Team-Frieden bei Ferrari bröckelt
Verstappen flüchtet im Spielberg-Sprint

GP Österreich 2022

Red Bull und Ferrari fuhren im Sprintrennen in Österreich in ihrer eigenen Liga. Max Verstappen sicherte sich mit dem Mini-Sieg acht weitere WM-Punkte. Die Ferrari-Piloten kosteten sich gegenseitig zu viel Zeit. Charles Leclerc deutete nur zwischen den Zeilen leise Kritik an der Teamführung an.

Charles Leclerc - Ferrari - Sprint - GP Österreich 2022 - Spielberg
Foto: Motorsport Images

Diese beiden Teams begegnen sich auf Augenhöhe. Red Bull und Ferrari trennen auf der Rennstrecke Nuancen. In der Qualifikation zum Sprintrennen in Spielberg war es keine Zehntelsekunde, die zwischen Max Verstappen, Charles Leclerc und Carlos Sainz lag. Nach 23 Runden am Samstagabend kreuzte der Red Bull mit der Startnummer 1 um 1,6 Sekunden vor dem ersten Ferrari den Zielstrich.

Verstappens Taktik, früh im Rennen zu flüchten, und danach das Geschehen zu kontrollieren, war voll aufgegangen. Ferrari dagegen stand sich wieder einmal selbst im Weg. Interne Streitigkeiten kosteten zu viel Boden. Leclerc und Sainz lagen in den Runden sechs und sieben im Zwist. Der Spanier griff in Kurve drei nach dem Teamkollegen. Und einen Umlauf später in der vierten Kurve. Da setze sich Sainz sogar neben Leclerc, der ihn auf der Außenspur ausbremste. Danach flüchtete der Monegasse. Er machte sich an die Verfolgung Verstappens, verkürzte jedoch nur noch von 2,8 auf 1,6 Sekunden.

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Teamkollege Sainz schüttelte Leclerc bis ins Ziel um fast vier Sekunden ab. "Die Reifen hatten zu sehr gelitten, und ich musste die Batterie erst mal wieder aufladen", führte Sainz zur seiner Entschuldigung an. Leclerc hatte sich die Reifen einfach besser eingeteilt, und anfangs bewusst Speed rausgenommen, was den Spanier überhaupt erst in Angriffsposition gebracht hatte.

Verstappen - Leclerc - Sprint - GP Österreich 2022 - Spielberg
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Leclerc gratuliert Verstappen, der mit dem Sprint-Sieg einen Zähler mehr einsammelte für die WM.

Leclerc-Kritik zwischen Zeilen

Leclerc wirkte nach dem Sprint angefressen. Er wusste, dass ihm der Kampf mit dem Teamkollegen um eine mögliche Chance auf den Sprintsieg gebracht hatte. Aber er biss sich auf die Zähne, die Ferrari-Teamführung dafür zu kritisieren, ihre Piloten mit offenem Visier gegeneinander fahren zu lassen. Zwischen den Zeilen deutete der WM-Dritte seinen Ärger an. "Morgen wird das Reifenmanagement noch wichtiger. Da werden wir uns nicht leisten können, was wir heute getrieben haben." Spitz interpretiert: Wenn wir morgen gewinnen wollen, muss mich Carlos in Ruhe lassen.

Bei Red Bull freute man sich darüber, dass Ferrari mehr mit sich selbst beschäftigt war. Und dass Ferrari nun seit mehreren Rennen Geschenke verteilt. "Sie handicapen ihre Speerspitze seit fünf Rennen. Entweder durch die Technik oder die Taktik", spottet Red-Bull-Sportchef Helmut Marko. Seit Miami wartet Leclerc auf ein reibungsloses Wochenende. Seither stand er in keinem der Hauptrennen auf dem Podest.

In Spanien und Aserbaidschan zwang ihn die Technik zur Aufgabe. In Monaco und England missglückte Ferrari die Strategie, was Leclerc um zwei mögliche Siege brachte. In Kanada kostete ihn eine Motorenstrafe ein besseres Ergebnis als einen fünften Platz. In Spielberg muss er sich mit dem Teamkollegen herumschlagen, der nach der ersten Karriere-Pole und dem ersten Erfolg in Silverstone vor einer Woche an Selbstvertrauen gewonnen hat.

Wolff sieht Ferrari-Zwickmühle

Mercedes-Teamchef Toto Wolff dankte Ferrari für die gute Show. "Ihr Zweikampf bot den einzige Unterhaltungswert im Sprintrennen." Da hatte er wohl bewusst oder unbewusst verdrängt, dass sich sein Schützling Lewis Hamilton einen spannenden Dreikampf mit den Haas-Fahrern geliefert hatte. Wolff zeigt Verständnis für Ferraris Teamführung, die in der Zwickmühle steckt. "Wenn sie ihre Fahrer wie heute gegeneinander fahren lässt, hagelt es Kritik, weil sich die Fahrer gegenseitig Zeit kosten. Wenn sie eine Stallregie aussprechen, müssen sie noch mehr Kritik einstecken. In so einem Fall steckst du einfach in der Klemme."

So oder so: Ferrari muss sich besser früher als später entscheiden, einem Fahrer die volle Unterstützung zuzusagen. Und das kann eigentlich nur Leclerc sein, der im Teamduell die Oberhand hat. Er ist schneller, wird aber vom Pech verfolgt. Nur deshalb näherte sich Sainz in der Weltmeisterschaft bis auf elf Punkte. "Ich bin nicht derjenige, der über die Verhaltensregeln bei uns entscheidet. Das macht Mattia", wehrt Leclerc öffentliche Fragen ab.

Gegen Red Bull und Verstappen wird die Scuderia nur etwas ausrichten können, wenn das Teamplay in Zukunft reibungsloser funktioniert. Sonst ist dem Weltmeister nur schwer beizukommen. Verstappen musste im Sprint nur die erste Runde überstehen. Er verteidigte sich erst gegen Leclerc und in Kurve drei gegen Sainz. Das öffnete dann wiederum Leclerc die Tür zum Konter gegen den Teamkollegen.

Max Verstappen - Red Bull - Sprint - GP Österreich 2022 - Spielberg
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Verstappen teilte sich die Reifen über die 23 Runden ein.

Wer hat wo Vorteile?

Verstappen verschwand, während die Ferrari-Piloten kämpften. "Wir haben Max angewiesen, in den ersten Runden richtig Gas zu geben, damit er ausreichend Vorsprung herausfährt, damit Ferrari kein DRS bekommt", erklärte Red-Bull-Teamchef Christian Horner die Taktik. Sein Schützling freute sich. "Ich konnte erfolgreich eine Lücke öffnen, als die Ferrari gegeneinander kämpften. Danach kontrollierte ich das Rennen. Am Ende war unsere Pace ziemlich ähnlich."

Zwischen Red Bull und Ferrari passt in Spielberg kein Blatt Papier. Die roten Autos sind in den Highspeed-Passagen eine Spur schneller – besonders in den Kurven sechs und sieben. Red Bull hält dagegen in den Kurven eins und drei die Oberhand. Auf den Geraden sind die Rivalen gleichauf. Der Ferrari-Motor schiebt aus den Kurven etwas besser an. Der Red Bull RB18 glänzt mit Effizienz und Windschlüpfrigkeit.

Auch bei der Reifenabnutzung scheint Gleichstand zu herrschen. Leclerc holte gegen Ende des Sprints zwar auf, "weil ich derjenige war, der die Reifen anfangs am meisten schonte, und hinten heraus am meisten Gas geben konnte". Auch der Windschatten brachte ihm Verstappen näher. Red-Bull-Teamchef Horner beruhigt die holländischen Fans, und nimmt ihnen die Sorge vor dem dreimal so langen Hauptrennen. "Es geht darum zu gewinnen. Dafür musst du keine 20 Sekunden Vorsprung haben." Verstappen teilte sich die Reifen ein.

Leclerc ist sich dessen bewusst. Ehrliche Einschätzung. "Im Zweikampf mit Carlos habe ich sicher etwas Zeit gegenüber Max verloren. Wir werden nie erfahren, ob ich ihn sonst hätte einholen können. Ich glaube aber nicht wirklich, dass es gereicht hätte, weil Max seine Reifen managte." Der Teamkollege stimmt zu: "Es gab heute nicht viel, was wir hätten aufholen oder verlieren können. Wir sprechen über einen Punkt mehr oder weniger. Außerdem sah es so aus, als hätte Max das Rennen unter Kontrolle gehabt."