht, ist trotz eindeutiger Fahrbahnmarkierung kein Verlass auf den Lenkassistenten. Der hält den X nicht in der Fahrbahnmitte, sondern lässt ihn sich an den weißen Streifen entlanghangeln, sodass aus der runden Kurve eine eckige wird. Oder er überfährt die Linie unvermittelt, auch ohne vorher zu warnen. An den Systemen arbeite man noch, sagt Zeekr, und die ersten Kundenautos, die hier Ende des Jahres ausgeliefert werden, sollen eine überarbeitete ADAS-Software besitzen. Ein leicht angepasstes, noch dynamischeres Fahrwerkssetup übrigens auch. Wobei wir nicht der Meinung sind, dass der X das bräuchte.

Lade- und Routenplanung noch nicht ganz ausgereift

Viel dringender wäre unserer Meinung nach eine noch mehr Informationen bereithaltende Lade-Routenplanung. Zwar organisiert das System automatisch Ladestopps, sollte das Ziel außerhalb der Reichweite liegen (Allradler: 425 km; Hinterradantrieb mit 200 kW und 343 Nm: 445 km). Allerdings ist die Auflistung nicht sehr übersichtlich gestaltet, kann man Ladestationen nicht einfach austauschen, bekommt man keine Angabe dazu, mit welchen SOC man die Ladestation voraussichtlich erreicht und wie lange und bis zu welchem SOC man laden soll. Eine Sortierfunktion nach Ladestationen-Betreiber oder eine Vorwahlfunktion des gewünschten Rest-SOC bei Ankunft an Ladestation und Ziel fehlt ebenfalls. Noch. Denn all diese Dinge könnte man per Softwareupdate einfach nachliefern. Die Technik dafür ist schon da.

Und wie lange dauert’s bis, der X bei mir zuhause steht? Wer jetzt bestellt (2WD: ab 44.900 Euro, 4WD: ab 49.490 Euro), so meldet die Webseite, bekommt sein Auto zwischen April und Juni 2024, mit acht Jahren oder 200.000 km Garantie auf den Akku sowie zehn Jahre respektive 200.000 km auf das Gesamtfahrzeug – wenn man sämtliche Wartungen beim offiziellen Zeekr-Inspektionsnetzwerk fristgerecht durchführen lässt. Wo diese Stützpunkte sein werden, will Zeekr ganz bald verraten. Wir vermuten, dass sie dabei auf das Netzwerk von Volvo, Polestar und Smart zurückgreifen werden. Die Technik ist ja dieselbe.

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Fazit

Mit dem Zeekr X bringt Geely ein gut gemachtes Elektro-Auto auf den Markt, das vor allem in Sachen Fahrwerk speziell für Europa appliziert wurde – mit einer guten Portion Fahrspaß sowie ordentlichem Komfort. Auch die Qualität stimmt, die Anmutung der Materialien gefällt. Allerdings müssen die ADAS-Systeme noch geschliffen werden und die Lade-Routenplanung sollte mehr Infos und Einstellmöglichkeiten bieten als aktuell. Weil das Zeekr-Design polarisieren dürfte und es bei Smart und Volvo vergleichbare Modelle mit derselben Technik zu teils günstigeren Preisen gibt, wird es die noch junge Marke speziell in Deutschland wahrscheinlich schwer haben.