Neue Details zum F1-Reglement 2026
30 kg Benzin nur für Elektro-Power

Red-Bull-Teamchef Christian Horner warnt, dass die neuen Motoren ab 2026 der Formel 1 die Show stehlen könnten. Doch welche der Kritikpunkte sind berechtigt und welche begründen sich auf fehlerhafte Simulationen? Wir haben bei den Experten nachgefragt und interessante technische Infos bekommen.

F1-Concept 2026 - Mark Antar Design
Foto: Mark Antar Design

Die neue Motorenformel für 2026 ist noch zweieinhalb Jahre entfernt und doch so nah. Die Reglements sind noch nicht in Stein gegossen, da entzündet ich schon Kritik an den Autos und der neuen Antriebsformel. Red-Bull-Chef Christian Horner warnt vor einem weiteren Gewichtsanstieg und einem zu hohen Elektroanteil an der Power. Das hätte Folgen für die Chassis-Entwicklung und für die Show.

Der Antrieb 2026 sieht nicht nur Verbrenner mit klimaneutralem Kraftstoff vor, sondern auch eine deutliche Erhöhung des Elektroanteils. Heute steuert die MGU-K 120 Kilowatt (163 PS) zur Gesamtleistung bei. 2026 sollen es 350 Kilowatt (475 PS) sein. Und das hat Folgen. Das Gewicht der Antriebseinheiten wird nach jetzigem Stand etwa um 40 Kilogramm auf 190 Kilogramm steigen. Und die elektrische Energie muss erst einmal zuverlässig rekuperiert werden.

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Chassis bezahlt für Sünden des Antriebs

Horner zeichnete kürzlich ein Schreckensszenario. Nicht nur wegen des Gewichtanstieges, der langsam in Sportwagen-Dimensionen steigt. "So positiv wie die Einführung nachhaltiger Kraftstoffe ist, sollten wir uns überlegen, bevor es zu spät ist, welches Verhältnis von elektrischer Power und Leistung aus dem Verbrennungsmotor wir anstreben. Wir dürfen keine technischen Frankenstein-Autos entstehen lassen, bei denen das Chassis für die Sünden des Antriebs büßen muss."

Horner meint damit die angestrebte aktive Aerodynamik, die durch Verringerung des Luftwiderstands auf den Geraden helfen soll, genug Energie zu rekuperieren. "Es wird damit weder genug Windschatten noch genug DRS-Effekt geben um zu überholen", fürchtet Horner.

Deshalb schlug er vor: "Der Verbrennungsmotor sollte kein Generator zum Laden der Batterie werden. Wir können es uns nicht leisten, dass die Fahrer auf den Geraden herunterschalten müssen, um die Batterien zu laden. Das könnten wir dadurch verhindern, indem wir das Verhältnis von Elektro-Power zu Verbrenner-Leistung korrigieren. Es muss nicht viel sein. Fünf bis zehn Prozent in die Verbrenner-Richtung helfen da schon. Das würde eine bessere Plattform für die Chassis-Regeln schaffen."

Cadillac - F1-Concept 2026 - Mark Antar Design
Mark Antar Design
Bei den neuen F1-Autos der Generation 2026 spielt ein geringer Luftwiderstand eine größere Rolle.

Bedenken gegen aktive Aerodynamik

Nach Horners Brandrede in Österreich wurden die anderen Hersteller sofort hellhörig. Bei Ferrari und Mercedes unterstellt man, dass Red Bulls Warnungen vor allem eines bezwecken sollen: Möglichst gute Rahmenbedingungen für Red Bulls eigenes Motorenprojekt zu schaffen.

Ein Konkurrent vermutet sogar, dass Red Bull am liebsten das neue Motorenreglement hinauszögern will, bis ein guter technischer Plan gereift ist, um die Problematik mit dem Gewicht und der Energiegewinnung ohne Nachteile zu lösen. "Red Bull hätte am liebsten, dass wir mit dem bestehenden Reglement so lange wie möglich weiterfahren. Das würde ich bei dem technischen Vorsprung, den Red Bull hat, auch tun."

Horners Bedenken gegen die aktive Aerodynamik kann man nachvollziehen. Sie klaut Red Bull eine ihrer Trumpfkarte. Kein Auto ist aerodynamisch so effizient wie der RB19, keines hat einen so guten DRS-Effekt. Wenn alle die Flügel auf jeder Geraden flach stellen dürfen und das Auto zur Straße hin abgesenkt werden darf, verschwindet Red Bulls Vorteil. Außerdem verringert Red Bull bei einem reduzierten Elektroanteil einen vermeintlichen Nachteil eines Neulings auf dem Motorenmarkt. In diesem Bereich haben die arrivierten Hersteller einen Erfahrungsvorsprung.

Honda - F1-Motor
Honda
Der Elektro-Anteil wächst bei den neuen Motoren. Wie viel schwerer werden die Batterien?

Bei Teillast Benzin verbrennen

Formel-1-Technikchef Pat Symonds hält Horners Bedenken für übertrieben. Sie begründen sich demnach auf Simulationen, die neun Monate alt sind: "Wir sind heute schon viel weiter und werden nächstes Jahr wieder um ein Stück weiter sein." Laut Symonds fallen nach den letzten Testläufen die Rundenzeiten ähnlich aus wie jetzt, und auch an der Fahrcharakteristik ändert sich wenig.

Tatsache ist, dass man zur Rekuperation der Leistung bei Teillast Benzin verbrennen muss, um auf die angestrebten 350 Kilowatt zu kommen. Diese Grube haben sich die Hersteller selbst gegraben. Aus Angst vor Audi lehnten alle eine zusätzliche Energierückgewinnung an der Vorderachse ab.

Sie führten dabei das Gewichtsargument ins Feld. Symonds hält das für einen Vorwand: "Unseren Berechnungen nach hätte man es mit 18 Kilogramm extra für zwei 130 Kilowatt-Generatoren (176 PS) samt Halbwellen, einem Differential und der Verkabelung hingekriegt. Die restlichen 130 Kilowatt hätten wir hinten abgezapft. Mit dieser Lösung hätten wir den Tankinhalt von 110 auf 70 Kilogramm reduzieren und praktisch völlig auf Spritverbrennung zur Energiegewinnung verzichten können."

Mario Illien & Pat Symonds - Formel 1 - 2022
xpb
Motorenguru Mario Illien (l.) mit F1-Technikchef Pat Symonds. Änderungen am Antriebsreglement 2026 wird es wohl nicht mehr geben.

Verbrenner-Leistung sinkt um fast 200 PS

Das Veto der Hersteller führt dazu, dass der Tankinhalt wieder auf ein Volumen von 100 Kilogramm angehoben wird. 30 Kilogramm davon werden allein dafür aufgewendet, elektrische Power zu generieren. Der Verbrenner wird dann nicht mehr wie heute 560 Kilowatt (760 PS) leisten, sondern zwischen 400 und 420 kW (545 bis 570 PS).

Die Systemleistung bleibt aber durch den Anstieg der elektrischen Leistung nahezu gleich. In Zukunft bestimmt nicht mehr die Kraftstoffmenge den maximalen Output, sondern die bereitgestellte Energie. Die Grenze sind 3.000 Megajoule statt 100 Kilogramm Sprit pro Stunde.

Ein schwer zu lösendes Problem bleibt das Gewicht. Die größeren Batterien und stärkeren E-Motoren sowie der Wegfall der MGU-H sind in den 190 Kilogramm Gesamtgewicht bereits eingepreist, doch Symonds hofft, dass sich da noch etwas nach unten bewegt. Mercedes-Motorenchef Hywell Thomas meinte sogar, dass mehr Technologiefreiheit es erlaube, bei den 2026er Batterien auf eine ähnliche Größe und Gewicht zu kommen wie jetzt.

Auch hier wird das restliche Auto kompensieren müssen, was der Antrieb draufpackt. Wie viel ist noch offen. Im Moment scheinen sich alle einig zu sein, den Radstand der Autos um 30 Zentimeter zu verkürzen. "30 Zentimeter Material ist schwerer als 30 Zentimeter Luft", hält Symonds den Zweiflern entgegen. Auch beim Getriebe will die FIA sparen. Es soll dann nur noch sechs statt acht Gänge haben.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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