Wiesmann Roadster MF5 auf dem Hockenheimring
Offener Exot erobert die Rennstrecke

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Wir fahren den Wiesmann Roadster MF5 mit 507 PS, der auf 55 Exemplare streng limitiert ist. Schon das Coupé Wiesmann GT MF5 erhöht bei Sportwagen-Fans den Herzschlag. Jetzt geht der offene Bruder des Zehnzylinder-Exoten aus Dülmen auf den Hockenheimring.

Wiesmann Roadster MF5
Foto: Rossen Gargolov

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht mehr. "Guck mal, der hat ja eine Eidechse auf der Motorhaube", sagt der siebenjährige Sportwagen-Fan mit glänzenden Augen, als der Wiesmann Roadster MF5 beim sport auto-Aktionstag in Hockenheim seinen Platz in der exklusiven Sportwagen-Ausstellung unter großem Menschenauflauf räumt. Klick, abgespeichert. Den Ort der ersten Begegnung mit einem Wiesmann vergisst man nicht mehr. Bei mir hat es im Sommer 1997 in Hamburg "klick" gemacht. Damals bollerte ein dunkelblauer Roadster MF 30 die Hafenstraße in der Hansestadt entlang.

Unsere Highlights

Willkommen Wiesmann Roadster MF5

Das Automobil mit den charakteristischen Gecko-Logos findet sich im Straßenbild so selten wie ein Wolf in freier Wildbahn. Umso eindrucksvoller ist es, wenn man einen der rund 180 pro Jahr in der Dülmener Manufaktur handgefertigten Exoten leibhaftig vor sich hat. Doch der Traum vom eigenen Sportwagen dauerte für die Firmengründer und Brüder Friedhelm und Martin Wiesmann ein Jahrzehnt. Nach der Gründung der Wiesmann GmbH im Jahr 1984 produzierte die Firma anfänglich Hardtops für Cabrios, bevor 1986 die Entwicklung des ersten Roadster-Prototyps begann. 1993 startete die Kleinserienfertigung des klassischen Roadsters MF 30 mit glasfaserverstärkter Kunststoffkarosserie und BMW-Reihensechszylinder mit 231 PS. 16 Jahre später präsentiert die Manufaktur der Individualisten, wie sich Wiesmann offiziell selbst bezeichnet, auf der IAA 2009 den stärksten Roadster der Firmengeschichte. Willkommen Wiesmann Roadster MF5.

Auf Basis des Coupés GT MF5 entwickelte Wiesmann einen rassigen Roadster mit ähnlichen Eckdaten. Pralle Kotflügelbacken, eine lang gezogene Motorhaube und darunter ein mächtiges Triebwerk. Der Wiesmann Roadster MF5 erinnert damit ein bisschen an die AC Cobra. Mit dem V10-Hochdrehzahl-Triebwerk aus dem BMW M5 (E 60 - 61) ist der Dülmener Roadster nicht weniger temperamentvoll als der britisch-amerikanische Zweisitzer aus den sechziger Jahren. Bei der ersten Ausfahrt in Hockenheim glänzt auch der neueste Frischluft-Wiesmann wie schon sein Coupé-Bruder mit bissigem Antritt. Die gleichmäßige Leistungsentfaltung des 507 PS starken V10 aus dem Drehzahlkeller über ein weites Drehzahlband lässt auch schon bei der ersten Fahrt keine Zweifel an der Werksangabe von 3,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 aufkommen.

Wiesmann Roadster MF5 bietet ein ungefiltertes Fahrerlebnis

Wer dem roten Baron so richtig die Sporen gibt, erlebt eine Motor-Getriebe-Einheit, die mehr einem Rennwagen als einem Sportwagen für die Straße ähnelt. Klick. Dem leisen Geräusch der Schaltpaddel folgt Krawall. In der schnellsten Schaltstufe haut das sequenzielle Siebengang-SMG die Gänge mit der Sanftheit eines Klitschko-Punchs rein. Erst bei Tempo 310 soll die Kraftorgie im Wiesmann Roadster MF5 ein Ende haben. Bei offenem Verdeck ist eine neue Fönfrisur im Wiesmann-Schauspiel inklusive. Selbstverständlich verzichtet der puristische, westfälische Sportler auf Weichmacher wie Windschott und Co. Nicht viele Fahrzeuge bieten ein so ungefiltertes, offenes Fahrerlebnis - dabei sollte die Besatzung aber nicht zimperlich sein. Verwirbelungen gehören bei geöffnetem Faltdach wie die Geckos auf Hauben und Felgensternen zum Roadster dazu. Damit das Open-Air-Fahrvergnügen stets sicher abläuft, geht auch der neueste GT-Spross mit verschiedenen Fahrhilfen an den Start.

Bei Wiesmann blubbert die Pressemappe mal nicht mit purem Marketingfloskeln: "Ein zweistufiger Fahrer- und Beifahrerairbag, ABS, DSC und viele weitere Sicherheits-Features sorgen dafür, dass sich der Endorphin-Spiegel mit einem sicheren Gefühl in ungeahnte Höhen treiben lässt." Richtig, auch Sportwagen-Enthusiasten werden die elektronischen Zügel hier ausnahmsweise schätzen. Wer sämtliche Fahrhilfen deaktiviert, sollte definitiv wissen, wie über 500 Wildpferde gezäumt werden. Ein erfahrener, dosierter Gasfuß sowie spontane Lenkreaktionen sind ein absolutes Muss. Durch die sehr alltagstaugliche, aber relativ weiche Fahrwerksabstimmung tendiert der Wiesmann Roadster MF5 zu einem Nickmoment beim kräftigen Anbremsen auf der Rennstrecke. Dabei schwänzelt des Geckos Heck leicht mit. Am Kurveneingang untersteuert der Roadster beim Einlenken zunächst, bevor er wenig später zum Übersteuern tendiert. Vor allem auf Lastwechselprovokationen im Kurvenscheitelpunkt reagiert der offene Zweisitzer gereizt und keilt schnell mit seinem bildhübschen Hinterteil aus.

Der 189.500 Euro teure Roadster MF5 ist auf 55 Exemplare limitiert

Wie auch das Coupé tritt der Roadster mit der gleichen, hydraulischen Servolenkung an. Das Lenkgetriebe des Wiesmann MF5 stammt aus dem aktuellen M3 und die angepasste Lenksäule aus dem M3-Vorgänger E 46. Das extrem direkte Einlenkverhalten sowie das um die Mittellage spitze Verhalten vor allem in Verbindung mit den Michelin-Sportreifen ist für Rennstrecken- Dauergäste ein bekanntes und durchaus gewünschtes Verhaltensmuster. Für Fahrer, die hauptsächlich auf gediegene Cabriolet-Ausfahrten stehen und sich nur selten im Grenzbereich bewegen, sollte besser eine etwas zahmere Kennlinie der Lenkung angeboten werden.

Doch das sollte für die Wiesmänner kein Problem sein, schließlich kümmert sich kaum ein anderer Automobilhersteller so rührend um die Wünsche seiner exklusiven Kundschaft. So müssen sich Wiesmann-Interessenten beispielsweise zwischen 400 verschiedenen Lederarten und rund 33.000 Lacken entscheiden. Liebevoll bis ins Detail verarbeitet die Wiesmann-Manufaktur Leder, Ziernähte und klassisch anmutende Rundinstrumente zu einem Interieur-Kunstwerk. Rund 350 Arbeitsstunden vergehen bis Aluminium-Monocoque, GFK-Karosserieteile und der aufwendige Innenraum mit den perfekt passenden Sportschalensitzen zu einem fertigen Fahrzeug zusammenwachsen. Klick, abgespeichert. Auch der feuerrote Wiesmann Roadster MF5 hinterlässt beim ersten Treffen in Hockenheim wie schon seine Gecko-Artgenossen bleibende Eindrücke. Übrigens: Wer sich dauerhaft an die mindest 189.500 Euro teure Echse binden will, sollte sich beeilen - der Wiesmann Roadster MF5 ist auf 55 Exemplare streng limitiert.


Wie das Wiesmann MF5 Coupé lenkt auch das Cabrio dank der sehr direkt übersetzten Lenkung präzise ein. Nach anfänglichem Untersteuern am Kurveneingang tendiert der offene Wiesmann MF5 Roadster schon bei kleinen Lastwechselreaktionen zum Übersteuern. Die Devise "Immer auf Zug halten" ist hier besonders wichtig. Für die Rennstrecke könnte das Fahrwerkssetup etwas straffer sein, da der Wiesmann MF5 Roadster beim starken Anbremsen ein Nickmoment zeigt und das Heck leicht unruhig wird.

Technische Daten
Wiesmann GT MF5 Roadster
Grundpreis189.500 €
Außenmaße4220 x 1950 x 1180 mm
Hubraum / Motor4999 cm³ / 10-Zylinder
Leistung373 kW / 507 PS bei 7750 U/min
Höchstgeschwindigkeit310 km/h
Verbrauch13,8 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten