Ferrari FF im Fahrbericht
Wie fährt sich der Allrad-Ferrari?

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Mit dem Ferrari FF präsentiert der italienische Sportwagen-Spezialist erstmals in seiner Geschichte einen familientauglichen GT mit Allradantrieb und V12-Motor mit 660 PS. Frei nach dem Motto: Das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Ferrari FF, Frontansicht, Fahrt
Foto: Ferrari

Ungewohntes Terrain betreten, zu neuen Ufern aufbrechen. Wer möchte das nicht - ab und zu? Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, der inzwischen dienstälteste Lenker der Automobilindustrie, hat sich diesen Luxus im Vorgriff auf sein 20-jähriges Dienstjubiläum Ende des Jahres jedenfalls gegönnt. Mit dem Ferrari FF beschreitet die Marke mit dem Cavallino Rampante im üppig dimensionierten Kühlermaul neue Wege.

Neue Denkweise bei Ferrari

Plötzlich darf auch bei Ferrari in Golf-Bags und Hartschalenkoffern gedacht werden. Ski finden auf Wunsch im erstaunlich grosszügig und variabel ausgefallenen Innenraum ebenso Platz wie bis zu vier Erwachsene. Im Gepäckabteil unter der Hatchback-Klappe der ebenso kraftvollen wie eleganten, von Pininfarina gezeichneten Karosserie lassen sich Reiseutensilien mit bis zu 450 Liter Volumen verstauen. Ein eindeutiges Statement pro Alltagstauglichkeit.

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Neuer Allrounder von Ferrari

Da passt der Umstand, dass Ferrari seinen Ingenieuren in diesem speziellen Fall nicht nur die üblichen Tests mit Querkraft-tauglichen Sommerpneus, sondern darüber hinaus auch solche mit üppig dimensionierten Winterreifen im 20-Zoll-Format verordnet hat, trefflich ins Bild. Schließlich soll und will der Ferrari Four (so der vollständige und in doppelter Hinsicht passende Name des Ferrari FF) ein wahrer Allrounder sein. Daher der ungewöhnlich große Kofferraum, daher vier Sitze, daher - und das ist die eigentliche Sensation, die auf dem Genfer Automobilsalon selbst Ferdinand Piëch und Co. auf den Stand der Roten trieb - der Vierradantrieb.
 
Ein Ferrari mit Allrad? Für Hardliner ein Sakrileg. Fehlt nur noch, dass die Italiener demnächst auch noch Autos mit vier Einstiegsluken bauen. „No way“, verspricht der Chef. Zwar sei es ihm ein dringendes Anliegen, „jedem Ferraristi seinen ganz persönlichen Ferrari anbieten zu können“, aber ein Viertürer? Das nun doch nicht. Das sei einfach nicht Ferrari. Der Allradantrieb hingegen schon, meint Montezemolo und hat auch deshalb Recht damit, weil der Ferrari FF streng genommen immer noch ein waschechter Hecktriebler ist.

Auch die Technik geht neue Wege

Aus Gewichtsgründen kam eine traditionelle Allradauslegung, bei der eine Kardanwelle vom Getriebe zum Vorderachsdifferenzial und eine weitere von dort zum Hinterachsdifferenzial geht, beim Ferrari FF nämlich nicht in Frage. Einbußen beim Handling wollten die Italiener auch nicht hinnehmen. In der Folge ließ Ferrari sich ein neues, selbst entwickeltes Vierrad-Konzept patentieren. Das 4RM getaufte System kommt mit nur einer Kardanwelle, einem in Transaxle-Bauweise am Fahrzeug-Ende sitzenden Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe nebst integriertem Hinterachsdifferenzial und einer direkt an den hinter der Vorderachse montierten Sauger angeflanschten Power Transfer Unit (PTU) aus.
 
Letztere sitzt unmittelbar vor dem von Grund auf neu konstruierten 6,3-Liter-V12 mit Benzin-Direkteinspritzung. Das nur 17 Zentimeter lange und extrem leichte Bauteil schaltet sich immer dann ins Ferrari-typisch flotte Geschehen ein, wenn die Reibwerte der Fahrbahnoberfläche die normalerweise zu 100 Prozent für den Vortrieb verantwortlich zeichnenden Hinterräder an die Haftgrenze bringen. Zwei im nassen Ölbad laufende Kohlefaserkupplungen erfüllen dabei exakt jene Aufgaben, die bei einem herkömmlichen Allradsystem dem Front- und Mittendifferenzial zugeordnet sind. Durch eine situationsgerechte Momentenverteilung gleichen sie etwaige Drehzahlunterschiede zwischen den Vorder- und Hinterrädern aus und übernehmen das Torque Vectoring an der Vorderachse.

Pilot kontrolliert die Eingriffe stufenweise

Dabei entscheidet der Ferrari FF-Pilot höchstselbst, ob ihm an einem Maximum an Fahrstabilität gelegen ist oder an einem Höchstmaß an Spaß. Zwar evaluiert die Steuereinheit des 4RM die Beschaffenheit des jeweiligen Untergrunds automatisch. Wie diese Informationen verwertet werden, definiert jedoch der Fahrer mit Hilfe des fünfstufigen Manettinos am Lenkrad. Wer auch bei niedrigen Reibwerten rutschfrei in Gang kommen will, wählt die neu hinzugekommene Schnee-Stellung. Minimal mehr Schlupf gewährt der auch beim Ferrari 458 Italia an Bord befindliche Wet-Modus, noch dynamischer geht’s im Comfort-Programm voran.
 
Der lustvollen Quertreiberei mit Restsicherheit lässt sich im Sportprogramm frönen, im „ESC off“-Mode herrscht der Fahrer im Ferrari FF allein. Dass der Rettungsanker im Hintergrund zumeist in Hab-Acht-Stellung bleibt, fällt dabei kaum auf - weder durch mechanische Geräusche noch durch spürbare Bremseingriffe oder die rüde Rücknahme des dank 660 PS und 683 Newtonmeter maximalen Drehmoments prinzipiell im Übermaß vorhandenen Leistungsangebots. Das fein abgestimmte Stabilitätsprogramm tut nur das Nötigste und lässt auf Eis und Schnee im Sportprogramm erstaunlich große Driftwinkel zu, ohne auch nur ansatzweise Befürchtungen aufkommen zu lassen.

GT-Sportwagen mit italienischem Temprament

Fahrspaß und Sicherheit gehen im Ferrari FF eine gelungene Symbiose ein. Gleiches gilt für die Kombination aus feinsten GT-Tugenden und exzellenten Handling-Genen. 1.880 Kilo Gewicht? Wo denn? Der Viersitzer lässt weder im Antritt noch auf der Bremse Temperament vermissen. Selbst die stattliche Statur des 4,91 Meter langen Italieners gerät angesichts der leichtgängigen, vom Ferrari 458 übernommenen Lenkung fast vollständig in Vergessenheit. Lediglich auf allzu engen Landstraßenbändern ist wegen der Breite des Ferrari FF Übersicht gefragt.
 
Die agile Kurvenhatz ist dem Luxus-GT ebenso auf den formschönen Leib geschnitten wie genüsslich vorgetragene Reiseetappen. Nur langsam geht gar nicht im Ferrari Four. Schon wegen der hoch emotionalen, stets präsenten, aber nie aufdringlichen Zwölfzylinder-Fanfare. Das vor dem Co-Piloten-Sitz im Dashboard-befindliche Display, das wahlweise die gerade anliegende Geschwindigkeit, die gewählte Fahrstufe oder die aktuelle Kraftverteilung zeigt, geht somit als pures Add-on durch: Der Beifahrer ist auch so auf dem Laufenden - zumindest akustisch.

Technische Daten
Ferrari FF 6.3 V12
Grundpreis258.111 €
Außenmaße4907 x 1953 x 1379 mm
Kofferraumvolumen450 bis 800 l
Hubraum / Motor6262 cm³ / 12-Zylinder
Leistung485 kW / 660 PS bei 8000 U/min
Höchstgeschwindigkeit335 km/h
Verbrauch16,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten