Porsche 918 Spyder im Fahrbericht
Rennstrecken-Debüt des Hybrid-Sportlers

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Er ist auf dem Weg, der vielseitigste und beste Supersportwagen aller Zeiten zu werden. Der Porsche 918 Spyder vereint gewaltige 887 PS Hybrid-Power und einen offiziellen Verbrauch von 3,3 Liter pro 100 km. Wir fuhren den Prototyp auf der Rennstrecke.

Porsche 918 Spyder, Frontansicht
Foto: Hardy Mutschler

Was für ein Gegensatz: Aus dem obenliegenden Doppelendrohr (Toppipes) des Porsche 918 Spyder entweicht flimmernd heiße Luft, der V8 bollert Zwerchfell erschütternd, und Walter Röhrl und der Projektleiter Fahrdynamik, Eugen-Oberkamm, parlieren über die wohltuende Entspannung beim elektrischen Fahren? ´Tschuldigung, das ist hier kein Auto-Spa, sondern die brutalste Ambivalenz der deutschen Autogeschichte.

Auf der einen Seite ein lokal emissionsfreier elektrischer Flüstergleiter, auf der anderen ein brutaler Nordschleifen-Bezwinger, dessen wahres Potenzial sich bisher nur erahnen lässt. Auto-Hightech in drei Akten.

Unsere Highlights

Überraschend schnell: E-Modus

Die Exposition: Ein Druck aufs Fahrpedal setzt den Porsche 918 Spyder in Bewegung. Fein, weich und ansatzlos – der Fahrschalter rastet im E-Modus – das leise Sirren unterbricht nur das zarte Klatschen, wenn der Hinterkopf beim vollen E-Beschleunigen die Kopfstützen touchiert. Ja jetzt, guten Morgen, da geht was – um genau zu sein von null auf 100 km/h so schnell wie ein VW Golf GTI. Inzwischen 210 kW oder in alter Währung 285 PS kitzeln die Ingenieure aus der auf extreme Leistungsdichte getrimmten Lithium-Ionen-Batterie. Sie und weniger die beiden E-Motoren vorn (95 kW) und hinten (115 kW) sind das limitierende Element, wenn es um Strom und damit Leistung geht.
 
Fast die gleiche Leistung fließt zurück, wenn der Fahrer auf der Rennstrecke hart auf die Bremse des speziellen Bosch-ABS drischt – drei Mal mehr als bei üblichen Hybriden. So gleitet man mit dem Porsche 918 Spyder bis zu 30 Kilometer und 150 km/h elektrisch dahin – und es wäre alles schon gut, wenn da nicht dieses Verbrennungsmonster im Nacken lauern würde.

Wahrer Renn-V8 im Porsche 918 Spyder

Der Höhepunkt: Ein Klick am Lenkrad-Rädchen, jetzt steuert der Porsche 918 Spyder in den ersten von vier Hybridmodi. Ein schwaches Herz sollte keiner besitzen, wenn im Heck das V8-Biest plötzlich losbellt, schnaubt und brüllt als wäre die letzte Stunde des Verbrennungsmotors gekommen und er müsste nochmal eine wilde Abschiedsparty geben. Während der Direkteinspritzer also feurig feiert, sei daran erinnert, dass er am Anfang gar nicht gut klang und quasi die komplette Auspuffanlage geändert wurde. Rock am Ring der schärfsten Art.
 
Endrohr gut, alles gut. Entwicklungsvorstand Hatz freut sich sichtlich über den gelungenen Heavy-Metal-Akt seines Hightech-Babys. Ja, es ist viel passiert zwischen den ersten vagen Leistungsdaten der Studie im März 2010 und dem aktuellen Entwicklungsstand.
 
Getrieben sicherlich auch von der Leistungsmeierei der Super-Hybrid-Konkurrenten Ferrari LaFerrari (963 PS) und McLaren P1 (917 PS) zwirbelten die Ingenieure den 4,6-Liter-V8 auf 9150 Touren und damit offiziell 612 PS. Mit 133 PS pro Liter trommelt der schwäbische Super-Hybrid mehr Leistung pro Hubraum als jeder andere Serien-Sauger – La-Ferrari mit 126 PS/L inklusive. Dabei wiegt der komplett riemenlose Direkteinspritzer-V8 mit 140 Kilogramm weniger als die meisten Vierzylinder-Turbos. Das macht alles zusammen 887 Allrad-PS und 1068 Nm für den 1640 Kilogramm (mit leichtbauoptimiertem Weissach-Paket) schweren Boliden, die dazu geeignet sind, deine automobilen Vortriebsdimensionen nachhaltig zu beschädigen.
 
Die Dramatik, in der das geschieht, entscheidet der Pilot des Porsche 918 Spyders auf Knopfdruck zwischen dem Sport-, Race- und Hot-Lap-Modus. Wobei in dieser Reihenfolge die Entladung der Batterie und der maximale Boostfaktor der Elektromotoren gesteigert wird. Gleichzeitig gehen Flügel und Klappen in Abtriebstellung.

Hybrid der Extreme

Das Fahrpedal in Hot Lap durchgedrückt, brennt dann ein hybrides Leistungsinferno ab, gegen das jeder Lexus LS 600 h eine Kerze mit Taschenlampen-Booster ist. Keine acht Sekunden vergehen, und du bist auf Tempo 200. Was spätestens dann etwas unangenehm überrascht, wenn du dich am Bremspunkt einige km/h langsamer wähnst.
 
Wie überhaupt das Gefühl für die unglaubliche Geschwindigkeit im Porsche 918 Spyder auch großen Fahrer-Legenden verloren zu gehen scheint: „Dann bin ich mal entspannt in siebeneinhalb Minuten über die Nordschleife gerollt“ – was ein Röhrl eben so entspannt nennt. Hatz sagt eher: „Das Ding muss erst mal gehen wie der Teufel.“
 
Bei einer ersten Prototypen-Fahrt hat der Porsche 918 Spyder auf derNordschleife mit stehendem Start schon offizielle 7.14 Minuten erreicht. Jedenfalls steckt nach Meinung der Entwickler noch viel Potenzial in ihrer Grande Complication der Sportwagenwelt.

Gewaltige Querreserven

Für den Autor retten die vier Karbon-Keramik-Bremsscheiben den etwas mutig gewählten Bremspunkt – der Porsche 918 Spyder zirkuliert brüllend in die Kurve. Sehr fein über das Gas steuerbar und mit – bei warmen Reifen – gewaltiger Traktion und Querreserven klemmt sich der 918 stoisch neutral an den Kurvendurchmesser. Bei kalten Pneus und nasser Bahn hilft dagegen nur blitzschnelles Gegensteuern über die sehr direkte Lenkung, um eine Kaltverformung des Drei-Millionen-Prototyps zu verhindern. Leicht wirkt er dabei, fast simpel zu fahren mit seiner aktiven Hinterradlenkung.
 
Lösung: Nur die Ingenieure haben es noch nicht so leicht. Bevor der Porsche 918 Spyder kommendes Jahr an die ersten von 918 Kunden geht, muss noch einiges feingeschliffen werden: Die Übergänge in den Hybrid-Modi, das Geräusch- und Schaltverhalten, die Launch Control fehlt, und die Elektronik zickt bekanntermaßen in der Entwicklung auch gern.
 
25 Prototypen und überaus strenge Kritiker wie Walter Röhrl sind dafür im Einsatz, aus diesem 768.026 Euro teuren Monster bis zur IAA im September 2013 den vielleicht besten Supersportwagen aller Zeiten zu machen.

Technische Daten
Porsche 918 Spyder Mit Weissach-Paket
Grundpreis839.426 €
Außenmaße4645 x 1940 x 1167 mm
Kofferraumvolumen110 l
Hubraum / Motor4593 cm³ / 8-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 8700 U/min
Höchstgeschwindigkeit345 km/h
Verbrauch3,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten