Longrun-Pace stark verbessert
Wo steht Ferrari im Verfolgerfeld?

Ferrari hat die größten Schwächen der Vorsaison ausgemerzt. Beim Test in Bahrain lobten die Piloten das konstante Fahrverhalten und Fortschritte beim Reifenverschleiß. Das heißt aber noch nicht, dass 2024 auch die Ergebnisse besser werden.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - Test - Bahrain - 22. Februar 2024
Foto: Motorsport Images

In der vergangenen Saison war Ferrari das einzige Team, das Red Bull in einem Rennen schlagen konnte. Auch im Qualifying gelang es immer wieder, Max Verstappen zu ärgern. Das starke Entwicklungsprogramm während der Saison war der Beweis, dass die Scuderia die aktuelle Groundeffect-Generation verstanden hatte. Entsprechend groß waren die Hoffnungen der Tifosi, dass der Aufwärtstrend mit dem 2024er-Modell anhält.

In Bahrain bekamen die Piloten erstmals die Gelegenheit, den SF-24 auf Herz und Nieren zu testen. Vor zwölf Monaten hatte Leclerc an gleicher Stelle noch eine böse Überraschung erlebt: "Das war letztes Jahr wahrscheinlich der schlimmste Test meiner gesamten Karriere. Ich bin in eine Kurve mit Übersteuern eingebogen und in der nächsten Kurve hatte ich plötzlich Untersteuern. Da bin ich nach dem ersten Testtag aus dem Auto ausgestiegen und habe gedacht: Das wird eine lange und harte Saison."

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Charles Leclerc - F1-Test - Bahrain - 2024
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Laut Charles Leclerc ist die Ausgangslage deutlich besser als vor 12 Monaten.

Fortschritt von der ersten Runde

Dieses Jahr liefen die Probefahrten deutlich besser. Obwohl am aktuellen Modell praktisch jedes Bauteil neu ist, konnte Ferrari das Testprogramm wie geplant durchziehen. Größere Probleme traten nicht auf. "Es gab keine bösen Überraschungen. Alles, was wir von den Simulationen erwartet hatten, konnten wir auch auf der echten Strecke sehen. Alles hat Sinn ergeben. Die Basis ist auf jeden Fall stärker als im Vorjahr", lobte Leclerc die Arbeit der Ingenieure.

Obwohl es in der abgelaufenen Saison fast zum zweiten Platz in der Teamwertung gereicht hätte, erinnert sich der Monegasse nur ungern an den launischen Vorgänger zurück: "Das Auto war letztes Jahr extrem schwer zu fahren. Sobald sich die Windrichtung geändert hat, passte plötzlich die Balance nicht mehr." Dazu hatten die Fahrer in den Rennen regelmäßig mit erhöhtem Reifenverschleiß zu kämpfen.

"Dieses Jahr ist es viel besser. Schon die ersten Runden im Simulator und auf der Strecke haben sich deutlich angenehmer angefühlt. Die Anfälligkeit für Wind wurde reduziert. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns auch beim Reifenmanagement verbessern konnten. Aber ein konstantes Auto bedeutet leider nicht automatisch, dass es auch konkurrenzfähiger ist", gibt Leclerc zu Bedenken.

Carlos Sainz - Bahrain-Test 2024
Motorsport Images

Carlos Sainz bewies mit seiner starken Rennsimulation, dass Ferrari beim Reifenverschleiß Fortschritte gemacht hat.

Starke Rennsimulation von Sainz

Das Vertrauen der Fahrer in ihr Sportgerät ist wieder hergestellt. Teamkollege Carlos Sainz konnte am zweiten Testtag eine Rennsimulation mit beeindruckender Konstanz absolvieren. Ein Abbau der Reifen war praktisch nicht zu erkennen. "Wenn man alleine fährt, kann man das Tempo so anpassen, dass der Verschleiß praktisch gegen null geht. Wenn man im Rennen aber richtig gefordert wird und schneller fahren muss, kann das schnell ganz anders aussehen", warnt Leclerc.

Bei Mercedes glaubt man, dass Ferrari zumindest auf einer schnellen Runde die Nummer zwei im Feld ist. Auf den Longruns sieht sich das Silberpfeil-Team trotz der Ferrari-Fortschritte leicht im Vorteil. Weil Mercedes aber nie eine komplette Renndistanz absolviert hat, lässt sich diese Einschätzung von außen nur schwer mit Zahlen nachvollziehen.

Beim Blick auf das Verfolgerduell darf man auch den Aston Martin von Fernando Alonso nicht vergessen, der seine wahre Stärke beim Test zu verschleiern versuchte. Auch Leclerc brannte am letzten Tag noch einige schnelle Longruns in den Asphalt, die sich nicht hinter Red Bull verstecken mussten. Trotzdem sind sich alle Experten einig, dass Max Verstappen als klarer Favorit in die Saison startet. Vielleicht kann Ferrari aber wenigstens den zweiten Red Bull von Sergio Perez herausfordern.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - Test - Bahrain - 22. Februar 2024
ams

Die neue Hinterrad-Aufhängung scheint den erhofften Fortschritt zu bringen. Dazu haben die Ingenieure auch noch den DRS-Effekt verbessert.

Longrun-Pace vs. Quali-Stärke

"Red Bull bleibt der Maßstab. Die sehen extrem stark aus", beobachtete Leclerc. "Es war wirklich mutig von ihnen, das Konzept so stark zu verändern." Eine halbe Sekunde Vorsprung vor Rot und Silber soll Verstappen beim ersten Rennen des Jahres haben, so die meistgenannte Schätzung im Fahrerlager.

Die Frage lautet, ob Ferrari im Gegenzug für die bessere Pace im Rennen etwas von seiner Qualifying-Stärke aufgeben musste. Immerhin sieben Mal stand in der Vorsaison ein roter Renner auf der Pole-Position, auch wenn man sich dafür – mit Ausnahme von Singapur – nichts kaufen konnte.

Dass Ferrari auch in Bahrain zwei Tagesbestzeiten setzen konnte, ist für die Tifosi also längst kein Grund zu feiern. Teamchef Frederic Vasseur lässt sich nicht blenden. "Wir wissen leider nicht, wie viel Sprit bei den anderen im Tank war. Ein paar Kilo mehr oder weniger können einen großen Unterschied machen. Wenn Verstappen mit 20 Kilo gefahren ist, dann sehen wir gut aus. Wenn er 80 Kilo an Bord hatte, dann haben wir ein Problem. Erst in einer Woche werden wir mehr wissen."

Charles Leclerc - Ferrari - F1-Test - Bahrain - 21. Februar 2024
ams

Bei Ferrari weiß man schon, in welche Richtung man den SF-24 weiterentwickeln muss.

Hohes Entwicklungspotenzial

Sollte Ferrari im ersten Rennen nicht direkt um die obersten Positionen auf dem Treppchen kämpfen, ist aber längst noch nichts verloren. Die Vorsaison hat gezeigt, dass die Ingenieure in Maranello mit Upgrades nachlegen können. Dabei war die Ausgangslage vor zwölf Monaten laut Leclerc noch ungleich schwerer: "Letztes Jahr war das Auto zu Beginn so inkonstant, dass es schwierig war zu erkennen, wo die größten Schwächen liegen und wo wir ansetzen müssen."

Mit der gesunden Basis des SF-24 ist die Hoffnung groß, dass die Formkurve über die nächsten 24 Rennen noch steiler verläuft: "Wir wissen jetzt schon früh in der Saison, in welche Richtung wir arbeiten müssen. Das sollte uns bei den Upgrades helfen. Es lässt sich aber schwer sagen, ob wir dadurch in der Lage sind, größere Entwicklungsschritte zu machen. Wir haben auf jeden Fall noch viel Arbeit vor uns", spornt Leclerc seine Techniker an.

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