Formel-1-Projekt von Audi
Wir waren in der F1-Fabrik

Audi steigt erst 2026 in die Formel 1 ein, ist aber doch schon voll im Wettbewerb. Die Ingolstädter Premiummarke fährt gerade ein Rennen gegen die Zeit. Gleichzeitig werden die F1-Fabrik komplettiert und der erste Vollmotor gebaut. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.

Audi - F1-Fabrik - Neuburg - 2023
Foto: Audi

Noch braucht man viel Vorstellungskraft, um in dem großzügigen Industriekomplex bei Neuburg an der Donau eine Formel-1-Fabrik zu entdecken. Dort, wo früher Autos und Motoren für Le Mans, die DTM und die Formel E entstanden, wird gerade umgezogen und ausgebaut.

Die Büros in Gebäude F6 sind zum Großteil schon bezogen. 250 der final einmal über 300 Mitarbeiter sind schon an Bord. In Halle F5 befinden sich Lager und Werkstatt und nebenan ein paar der Prüfstände. Der Gebäudekomplex F7 entsteht gerade. Er wird im Sommer eingeweiht. Und mit ihm der Rest der bestellten Prüfanlagen.

Unsere Highlights

Die Prüfstände für das Formel-1-Projekt sind entweder schon da oder werden als Modul termin- gerecht geliefert. Je drei für Einzylinder und Vollmotoren, einen für den Gesamtantrieb inklusive Getriebe, zwei für die MGU-K, einen für die Batterie und das Getriebe, dessen Innereien in Neuburg entstehen. Das Gehäuse wird weiter beim Chassis-Partner in Hinwil gebaut. Das Reglement würde noch einen VTT-Prüfstand ("Virtual-Test-Track") erlauben, bei dem das komplette Auto vom Simulator aus im Stand den Belastungen ausgesetzt ist wie auf der Rennstrecke. Audi will aber darauf verzichten.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die ersten Vorversuche mit Einzylindermotoren laufen bereits seit Ende 2022. Der erste Vollmotor soll noch im Herbst dieses Jahres auf dem Prüfstand gezündet werden. Technikchef Stefan Dreyer zählt drei Projektphasen auf: "Die erste besteht darin, etwas auf die Prüfstände zu bekommen, damit man erproben und messen kann, ohne vom Setup her zu sehr auf das Fahrzeug fixiert zu sein. Im zweiten Abschnitt orientiert man sich am Fahrzeug und wie der Motor in das Auto integriert werden soll. Und zum Schluss fokussiert man sich voll auf den Renneinsatz."

Die Herausforderung ist laut Dreyer riesig: "Drei Jahre hören sich nach viel Zeit an. Es ist machbar, aber auch extrem sportlich. Wir haben Respekt vor der Aufgabe. Die größte Herausforderung ist die Entwicklungsgeschwindigkeit. Nicht nur jetzt im Anflug, sondern auch während der Saison. In Le Mans war es so, dass man einen Antrieb entwickelt hat, der dann das ganze Jahr mit dem Höhepunkt Le Mans eingesetzt wurde. In der Formel 1 hat man 23 Rennen, für die man stetig im Rahmen des Reglements weiterentwickeln und optimieren muss. Da ist die Schlagzahl eine ganz andere."

Adam Baker - Audi
Audi
Als Projektleiter hat Adam Baker die Gesamtverantwortung für die Entwicklung des neuen Formel-1-Motors.

Geheimnis um die Zahlen

Genau genommen befindet sich Audi schon voll im Wettbewerb mit den künftigen Konkurrenten. Im ersten Stint ging es darum, im Diskurs um das Motor-Reglement 2026 die besten Bedingungen für sich selbst auszuhandeln. Das ist laut Projektleiter Adam Baker in den meisten Punkten gelungen.

Audi hätte zwar Aluminium statt Stahl als Kolbenmaterial bevorzugt, weil man bei Stahl ein Erfahrungsdefizit gegenüber Ferrari, Honda, Mercedes und Renault hat, doch bei den Themen Ladedruck (4,8 bar statt unbegrenzt), Kompression (16,0:1 statt 18,0:1) und dem Budgetdeckel-Bonus für Neulinge setzt man eigene Vorstellungen durch.

Der Kostendeckel erweist sich schon heute als eine heikle Größe. Deshalb will Audi die genaue Zahl der Mitarbeiter, die Ende 2023 erreicht sein soll, und den Grad der Eigenproduktion nichts sagen. Weil es je nach Ausstattung Gutschriften beim Kostendeckel gibt. Die eigenen Zahlen könnten den Gegnern zu viel Aufschluss darüber geben, wie Audi die jeweils 105 Millionen Dollar für 2023 und 2024, die 100 Millionen für 2025 und die 130 Millionen ab 2026 investieren wird.

Die 2026er-Regeln legen dem Verbrenner nur auf den ersten Blick viele Fesseln an. Laut Dreyer kann man immer noch eine Menge falsch machen: "Die Batterie ist mehr oder weniger frei, die MGU bis auf wenige Details auch. Beim Verbrenner hat man im Bereich des Zylinderkopfes die maximale Freiheit gelassen, weil da auch die meiste Performance drinsteckt. Der untere Teil des Motors ist eher konservativ ausgelegt. Die Herausforderung ist trotzdem brutal."

Auch in Bezug auf den Einbau des Motors in das Chassis: "Wir steigen ja gerade mit unserem strategischen Partner Sauber in die technische Kooperation ein und werden uns gemeinsam die Herausforderungen beim Packaging anschauen. Es zeichnet sich ab, dass die Formel 1 auf diesem Gebiet noch einmal deutlich schwieriger ist als das, was wir aus dem Tourenwagensport oder dem LMP1-Sport kennen. Das Chassis-Reglement ist noch in der Ausarbeitung. Ich rechne damit, dass wir frühestens Mitte 2024 mit der Fahrzeugentwicklung anfangen können."

Stefan Dreyer - Audi
Audi
Technik-Chef Stefan Dreyer hofft, dass Audi als Neueinsteiger direkt ab 2026 auf Augenhöhe mit der etablierten Konkurrenz liegt.

Audi-Kompetenz im Hybrid-Bereich

Bei den etablierten Herstellern geht die Angst um, die stärkere Elektrifizierung des Antriebs könnte Audi wegen seiner Erfahrung aus Le Mans, der Formel E und dem Dakar-Projekt Vorteile in die Hand spielen. Dreyer hält das für übertrieben: "Wir haben sicher eine große Erfahrung, wie man elektrifizierte Hochleistungsantriebe für den Rennsport entwickelt. Wir wissen auch, was es bedeutet, auf den Punkt zu entwickeln, reaktiv zu bleiben, Iterationen zu machen. Grundsätzlich haben unsere Gegner einen Vorteil, weil sie seit Jahren mit der Grundarchitektur des V6 im Formel-1-Geschäft sind."

Deshalb war es auch wichtig, Ingenieure der Konkurrenz abzuwerben, wie Baker betont: "Man braucht in so einem Projekt sicher auch Leute, die Erfahrung haben mit der aktuellen Antriebsgeneration in der Formel 1. Einige waren bei Wettbewerbern tätig und sind deshalb nicht sofort verfügbar. Andere haben innerhalb der letzten beiden Jahre die Formel 1 verlassen und sind jetzt motiviert, wieder in diesem Bereich tätig zu werden."

Es gibt aber auch Vorteile für Neuzugänge. Nicht nur, dass Audi bis 2026 mehr Geld für die Entwicklung ausgeben darf. "Wir müssen bis zum Kostendeckel aufbauen. Die anderen müssen reduzieren und eine gute Balance finden. Ab 2026 ist es für alle gleich. Dann hat jeder 130 Millionen zur Verfügung", vergleicht Baker, warnt aber: "Die Zeit, die wir brauchen, um unsere Erfahrungen zu sammeln, lässt sich nur zum Teil durch mehr Geld kompensieren."

Audis Standorte für Motor und Chassis liegen 360 Kilometer entfernt. Während Sauber seit 1993 eine feste Größe im Grand-Prix-Geschäft ist, punktet Audi mit Erfolgen in Rallye, Le Mans, in der DTM und der Formel E. Die Verzahnung mit Sauber hat bereits begonnen. In einem ersten Schritt wurden 25 Prozent gekauft. Weitere Portionen folgen im Jahresrhythmus. Ab 2025 hält Audi dann die Aktienmehrheit bei dem Schweizer Rennstall.

In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einige Impressionen aus der Audi-Motoren-Entwicklung in Neuburg.

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