Mercedes-Problem mit schnellen Kurven
Neue Experimente in Melbourne

Der Mercedes W15 fällt gegenüber der Konkurrenz in schnellen Kurven ab. Für das kommende Rennen in Australien will das Team etwas Neues ausprobieren. Superstar Lewis Hamilton fordert Lösungen.

Platz sechs und Platz neun. Auf diesen Positionen überquerten George Russell und Lewis Hamilton am Samstag (9.3.) in Jeddah die Ziellinie. Das ist zu wenig für die Ansprüche der ehemaligen Serien-Weltmeister von Mercedes. Team und Piloten hatten vor der Saison große Hoffnungen in den neuen W15 gelegt. Mercedes ließ für 2024 kein Stein auf dem anderen und vollzog einen Konzeptwechsel. Die ersten Eindrücke weckten die Hoffnung auf neue Erfolge. Das Auto sei stabiler und gutmütiger zu fahren, hieß es nach den ersten Kilometern in Bahrain.

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Nach bisher zwei gefahrenen Rennen scheint diese Hoffnung bereits wieder verflogen. Russell und Hamilton klagten über die gleichen Probleme wie in den vergangenen beiden Jahren. Seitdem 2022 die Ground-Effect-Autos in die Formel 1 zurückgekehrt sind, bemängeln die beiden Engländer ein instabiles Heck ihres Autos. Auf dem schnellen Stadtkurs in Jeddah büßte Mercedes vor allem in schnellen Kurven zu viel Zeit auf die Konkurrenz ein.

Teamchef Toto Wolff sprach die Schwäche des Rennwagens schonungslos an: "Wir sind überall gut, bis auf die schnellen Kurven. In drei Kurven geht uns eine halbe Sekunde verloren. Wir haben alles versucht, das abzustellen, aber es hat nichts genutzt. Wir drehen uns immer noch im Kreis."

George Russell - Mercedes - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
xpb

Mercedes verlor in den schnellen Kurven in Jeddah eine halbe Sekunde auf die Konkurrenz.

Andrew Shovlin erklärt die Probleme

Nach dem Blick auf die genauen Daten erklärte Chefingenieur Andrew Shovlin nun auf dem hauseigenen YouTube-Kanal, was in Saudi-Arabien schiefgelaufen ist. Der Brite rechnete vor: "Im ersten Sektor in Jeddah verloren wir in etwa drei oder vier Zehntel."

Immerhin beim Top-Speed konnte Mercedes zulegen. Bewusst entschied man sich dafür, diesen nicht für mehr Abtrieb zu opfern. "Wir waren eines der schnellsten Autos, wenn nicht sogar das schnellste auf der Geraden. Die Flügel waren relativ klein. Idealerweise würden wir das gerne beibehalten und einen anderen Weg finden, den ersten Sektor zu verbessern, als einfach mehr Abtrieb draufzupacken und dann auf den Geraden den Preis dafür zu zahlen."

Der Silberpfeil war in Saudi-Arabien schwer zu fahren, gab Shovlin zu. "Die Balance war nicht gut. In den sehr schnellen Kurven sind die Mauern nicht besonders weit weg. In den Kurven, in denen der Fahrer viel Vertrauen haben will, hat das Auto oft übersteuert, wenn es die Reifen stark beansprucht hat." Das ist Gift für das Selbstvertrauen der Piloten.

Mercedes litt in der Qualifikation in Saudi-Arabien auch unter einem alten Problem. "Im Qualifying hatten wir dazu noch ein wenig mit Bouncing zu kämpfen", sagte Shovlin. "Im Rennen war das weniger ein Problem. Es ist mehr Benzin im Auto. Man fährt ein bisschen langsamer. Das schien sich zu beruhigen."

Für den kommenden Grand Prix von Australien (24.3.) weiß Shovlin, dass das Layout den Silberpfeilen wieder nicht entgegenkommen kommt. "Wir haben das Problem, dass wir nicht genug Grip haben. Das ist eines der Dinge, an denen wir diese Woche hart arbeiten, denn die Kurven in Melbourne sind ähnlich wie in Jeddah. Wir arbeiten intensiv daran, zu verstehen, warum wir nicht den Grip unserer Konkurrenten haben."

Andrew Shovlin - Mercedes - F1 - 2022
Wilhelm

Chefingenieur Andrew Shovlin und sein Team versuchen mehr Grip beim Mercedes W15 zu finden.

Setup-Arbeit fruchtet nicht

In Jeddah experimentierten die Ingenieure viel mit dem Setup. Russell und Hamilton versuchten dank verschiedener Abstimmungen den W15 für den Grand Prix besser in den Griff zu bekommen. "Wir sind eigentlich ziemlich ähnlich gestartet. Die Fahrer haben uns dann nach dem ersten Training ihr Feedback gegeben. Und zu diesem Zeitpunkt gingen sie dann in unterschiedliche Richtungen." Sowohl Russell und Hamilton hatten sich vor allem über das Bouncing beklagt. "Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, das zu verbessern."

Shovlin zeichnete auf, welche Maßnahmen gegen das Phänomen infrage kommen. "Man kann mit der Fahrzeughöhe spielen, man kann mit der Steifigkeit spielen. Wir haben einfach versucht, die Balance in allen Geschwindigkeitsbereichen zu optimieren."

Nach den Umbaumaßnahmen verschlechterte sich jedoch das Verhalten des Autos. "Danach begannen wir uns wieder in die Richtung zu bewegen, aus der wir gekommen waren." Aus den Versuchen zog Shovlin positive Rückschlüsse. "Die Erkenntnis daraus ist, dass man die Unterschiede sehen kann, wenn man etwas ändert. Wenn man also an einem Auto Änderungen vornimmt, kann man sehen, wie es im Vergleich zu anderen Fahrzeugen abschneidet."

Doch obwohl Lewis Hamilton und George Russell in Jeddah unterschiedliche Setups verwendeten, blieben die Probleme an ihren Autos ähnlich. "Die Einschränkungen, die wir im Qualifying und im Rennen hatten, waren bei beiden im Großen und Ganzen die gleichen. Es geht also nicht um einen kleinen Unterschied, nicht um ein winziges bisschen Sturz hier oder eine andere Federeinstellung da." Shovlin schloss die Setup-Thematik mit einer Aussage ab, die Mercedes-Fans beunruhigen dürfte. "Es ist etwas Grundlegenderes, das wir erforschen und verstehen müssen."

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Saudi-Arabien - Jeddah - 7. März 2024
Motorsport Images

Für Melbourne kündigte Mercedes Experimente an. Die schnellen Kurven in Australien ähneln denen von Saudi-Arabien.

Lösungen für Melbourne

Mercedes steht vor einem Berg voller Probleme. Das Team zieht für das kommende Rennen in Australien nun die Daten aus den Testfahrten und dem ersten Grand Prix hinzu, um die Probleme zu lösen. "Wir werden daraus einen Plan entwickeln, wie wir das freie Training in Melbourne angehen. Es basiert nicht nur auf dem, was wir in Jeddah gemacht haben", erklärte der langjährige Mercedes-Mitarbeiter.

Shovlin versprach, neue Wege einzuschlagen, um Fortschritte zu erzielen. "In der Aerodynamikabteilung und der Abteilung für Fahrdynamik wird viel gearbeitet. Wir versuchen dort, einige Experimente zu entwickeln, die uns hoffentlich eine Richtung geben, die unsere Performance verbessert."

Diese neuen Ansätze hatte vor allem Rekordsieger Lewis Hamilton am Anschluss an den Großen Preis von Saudi-Arabien gefordert. "Wir sind sehr gut in langsamen Kurven und ordentlich in mittelschnellen. Aber in den schnellen Kurven fahren wir im Vergleich zu unseren Gegnern in einer anderen Kategorie. Es ist jetzt das dritte Jahr in Folge, dass wir an diesem Problem zu kauen haben. Das frustriert. Wir brauchen jetzt große Veränderungen."

Platz vier bei den Konstrukteuren entspricht auf Dauer sicher nicht dem Anspruch von Mercedes. Zum letzten Mal lag das Werksteam nach dem GP Monaco 2013 außerhalb der ersten drei. Der Druck auf die Ingenieure wächst mit jeder schwachen Performance weiter.

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