Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo im Fahrbericht
Alarmstufe Rot in Neckarwestheim

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Wie, Sie kennen Neckarwestheim nicht? Das Dorf vor den Toren Stuttgarts sollten sich Sportwagenfans merken, denn dort sitzt die Firma VOS – Vision of Speed. Wir haben ihren neuesten Boliden aus dem Showroom, den Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo, für einen Tag nach Hockenheim entführt.

Novitec-Ferrari F12 N-Largo, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Was hat Neckarwestheim mit Miami Beach, Hollywood und New York gemeinsam? Bisher so viel wie ein Dorfverein mit Real Madrid. Außer durch das dort ansässige Kernkraftwerk erlangte die 3.500-Seelen-Gemeinde vor den Toren Stuttgarts keinen überregionalen Bekanntheitsgrad. Für Sportwagenfans wird Neckarwestheim aber ab sofort zu einem der Hotspots dieses Planeten: Ein Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo ward hier gesichtet.

Willkommen in der Werner-Heisenberg-Straße Nummer 4 in Neckarwestheim. Vorbei am Friedhof geht es in das neu erschlossene Sträßchen, das für manches Navigationssystem noch eine Unbekannte ist. Und doch weht hier am Ortsrand ein Hauch von Clooney, Pitt und Cruise: Man könnte meinen, hier hätte sich ein Hollywoodstar niedergelassen. Vor der postkartenähnlichen Fernsicht-Idylle mit Wiesen und frisch gepflügten Feldern thront in Hanglage ein futuristisch kantiger Bau, der mit Überwachungskameras gespickt ist wie das Weiße Haus.

Unsere Highlights

Drei- oder vierstöckig? Keine Ahnung, wir haben nur etwas von einem Penthouse mit Pool und einem Privatkino im Keller aufgeschnappt. Ein kleines Mekka für Architektur-Fans also, doch wir würden nicht sport auto heißen, wenn dieses Domizil nicht auch ein Hort glühender Sportwagenleidenschaft wäre. Erdgeschoss und erster Stock verschmelzen dank einer Galerie zu einem Showroom, der so manche Porsche-Niederlassung wie einen 08/15-Händler dastehen lässt. Über die Ansammlung der Sportwagen-Preziosen haben wir dabei noch gar nicht gesprochen: Ferrari, Maserati, Lamborghini, Porsche, McLaren, Gumpert und vieles mehr – hier steht alles, was Rang und Namen hat.

Breitbau: Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo mit 781 PS

Die Jungs hinter der PS-Fülle begrüßen Besucher lässig in hauseigenem Klamottenlabel – Kapuzenpullover mit Firmenlogo statt Schlips und Kragen. Die Firma nennt sich VOS – Vision of Speed. Hinter der ganzen Nummer steckt ein Privatmann, der aus seiner Fahrzeugsammlung zusammen mit VOS-Geschäftsführer Michael Keller ein erfolgreiches Unternehmen gemacht hat. Der Hauptschwerpunkt von VOS liegt heute auf dem Verkauf, aber auch der Vermietung von exklusiven Fahrzeugen. „Es kommen nicht nur Anfragen aus Deutschland, sondern aktuell beispielsweise auch aus England, Estland und dem arabischen Raum“, erklärt Keller.

Wände beben, Glasscheiben zittern, plötzlich bricht der Ausnahmezustand über die Werner-Heisenberg-Straße Nummer 4 herein – Fahrgestellnummer 192777 schmettert einen infernalischen Begrüßungsschrei durch seine vier 90er-Endrohre, sodass im 2,9 Kilometer entfernten Atomkraftwerk Neckarwestheim II beinahe ein Störfall gemeldet wird. Zwölf Zylinder mit 65-Grad-Zylinderbankwinkel, 6.262 Kubikzentimeter Hubraum und 781 PS verharren bassig rockend in leicht unrundem V12-Leerlaufbeat.

781 PS? Nicht viele können diese Leistungsangabe sofort einem Boliden zuordnen. Ein Ferrari Enzo (660 PS) oder ein 599 GTO (670 PS) kann es nicht sein. Vielleicht die Rennversionen FXX oder 599XX? Ebenfalls daneben, auch wenn der Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo rein optisch der Scuderia-Rennabteilung entflohen zu sein scheint. Doch er schmückt sich nicht mit Startnummern und Sponsorenaufklebern. Die Breitbauversion des F12 Berlinetta von Italo-Veredler Novitec Rosso aus Stetten im Unterallgäu trägt trotz seines martialischen Auftritts eine Straßenzulassung.

Breiter als LaFerrari

Bullige Kotflügelverbreiterungen ersetzen die Serienkotflügel und machen den Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo an der Vorderachse sechs Zentimeter breiter. Das Heck ist sogar 11 Zentimeter wuchtiger als bei der nicht schmächtigen Ausgangsbasis. Insgesamt wächst die Gesamtfahrzeugbreite von 1.942 auf 2.052 mm. Damit übertrifft der Widebody-F12 sogar sämtliche Cracks der Sportwagenelite wie Lamborghini Aventador (2.030 mm), Ferrari LaFerrari (1.992 mm), McLaren P1 (1.946 mm) und Porsche 918 Spyder (1.940 mm). Enge Autobahnbaustellen sollten also besser umfahren werden.

Für uns ist die Autobahn ohnehin heute leider tabu, obwohl das Datenblatt den Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo für Highspeed-Ausflüge prädestiniert. Laut Novitec soll die Nennleistung dank einer neu abgestimmten Motorelektronik mit geänderten Kennfeldern und einer Edelstahl-Abgasanlage mit 100-Zeller-Sportkatalysatoren von 740 auf 781 PS steigen. Weitere Zahlen gefällig? 16, 8.900, 350. 16 Kilogramm soll die Edelstahlabgasanlage gegenüber dem Serienauspuff einsparen. Die Maximaldrehzahl steigt von 8.700 auf 8.900 Touren. Die Endgeschwindigkeit beziffert Novitec mit 350 km/h.

40 mm tiefer als ein Serien-F12

Auch wenn verschiedene Tuningkomponenten aus dem Novitec-F12-Programm im Windkanal erprobt worden sein sollen, zweifeln Kritiker, ob der Breitbau die günstigen Aerodynamik-Werte der Serien-Berlinetta (cw-Wert: 0,299) halten und wirklich die 340 km/h Werksangabe so locker überflügeln kann. Doch nackte Zahlen sind etwas für Theoretiker, wir ergötzen uns an den bellenden V12-Gasstößen, mit denen der Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo langsam in der Werner-Heisenberg-Straße 4 auf einen Anhänger kriecht. Zwischen Asphalt und Frontsplitter in appetitlichem Sichtcarbon passt kaum eine Zigarettenschachtel mehr, doch vor der Anhängerrampe hebt sich die Vorderachse dank hydraulischer Höhenverstellung auf Knopfdruck fast geräuschlos. Ohne die würde im Alltag nichts gehen, denn der Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo liegt mit Sportfedern nochmals 40 mm tiefer als ein F12 von der Stange.

Nach der ersten Hörprobe in Neckarwestheim müssen wir uns noch gedulden. „Zu viele Kilometer auf der Uhr stören beim Wiederverkauf. Wir bringen euch den Wagen gerne auf dem Trailer zum Hockenheimring“, sagt VOS-Chef Keller.

Heiserer V12-Gedächtnissound

Schaltblitze im Lenkradkranz flammen auf, 7.000, 8.000, fast 9.000 Touren – Szenenwechsel, der N-Largo schreit aus der Boxengasse auf den Kleinen Kurs, während sich in Hockenheim Downtown die Wutbürger formieren. Selbige stufen den Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo sicher als „kriminelle Ruhestörung auf vier Rädern“ ein, für uns gewinnt der Spezial-F12 mit Abstand die Soundwertung der letzten Jahre. Hochfrequent hell wie ein Renntriebwerk ist die Serienversion in Erinnerung. Wenn die Novitec-Klappenabgasanlage über das Manettino am Lenkrad im Race-Modus auf Durchzug geschaltet wird, brandet heiserer Gedächtnis-Sound vergangener V12-Formel-1-Zeiten auf.

Gut, schon bei der Straßenzulassung der Ferrari-Serienabgasanlage dürfte der ein oder andere Grappa zwischen den Prüfern und der Scuderia geflossen sein. Für das Novitec-Pendant reicht das wahrscheinlich nicht aus, auch wenn die Auspuffanlage im minimal leiseren Sportmodus über eine Straßenzulassung verfügen soll. Egal, heute zählt nur der Genuss.

Vorerst keine Messwerte des Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo

Und wie sieht’s mit der Rundenzeit aus? Wir können und dürfen nicht. Feuchte Streckenabschnitte am Eingang Motodrom und in der Südkurve vereiteln den Ritt im Grenzbereich genauso wie ein Anruf aus der Novitec-Firmenzentrale, mit diesem Auto ja keine Messwerte zu ermitteln. Das ist so, als ob man beim Oktoberfest in einem Festzelt keine Maß Bier, sondern Apfelschorle trinken muss.

Zwei ambitioniertere Hockenheim-Runden müssen sein. Ähnlich wie der Serien-Hecktriebler vermittelt der Novitec Rosso Ferrari F12 N Largo mit guter Traktion schnell Vertrauen am Limit und lenkt ähnlich präzise ein. Durch die strafferen Federn fällt die Rollneigung im Grenzbereich etwas geringer aus. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit ultraschnellen Schaltzeiten steht dem N-Largo genauso gut wie das von Novitec mit Alcantara und Ziernähten verfeinerte F12-Interieur.

Just nachdem der Breitbau wieder wohlbehütet in die Boxengasse eingebogen ist, flatterte von Ferrari übrigens per E-Mail noch eine frohe Botschaft für 2014 rein. Der einst für Mai 2013 terminierte Supertest mit dem Serien-F12, der dann von Ferrari mehrfach verschoben wurde, soll 2014 stattfinden. Spätestens dann gibt’s auch endlich eine Rundenzeit.

VOS – Vision of Speed

Logistisch gesehen hätte die 2011 gegründete Firma VOS – Vision of Speed kaum einen besseren Standort als Neckarwestheim wählen können. Unweit des exklusiven Showrooms liegt die Autobahn A 81 mit einem herrlich unlimitierten Geschwindigkeitsbereich. Den Hockenheimring erreicht man vom VOS-Headquarter in rund 50 Minuten. Nach dem Motto „Geht nicht gibt’s nicht“ dreht sich bei VOS alles um Verkauf und Vermietung von exklusiven Automobilen. Egal ob Sportwagen, Power-Limo, SUV oder Supersportwagen, die Firma macht nahezu jeden Kundenwunsch möglich. Besondere Fahrgestellnummern, außergewöhnliche Farben, verrückte Tuning-Umbauten – „08/15“ ist bei VOS ein Fremdwort. Dabei stehen nicht nur Automobile im Mittelpunkt. „Wir bieten auch Custombikes an“, erklärt VOS-Geschäftsführer Michael Keller. Auf Kundenwunsch werden die maßgeschneiderten Motorradumbauten auch dem Design eines speziellen Sportwagens nachempfunden.

Weitere Infos unter: www.vos-cars.com

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten