FIA erklärt Bouncing-TD zum Test
Daten sammeln ohne Konsequenzen

GP Kanada 2022

Die FIA macht eine Kehrtwende bei ihrer Anti-Bouncing-Kampagne. Der Weltverband wird in Montreal nur Daten darüber sammeln, wie stark die Autos aufsetzen. Es soll aber keine Konsequenzen geben, wenn sich ein Auto zu stark auf und ab bewegt.

Lewis Hamilton - GP Kanada 2022
Foto: xpb

Die Technische Direktive TD039 findet bei den Fahrern viel Zustimmung, ist aber bei den Teams nicht sonderlich populär. Die einen schimpfen, dass es die falschen Maßnahmen sind, andere fühlen sich benachteiligt und wieder andere ärgern sich, dass die Problemkinder auch noch Unterstützung bekommen.

Viele regen sich darüber auf, dass die FIA mitten in der Saison die Regeln ändert. Ferrari und Red Bull monieren die Einführung eines zweiten Stabilisierungskabels für den Unterboden. Das helfe den Teams, die einen zu weichen Unterboden haben. Der Weltverband kontert, dass er solche Maßnahmen aus Gründen der Sicherheit jederzeit einführen darf.

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Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist sauer, dass sein Team nun als jenes hingestellt wird, die Kampagne losgetreten zu haben. "Es geht hier nicht um die Interessen einzelner Teams. Es geht um die Gesundheit der Fahrer. In Baku hat die Hälfte des Feldes geklagt, dass die Schläge im Auto nicht akzeptabel sind. Sogar Perez und Sainz. Deshalb muss etwas getan werden."

Red Bull-Sportdirektor Helmut Marko entgegnet seinem Landsmann: "Es gibt keinen Handlungsbedarf. Wer ein Problem hat, soll sein Auto höhersetzen."

Toto Wolff - GP Aserbaidschan 2022
Wilhelm
Toto Wolff fordere die Teams zu Solidarität mit den Fahrern auf.

Verwirrung im Fahrerlager

Die FIA brauchte nur vier Tage um zu handeln. Viele kritisieren die TD039 allerdings als Schnellschuss, der nur für Verwirrung sorgt, nicht das gewünschte Ziel erreicht und möglicherweise die Hackordnung durcheinanderwirft.

George Russell bezeichnete das Maßnahmenpaket als "Heilpflaster, aber keine nachhaltige Lösung für das Problem." Die kann in der Kürze der Zeit auch nicht getroffen werden. Dazu bräuchte es einen Eingriff in die Fahrwerke. Zum Beispiel die Rückkehr der Massedämpfer oder der aktiven Aufhängung.

Vor dem ersten Training herrschte von Haas bis Mercedes Verwirrung. Keiner wusste so genau, welche direkten Auswirkungen die TD haben würde. Allgemeiner Tenor: Die FIA wird sich am ersten Trainingstag die vertikalen Kräfte in den einzelnen Autos anschauen und nach den Trainingssitzungen die Bodenplatten überprüfen, um zu schauen wie akut das Problem in Montreal ist.

Und dann? "Wir haben keine Ahnung wie es weitergeht", gaben die Sportdirektoren von Aston Martin und Alfa Romeo zu. Sie sollten es aber.

Sergio Perez - GP Kanada 2022
Red Bull
Auf die Schnelle kann die FIA in Montreal keine Grenzwerte aufstellen, an die sich die Teams halten müssen.

Grenzwert unmöglich festzulegen

Mitten in die Ungewissheit sickerte die Nachricht durch, dass die FIA noch am Freitag (17.6.) eine Klarstellung zu der TD an die Teams verschicken würde. Demzufolge sollen in Montreal nur Daten gesammelt und Erkenntnisse gewonnen werden, wie stark jedes der zehn Autos auf- und abschwingt und welche vertikale Beschleunigung beim Aufsetzen auf die Straße ermittelt werden.

Man will zwar im dritten Training den angekündigten Dreirunden-Test durchziehen, um den Ernstfall zu proben. Es soll aber keine Konsequenzen geben. Keiner muss sein Setup nachbessern oder mit der Bodenfreiheit rauf, wenn seine Autos zu stark durchschlagen.

Das Problem liegt darin, dass es in der Kürze der Zeit fast unmöglich ist einen Grenzwert festzulegen. "Wer traut sich zu sagen, dass 7g oder 8g die Grenze sind? Es gibt keinerlei Expertisen darüber, was noch vertretbar ist und was nicht", kritisiert einer.

Jedes Auto oszilliert anders, die Schläge werden in jedem Auto anders weitergeben. Während Lewis Hamilton in Baku schmerzverkrümmt aus seinem Auto stieg, spürte Sebastian Vettel keine direkten Auswirkungen. "Mir hat nichts wehgetan." Was zum Beispiel auch mit der Sitzposition zu tun haben kann.

Die FIA kam zu der Erkenntnis, dass es unfair wäre, ohne eine genaue Analyse eine Obergrenze für die Belastungen festzulegen oder kurzfristig die Regeln über das Abnutzen der Bodenplatte zu ändern. Deshalb will man erst Montreal auswerten, bevor man die TD umsetzt. Es soll nun in Silverstone ernst werden, auf einer Strecke auf der die Teams ohnehin wenig Probleme erwarten.