Vorschau GP Las Vegas
Reifenchaos wegen Wüsten-Kälte?

Die Formel 1 gastiert erstmals seit 1982 in Las Vegas. Kann jemand Max Verstappen stoppen? Oder braust der Dauersieger wieder davon? Vor dem Grand Prix in der Stadt der Sünde beantworten wir in unserer Vorschau die wichtigsten Fragen zum aufregenden Show-Event in der Wüste Nevadas. Es ist der 1.100 Grand Prix der Formel-1-Geschichte.

Sergio Perez - Red Bull - Showrun - Las Vegas - Formel 1
Foto: Red Bull

Kurz durfte der Wanderzirkus durchatmen. Nach dem Triple-Header in Austin, Mexiko City und São Paulo, steht nun die Rückkehr nach Las Vegas im Terminkalender. Fahrer und Teams konnten das rennfreie Wochenende nutzen, um die letzten Reserven für den Schlussakkord zu mobilisieren – für das 1.110 Rennen der Formel 1. Auf das Rennen in Nevada folgt vom 24. bis 26. November das Saisonfinale in Abu Dhabi.

Max Verstappen feierte zuletzt fünf Rennsiege en suite. Samt den Sprint-Erfolgen in Austin und São Paulo ist der Dominator sieben Mal unbezwungen. Die Brust des Weltmeisters ist vor dem Grand Prix in Las Vegas entsprechend breit. Für den Niederländer geht es in den USA darum, den Rekord an den meisten Siegen pro Saison nach oben zu schrauben. Aktuell hält der Red-Bull-Pilot bei 17 Erfolgen. In Brasilien wehrte der 26-Jährige Lando Norris im McLaren ab. Der Engländer sicherte sich im Sprint-Shootout den besten Startplatz und fuhr sowohl im Sprint als auch im Hauptrennen als Zweiter über die Ziellinie.

Unsere Highlights

McLaren hat sich hinter Red Bull als zweite Kraft etabliert. Lando Norris ist konstant schnell unterwegs. Das Traditionsteam hat weniger Schwankungen in seiner Performance, als die Konkurrenten von Ferrari, Mercedes und Aston Martin. Lewis Hamilton zeigte sich in Austin und Mexico City stark. Die Disqualifikation wegen der zu weit abgeschliffenen Schutzplanken am Unterboden raubte ihm dort Platz zwei. In São Paulo fuhr Mercedes der Musik hinterher. Aus Angst vor der Buckelpiste von Interlagos entschieden sich die Ingenieure für ein konservatives Setup und stellte die Bodenfreiheit des W14 zu hoch ein.

Das Aston-Wunder von São Paulo

Aston Martin stieg in Brasilien wie Phönix aus der Asche auf. In Mexiko dümpelten die AMR23 noch am Ende des Feldes umher. Eine Woche später fuhr Altmeister Fernando Alonso mit seiner ganzen Klasse auf das Podium und jubelte über den ersten Podestplatz seit August 2023 in Zandvoort. Die Frage bleibt, ob Aston Martin in Las Vegas den Sweetspot bei der Abstimmung trifft.

Ferrari erlebte ebenfalls ein Auf und Ab während des Triple-Headers. Charles Leclerc schnappte sich in Austin die Pole, verlor den Podestplatz wegen des gleichen Vergehens wie Lewis Hamilton. In Mexiko okkupierten die Roten die erste Startreihe, Leclerc beendete das Rennen auf Platz drei. Der Monegasse wollte in Brasilien von Rang zwei das Rennen aufnehmen, doch ein Hydraulikdefekt an seinem SF-23 warf ihn bereits in der Formationsrunde in den Reifenstapel. Carlos Sainz wurde lediglich Sechster.

Für das anstehende Rennwochenende sind trockene Bedingungen vorhergesagt. Tagsüber klettert das Thermometer auf mehr als 20 Grad Celsius. Doch die Sessions finden abends und nachts statt. Aufgrund der Wüstenlage sacken die Temperaturen auf weniger als zehn Grad Celsius ab. Die Teams sorgen sich daher, die Reifen ins passende Arbeitsfenster zu bringen.

Die Strecke: Las Vegas Street Circuit

Der für das Formel-1-Comeback gebaute Las Vegas Street Circuit erfordert Motorpower. Der längste Vollgas-Abschnitt misst 1,9 Kilometer und beginnt mit Ausgang Kurve 12. Erst vor Turn 14 steigen die Fahrer wieder auf die Bremse. Mercedes simulierte den Vollgas-Anteil der gesamten Rundenlänge auf 79 Prozent. Lediglich Jeddah, Bahrain und Monza würden diesen Wert toppen. Zwischen Kurve 12 und Kurve 14 befindet sich eine der zwei DRS-Zonen. Die andere Möglichkeit, den Flügel flachzustellen, gibt es zwischen Turn 4 und Turn 5.

Das Architekturbüro Tilke entschied sich für einen Kurs, den die Piloten gegen den Uhrzeigersinn fahren und der sich in 11 Links- und sechs Rechtskurven aufteilt. Die meisten sind langsam und benötigen einen guten mechanischen Grip. Die Strecke ist 6,201 Kilometer lang und ein Teil des Layouts führt über den weltberühmten Strip. Nur Spa-Francorchamps ist mit 7,004 Kilometern im Formel-1-Kalender länger als Las Vegas.

Die Königsklasse kaufte im Vorfeld für 240 Millionen US-Dollar ein 15 Hektar messendes Grundstück in zweiter Reihe hinter dem Strip. Dort finden sich die Boxenanlage und die Start- und Zielgerade wieder. Damit der Grand Prix in der Wüstenstadt genügend Kohle in die Kasse spült, bietet die Formel 1 VIP-Tickets für 25.000 Gäste an. Alle Karten hat der Veranstalter noch nicht abgesetzt. Es gibt noch Tickets für das Wochenende. Für den Renntag kostet die günstigste Karte rund 1.800 Euro. Insgesamt bietet der Las Vegas Street Circuit 100.000 Zuschauern Platz.

Strecke - Las Vegas - Formel 1
Mercedes

Die neue Strecke in Las Vegas hat einige lange Geraden und langsame Ecken. Beim Setup ist ein Kompromiss zwischen Top-Speed und Abtrieb gefragt.

Fast Facts GP Las Vegas:

  • Streckenlänge: 6,201 km
  • Rundenanzahl: 50
  • Renndistanz: 309,961 km
  • Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 79 Prozent
  • Top-Speed: 342 km/h
  • Längste Vollgaspassage: 1,9 km (zwischen Kurve 12 & 14)
  • Geringste Geschwindigkeit: 80 km/h (Kurve 8)
  • Distanz von der Pole Position bis zu T1: 175 Meter
  • DRS-Zonen: T4 – T5, T13 – T114
  • Reifenmischungen: C3, C4 und C5

Das Setup:

Las Vegas erfordert einen Kompromiss beim Setup der Rennautos. Die langen Geraden erfordern flache Flügel und die engen, langsamen Kurven verlangen Abtrieb. In den Turns 1 bis 4, 7, 9, 12 und von 14 bis 16 ist mechanischer Grip gefragt. Die Bremsen werden ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Mercedes geht von drei starken "Braking Events" vor den Kurven 1, 5 und 14 aus. Eine gute Stabilität beim Bremsen wird vonnöten sein. Pirelli erwartet vom Setup ähnliche Fahrzeugabstimmungen wie in Monza oder Baku.

Pirelli schippert die Mischungen C3, C4 und C5 über den Atlantik. Die Italiener entschieden sich in weiser Voraussicht der etwaigen kühlen Bedingungen und des Baby-Popo-glatten Asphalts für die weichsten Garnituren ihres Sortiments. Das soll den Fahrern helfen, leichter Temperatur in die Pneus zu bekommen. Denn die kühlen Temperaturen versetzen die Teams in Alarmbereitschaft. Bis der Reifen im Inneren die geeignete Temperatur hat, gilt es, die Oberfläche nicht zu überhitzen. Sonst entsteht Graining. Tritt das Phänomen auf, müssen die Fahrer langsam fahren. Dadurch sinkt die Temperatur im gesamten Reifen. Ein Teufelskreis. Dazu kommt, dass die Reifen auf den langen Geraden zusätzlich auskühlen.

Für Reifenfresser wie Ferrari und Haas könnten die kühlen Temperaturen ein Ass im Ärmel sein. Die technisch miteinander verwandten SF-23 und VF-23 zünden die Reifen schneller an als die Konkurrenz. Im Qualifying gelingen vor allem Charles Leclerc (Ferrari) und Nico Hülkenberg (Haas) herausragende Ergebnisse. Da hilft auch die Kraft der italienischen Power-Unit im Kreuz der Piloten. In Las Vegas könnten die kühleren Temperaturen und der neue, glatte Asphalt dafür sorgen, dass beide Autos die Reifen besser schonen als auf anderen Strecken.

Pirelli - Reifen - GP Las Vegas 2023 - Las Vegas - Formel 1
Pirelli

Pirelli bringt die Mischungen C3, C4 und C5 nach Las Vegas. Die Reifen ins richtige Temperaturfenster zu bringen, wird die wichtigste Aufgabe des Wochenendes.

Technische Upgrades:

Nur noch zwei Rennen stehen in der Saison 2023 im Programmheft. Ein Upgrade-Festival dürften die Teams in der Mojave-Wüste nicht mehr zünden. Alfa-Sauber-Repräsentant Alessandro Alunni Bravi kündigte im Vorfeld des GP-Wochenendes dennoch kleinere Updates am C43 an. Die Truppe aus Hinwil gibt die Hoffnung noch nicht auf, das fünf Punkte vor ihr rangierende Alpha Tauri auf Platz acht noch abzufangen.

Die restlichen Teams dürften auf ihr letzten Ausbaustufen setzen. Eine interessante Entscheidung traf Haas. Das Tabellenschlusslicht splittet die Autos für Las Vegas (zum Artikel). Nico Hülkenberg fühlt sich in der A-Version des VF-23 wohler. Teamkollege Kevin Magnussen verwendet hingegen das Paket, das Haas in Austin ans Auto schraubte. Teamchef Guenther Steiner bestätigte, dass es sich nicht um einen Vergleichs-Test der verschiedenen Fahrzeuge handelt.

Die Favoriten:

Red Bull reist, wie das ganze Jahr über, als Favorit nach Las Vegas. Der RB19 hat in 20 Rennen eindrucksvoll bewiesen, dass er das beste Auto im Feld ist. In den Händen von Max Verstappen und Sergio Perez gelangen 19 Siege – 17 Erfolge sackte der dreimalige Champion ein. Die herausfordernden Bedingungen in der Mojave-Wüste könnten Red Bull jedoch vor Schwierigkeiten stellen. Das Auto geht schonend mit den Reifen um. Die Problematik könnte sein, ausreichend Temperatur in die Pirellis zu bekommen. McLaren und Ferrari zünden für gewöhnlich die Pneus leichter an. Das hilft vor allem auf einer schnellen Quali-Runde.

McLaren müssen wir auf Basis der letzten Rennen als ersten Red-Bull-Verfolger einschätzen. Die Truppe um Teamchef Andrea Stella hat sich als zweite Kraft etabliert. Die langsamen Kurven, von denen es in Las Vegas einige gibt, schmecken dem MCL60 aber weniger und sind die Achillesferse. Auf langen Geraden leidet McLaren unter dem zu hohen Luftwiderstand. Deshalb steht hinter der Las-Vegas-Performance im Vorfeld ein Fragezeichen.

Ferrari könnte aus den genannten Gründen in die Bresche springen. Der SF-23 ist ohnehin ein starkes Quali-Auto, verfügt über viel Motorpower und hat einen guten Top-Speed. Mercedes erwarten wir maximal dahinter. Das Team erlebt über das Jahr ein Wechselbad der Gefühle. Lewis Hamiltons starkem Rennen in Mexiko folgte der Absturz in Brasilien. Dort gelang Mercedes im Vorjahr noch ein Doppelerfolg. 2023 ging nichts. In Las Vegas dürfte der W14 unter den niedrigen Temperaturen und den langen Geraden leiden. Das Auto geht schonend mit den Reifen um und bringt sie schlechter zum Arbeiten als die Konkurrenz. Dazu mangelt es den schwarzen Rennern an Top-Speed.

Lando Norris - Formel 1 - GP Brasilien 2023
McLaren

McLaren rückte zuletzt näher an Red Bull heran. In Las Vegas will das Team die Weltmeister-Truppe erneut ärgern.

Aston Martin erlebte in São Paulo eine Auferstehung. In Mexiko fuhren die grünen Autos noch im Niemandsland. Eine Woche später geigte Altmeister Fernando Alonso groß auf und schnappte sich den ersten Podestplatz seit August 2023, als der Spanier in Zandvoort auf Platz zwei stürmte. Die letzten Rennen zeigten erneut, wie kompliziert die Groundeffect-Autos sind. Trifft Aston Martin mit dem AMR23 beim Setup ins Schwarze, sollte man Alonso auf der Rechnung haben.

Spannend bleibt es auch dahinter. Alpha Tauri hat einen großen Schritt gemacht. Daniel Ricciardo fuhr in Brasilien Top-Zeiten, hatte nach der Startkollision allerdings keine Chance auf Punkte. Yuki Tsunoda sammelte die Scherben für das Team auf. Williams freut sich auf die langen Geraden in Las Vegas. Geradeaus geht der FW45 hervorragend. Alex Albon ist dann immer ein Punkte-Kandidat. Alpine hingegen leidet unter dem schwachbrüstigen Renault-Antrieb und schaut skeptischer auf die Power-Stücke des Stadtkurses.

Alfa-Sauber und Haas brauchen dringend Punkte, um sich in der WM-Tabelle noch nach vorne zu schieben. Die Perspektiven sind für beide Teams nicht rosig. Haas hofft auf einen Reifenvorteil, während Alfa-Sauber an ihre kleineren Updates glaubt, die das Team an den C43 schraubt.

Zeitplan:

Der Zeitplan des Vegas-Comebacks wartet mit einer Seltenheit auf. Das Rennen findet an einem Samstag statt. Zuletzt gab es das am 19. Oktober 1985 in Kyalami. Seitdem haben 680 Grands Prix an einem Sonntag stattgefunden. Auch damals standen, wie am kommenden Samstag, 20 Autos am Start. Renault und Ligier nahmen nicht teil. Die französische Regierung forderte das, da sie die Apartheid in Südafrika nicht guthieß. Renault als Staatskonzern und Ligier beugten sich.

Das Nachtrennen fordert in Las Vegas den ungewöhnlichen Renntag. Für deutsche Fans bedeutet das, den Wecker zu stellen. Das erste Training beginnt am Freitag um 5.30 Uhr in der Früh. Die Qualifkation startet am Samstag um 9 Uhr. Am Sonntag gehen um 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit die roten Lichter aus.

Formel 1: Zeitplan GP Las Vegas 2023

Tag

Session

Uhrzeit (MEZ)

Freitag, 17.11.2023

1. Training

5.30 - 6.30 Uhr

2. Training

9.00 - 10.00 Uhr

Samstag, 18.11.2023

3. Training

5.30 - 6.30 Uhr

Qualifying

9.00 - 10.00 Uhr

Sonntag, 19.11.2023

Rennen

ab 7.00 Uhr