Daniel Abt äußert sich zum Simracing-Skandal
Scherz-Aktion mit Konsequenzen

Daniel Abt hat sich erstmals dazu geäußert, warum er bei einem virtuellen Rennen der Formel E einen Simracing-Profi für sich ans Steuer ließ, was ihm seinen Job als Audi-Werksfahrer kostete. Laut Abt sei es nie geplant gewesen, die Aktion zu verheimlichen.

Daniel Abt - Simracing - Formel E - 2020
Foto: Audi

Dass Aktionen auf der virtuellen Rennstrecke auch Konsequenzen in der realen Welt haben können, musste nun Formel-E-Pilot Daniel Abt am eigenen Leib erfahren. Bislang war der Audi-Werkspilot bei den virtuellen Rennen der Formel E – genannt "Race at Home Challenge" – nicht sonderlich aufgefallen. Der Kemptener hatte nicht um Spitzenpositionen gekämpft, sondern bestenfalls im Mittelfeld. Doch beim virtuellen Lauf der Elektrorennserie am Flughafen Berlin-Tempelhof zeigte sich ein ganz anderer Daniel Abt. Ein verbesserter, ein schnellerer – ein anderer?

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Zweiter Startplatz, eine gute Leistung im Rennen: Plötzlich mischte der 27-Jährige bei der Vergabe um das Podest mit. Das weckte Zweifel bei den Fahrerkollegen. Zumal der Kemptener im Live-Stream auf "Zoom" nicht persönlich zu sehen war. Ein Gegenstand verdeckte das Gesicht der Person im Rennsitz.

Daniel Abt - Simracing - Formel E - 2020
Audi
Beim fünften Rennen der virtuellen Formel-E-Serie zeigte sich Daniel Abt plötzlich deutlich verbessert.

Abt entschuldigt sich

Die Kollegen rätselten, warum Abt auf einmal so schnell sei. Die Formel E prüfte es nach. Es stellte sich heraus, dass der gemeldete Fahrer gar nicht der echte war. Statt selbst ins Lenkrad zu greifen, ließ Abt einen E-Sport-Profi ran. Statt Daniel Abt mischte Lorenz Hörzing die Gegner im Formel-E-Audi auf.

In einem Statement auf seiner YouTube-Plattform erklärte der 27-Jährige am Dienstag (25.5.), warum er nicht selbst gefahren ist: "Im Stream kam uns aus einer Unterhaltung die lustige Idee, dass ein Simracer für mich fährt und den anderen echten Fahrern zeigt, was er draufhat. Wir wollten das Ganze dokumentieren und für die Fans eine lustige Story kreieren", so Abt.

Es sei demnach nie geplant gewesen, den Fahrertausch lange zu verheimlichen: "Wir haben uns überlegt, wie wir das anschließend in einem Video auflösen können. Es war nie meine Intention, einen anderen Fahrer fahren zu lassen, damit ich ein Ergebnis habe und danach das Thema verschwiegen wird und ich dadurch besser dastehe. Das ist für mich völlig irrelevant. Es war nie unsere Intention, jemanden anzulügen oder etwas zu verschweigen."

Der Fahrertausch flog auf, weil die Technikexperten der Formel E die IP-Adressen checkten. Der Kemptener wurde daraufhin disqualifiziert und zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verdonnert. "Natürlich war mir bewusst, dass es den anderen Fahrern auffällt. Es war mir auch bewusst, dass man IP-Adressen checken kann. Wir haben aber gar nicht erst versucht, das Ganze per VPN zu verschleiern", erklärte Abt.

Daniel Abt - Simracing - Formel E - 2020
Audi
Für seinen Fehler in der virtuellen Welt muss Daniel Abt nun auch in der realen Welt büßen.

Abt-Cockpit wackelte ohnehin

Nach dem Rennen machten schnell Gerüchte die Runde, dass der Pilot geschummelt habe, um sich ein besseres Ergebnis zu ergaunern. Obwohl der "Sünder" das Vergehen direkt zugab, ließ sich der Sturm der Entrüstung nicht mehr einfangen: "Das Thema ist in eine Richtung gewandert, die ich mir selbst nie hätte vorstellen können. Ich habe bei der Prüfung natürlich direkt zugegeben, dass ich nicht selbst gefahren bin. Die 10.000 Euro-Spende habe ich ohne zu diskutieren akzeptiert", berichtet Abt reumütig.

Doch das war nur der Anfang. Das Audi-Werksteam hatte von der Aktion ihres Formel-E-Stammfahrers keine Kenntnis. Der Hersteller aus Ingolstadt entschied sich, den Piloten kurzerhand zu suspendieren. Abt ist damit seinen Stammplatz in der Formel E los. Sollte die Rennserie nach der Coronakrise ihre Saison fortsetzen, wird Audi das zweite Cockpit neben Lucas di Grassi mit einem anderen Fahrer besetzen.

In einem Audi-Statement heißt es: "Integrität, Transparenz und die konsequente Einhaltung geltender Regeln haben für Audi oberste Priorität. Dies gilt ausnahmslos für alle Aktivitäten, an denen die Marke beteiligt ist. Aus diesem Grund hat Audi Sport entschieden, Daniel Abt mit sofortiger Wirkung zu suspendieren."

"Wir stehen zu einer offenen Fehlerkultur. Doch bei den Vorfällen während der Sim Racing Serie "Race at Home Challenge” handelte es sich nicht um einen Fehler, sondern um die bewusste Entscheidung, gegen die Regeln zu handeln. Das macht für uns den großen Unterschied. Deshalb ist die Suspendierung von Daniel Abt für uns an dieser Stelle leider alternativlos."

Es war keine große Überraschung, dass Audi so handeln würde. Der VW-Konzern stand nach einer Pannenserie in den letzten Tagen ohnehin negativ in den Schlagzeilen: Rassismus-Skandal um eine Social-Media-Werbekampagne, das Urteil des Bundesgerichtshof um Entschädigungen für Diesel-Käufer und die Zahlungen von Vorstandschef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, um einem Gerichtsverfahren wegen angeblicher Marktmanipulation zu entgehen. Da reichte ein verhältnismäßig kleiner Anlass, um Abt zu suspendieren.

Laut Insidern war Abts Stammplatz bei Audi aber auch vorher schon in akuter Gefahr. Es stand in der Schwebe, ob Ingolstadt die Option auf eine Vertragsverlängerung über die Saison hinaus ziehe. Offenbar war man bei Audi über Abts Aktivitäten und Auftritten in den sozialen Netzwerken nicht sonderlich glücklich. Neben den Ergebnissen zähle auch das Gesamtpaket.

Daniel Abt - Simracing - Formel E - 2020
Audi
Noch ist nicht klar, wer das Audi-Cockpit von Abt künftig besetzen wird.

Kein Gedanken an die Konsequenzen

Abt gab seinen Fehler zu, beklagte sich aber auch über die öffentliche Vorverurteilung: "Die Medien haben mich sofort als Betrüger dargestellt, ohne dass ich die Chance hatte, mich dazu zu äußern. Ich kann es verstehen, dass wir mit dieser Idee zu weit gegangen sind. Im Nachhinein haben wir nicht genug über die Konsequenzen und die Ernsthaftigkeit nachgedacht und haben einen riesengroßen Fehler gemacht. Das akzeptiere ich. Und ich trage auch die Verantwortung. Leider hat das virtuelle Vergehen auch reale Konsequenzen für mich."

Die Trennung von Audi trifft Abt nach eigener Aussage hart: "Es ist ein Schmerz, den ich so in meinem Leben noch nie erfahren habe. Ich fühle mich gerade, als könne ich tiefer nicht fallen. Ich bin am Boden. Aber ich werde wieder aufstehen. Ich brauche jetzt sicher mal eine Zeit für mich, um Dinge zu reflektieren und über meine Zukunft nachzudenken."

Den Schaden trägt aber nicht nur Abt, sondern auch die gesamte virtuelle Rennsport-Gemeinde. Es ist die denkbar schlechteste Reklame für die derzeit eigentlich boomende Branche. Das virtuelle Rennen in Berlin gewann übrigens Oliver Rowland für Nissan e.dams vor Mercedes-Werksfahrer Stoffel Vandoorne. Pascal Wehrlein rückte nach Abts (Hörzings) Disqualifikation auf den dritten Platz vor.

Die Erlöse der "Race at Home Challenge" spendet die Formel E dem Kinderhilfswerk Unicef. Die 10.000 Euro Strafe von Abt gingen an die Allgäuer Werkstätten, einer Einrichtung für behinderte Menschen. So hat die ganze Affäre wenigstens noch einen Gewinner.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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