VW Polo R WRC im Fahrbericht
Rallye-Ableger für die Straße

Inhalt von

Volkswagen lässt Rallye-Fans mit der 220 PS starken Straßenversion des VW Polo R WRC das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wir haben den auf 2.500 Exemplare limitierten Sportler einem Shakedown auf der Straße unterzogen.

VW Polo R WRC, Frontansicht
Foto: Archiv

Schon von Weitem ist der knackige Klang des VW Polo R WRC von Sébastien Ogier mitten in den Weinbergen an der Mosel zu hören. Ein paar Sekunden später kachelt er um die Kurve, hebt mit dem Hintern auf einer Bodenwelle kurz ab und verabschiedet sich mit einer braunen Staubwolke. Neben ihm sitzt sein Beifahrer und betet ihm die nächsten Kurven vor, bevor es zurück zum selbst aufgebauten Servicepark geht, der das Zuhause für die VW-Testfahrten zur Rallye Deutschland ist. Gummiplanen, Klappzelt, Bierbänke – Rallye-Teams arbeiten bescheiden.

Unsere Highlights

VW Polo R WRC als legaler Straßen-Feger

Neben der Zelt-Garage des VW Polo WRC, der bereits die ersten Autogrammjäger anlockt, parkt etwas verschüchtert sein kleiner Bruder. Nicht, dass sich der Namensvetter mit 220 PS verstecken müsste, doch gegen die 315 PS der Rallye-Version kann der Straßenableger nicht anstinken. Dabei verdankt das WRC-Auto dem Kraftzwerg seine Daseinsberechtigung. Für die Homologation des Rallyeautos musste Volkswagen nämlich das Basisauto in Kleinserie bauen. Deshalb ist der VW Polo R WRC auch auf 2.500 Exemplare limitiert. Bis Ende März gingen 600 Vorbestellungen für das 33.900 Euro teure Vergnügen ein, aktuellere Zahlen gibt es laut VW derzeit nicht. Das Interesse ist jedoch groß. Beim Wörthersee-Treffen war der stärkste Polo aller Zeiten der Star, die sport auto-Leser wählten ihn beim sport auto Award auf Platz eins in der Kategorie Kleinwagen.

Ohne Beifahrer und Gebetbuch

Aber hat er sich die Rallye-Optik mit den blau-grauen Streifen, Stoßfängern im WRC-Design, tief heruntergezogener Frontschürze, Dachkantenspoiler und einem Diffusor auch wirklich verdient? Das muss das Sportgerät auf den Landstraßen rund um die Mosel erst noch beweisen.

Eine enge Linkskurve, 300 Meter geradeaus, eine enge Rechtskurve. Nichts. Die Hände umklammern das mit Alcantara überzogene Lenkrad. Es könnte aus einem Rennwagen stammen und liegt extrem gut in der Hand. Die Füße spielen mit den Alu-Pedalen. Eine lang gezogene schnelle Links. Wieder nichts.

Okay, wir haben den Haken an der Sache verstanden. Der Beifahrer mit dem Gebetbuch ist in dieser Version offensichtlich nicht in den Ausstattungs-Extras inbegriffen. Und eine Track-App mit virtueller Ansage gibt es auch noch nicht. Halb so schlimm, loten wir die Grenzen des Polo R WRC, der bis auf den 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo-Motor auf der GTI-Version basiert, eben ohne Ansage aus.

VW Polo R WRC: Großer Motor, kleine Stimme

Der Kleinwagen macht verdammt viel Spaß. Beim ersten Tritt aufs Gaspedal im Test zeigt der Polo schnell, welche Ambitionen er hat. Zunächst ruckt der Kopf noch etwas willenlos nach hinten, danach ist der Fahrer vorgewarnt: Hier steckt ordentlich Dampf unter der Haube. Ab 3000 Umdrehungen geht es spürbar vorwärts, darunter grüßt das Turboloch. Der Sprint von null auf 100 km/h soll in 6,4 Sekunden absolviert sein, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 243 km/h.

Begleitet wird das Hochbeschleunigen vom typischen Turbopfeifen, eine kleine Reminiszenz an den großen Bruder. Generell könnte sich der Straßen-Polo aber ruhig krawalliger äußern, selbst mit heruntergelassener Scheibe ist er kleinlaut. Von einem Auto mit dem Kürzel WRC erwartet man eine geöltere Kehle.

Am Lenkrad ist die Kraftentfaltung schon deutlicher zu spüren. Während in der Rallye-Version alle vier Hufe scharren dürfen, wird bei der Straßenvariante nur die Vorderachse angetrieben. Auch wenn eingefleischte Fans nach einer Allradversion lechzen, funktioniert der Frontantrieb erstaunlich gut. Allerdings fordern die 220 Pferde und das maximale Drehmoment von 350 Nm eine gewisse Aufmerksamkeit bei der Lenkarbeit. Sonst biegt der Sportler ganz ohne Vorwarnung des Co-Piloten nach rechts oder links ab.

Sich mal wie Monsieur Sébastien Orgier fühlen

Im Ernstfall punktet er mit der sehr direkten und kräftig zupackenden Bremse, bei der vor der Kurve das Gefühl aufkommt, man hätte wenige Meter zuvor einen Anker geworfen. Die manuelle Sechs-Gang-Schaltung verdient ebenfalls Lob: Die Gänge flutschen gnadenlos präzise durch die Schaltgassen. Und mit jedem erneuten Handauflegen fühlt man sich ein bisschen wie Monsieur Sébastien Ogier, versprochen.

Nur die Rennstrecken-Fans werden beim Thema ESP einmal mehr daran erinnert, dass der Polo eben doch kein reinrassiger Sportler ist – diese Sicherheitsfunktion lässt sich, wie im Volkswagen-Konzern üblich, leider nicht abschalten.

Der Verkauf des VW Polo R WRC beginnt im September. Wer sich einmal wie Sébastien Ogier fühlen will und seine Kumpels schon immer mal staunend in einer Staubwolke zurücklassen wollte, ist dann vielleicht auch bereit, für das limitierte Sammlerstück rund 10.000 Euro mehr als für den Polo GTI über die Ladentheke zu schieben.

Fazit

Im Rallye-Sport spielt der Schotteranteil eine große Rolle. Beim Straßenableger des Rallye-WM-Autos, dem VW Polo R WRC, auch: 10 000 Euro Aufpreis verlangt VW im Vergleich zum Polo GTI. Der größte Unterschied besteht beim Motor, wo das Zwei-Liter-Triebwerk mit satten 220 PS unter der Haube röchelt. Das Paket fühlt sich auf der Straße stimmig an. Ob die Performance so deutlich profitiert hat, wie es der Preis nahelegt, kann erst der Test auf der Rennstrecke klären.

Technische Daten
VW Polo R WRC R WRC
Grundpreis33.900 €
Außenmaße4000 x 1682 x 1458 mm
Kofferraumvolumen204 bis 882 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung162 kW / 220 PS bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit243 km/h
Verbrauch7,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten