Formel E in Bern
Vergne kurz vor der Meisterschaft

Jean-Éric Vergne gewann zum dritten Mal in dieser Saison. Zwei Rennen vor Saisonende führt der Franzose die Meisterschaft deutlich an. Lucas di Grassi ärgerte sich über die Schiedsrichterentscheidungen.

Jean-Eric Vergne - Formel E - Bern
Foto: Motorsport Images

Mit leeren Augen blickte Jean-Éric Vergne am Samstagabend in die Welt. „Ich bin glücklich, aber auch so müde“ sagte er nach seinem dritten Saisonsieg. Damit baute er seinen Vorsprung in der Tabelle auf den Zweiten, Lucas di Grassi im Audi, von sechs Punkten (vor Bern) auf 32 Zähler aus.

Ein sanftes Polster vor dem Finale Mitte Juli in New York, einem Doubleheader, bei dem es maximal 56 Zähler zu verdienen gibt? „Ich verbiete es mir, auch nur einen Gedanken an den Titel zu verschwenden“, sagte Vergne. „Die Dinge können sich ganz schnell ändern, speziell in der Formel E.“

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Dauerdruck von Evans

Die letzten zwei Wochen hatten Vergne mächtig geschlaucht. Bei den 24 Stunden von Le Mans am vorletzten Wochenende schien er im G-Force dem Sieg in der LMP2-Kategoerie entgegen zu brausen. Doch in der 19. Stunde brach ein Anlasserkabel, ein Pfennigteil: 20 Minuten Reparatur, fünf Runden verloren, Klassensieg adieu. Das schmerzt, da schlägt die Müdigkeit gleich doppelt durch. „Ich war mental am Ende“, sagte Vergne. „Doch Montag Morgen um neun bin ich schon wieder im Formel-E-Simulator gesessen. Drei Tage lang.“ Der Franzose war komplett überdreht. „Ich habe die ganze Woche nur ganz schlecht schlafen.“

Doch als es auf der spektakulären Berner Berg- und Talbahn vor einer mächtigen Zuschauerkulisse um die Wurst ging, war Vergne hellwach. In der Qualifikation schaffte er Startplatz eins, obwohl er in Gruppe 1 auf die Strecke musste – ein großer Nachteil. Im Rennen stand er eine Dreiviertelstunde lang unter Dauerdruck von dem entfesselt auftrumpfenden Mitch Evans im Jaguar.

Der Neuseeländer schnupperte an seinem zweiten Formel-E-Sieg nach Rom. Dutzende Male attackierte Evans den güldenen DS-Techeetah. Er versuchte es links, er versuchte es rechts, doch er fand keinen Weg vorbei. Zweimal aktivierte Evans den Attack-Mode, der den Fahrern 25 Kilowatt an Extra-Power beschert, eine Runde früher als Vergne. Doch mehr als gleiche Höhe war nicht drin für ihn. Und auf der Innenbahn hatte sich da schon längst Vergne breitgemacht. Auch ein überraschender Regenguss in den letzten drei Minuten änderte nichts mehr.

Strittige Schiedsrichterentscheidung

André Lotterer machte das Glück für DS-Techeetah komplett. Der Deutsche zeigte, dass das Überholen auf der extrem engen Strecke wider Erwarten doch möglich ist. Von Platz acht gestartet kam Lotterer als Vierter hinter Sébastien Buemi im Nissan ins Ziel. Daniel Abt (Audi), Maximilian Günther (Dragon) und Sam Bird (Virgin-Audi) mussten sich seinem Vorwärtsdrang beugen. „Mein einziges Problem ist mein Teamkollege“, scherzte Lotterer. Doch um Mitternacht verging ihm das Lachen. Die Kommissare brummten ihm wegen eines Rotlichtverstoßes an der Boxenausfahrt eine Strafe von 22 Sekunden auf. Ade, Top 10.

Es war nicht die einzige strittige Schiedsrichterentscheidung. Nach dem Rennabbruch infolge der Massenkollision in der ersten Schikane dauerte es mehr als eine halbe Stunde, bis die Rennleitung die Reihung für den Restart ausgeknobelt hatte. Man entschied sich für den ursprünglichen Grid.

Lucas di Grassi, der ebenso wie Felipe Massa dem Schlamassel durch Flucht via Notausgang entkommen war, flippte fast aus. „Zehn Plätze habe ich so gewonnen, und jetzt muss ich wieder nach hinten“, echauffierte sich der Brasilianer. „Und die, die den Crash ausgelöst haben, werden belohnt und können mit reparierten Auto weiterfahren. Das stinkt mir. Das ist nicht fair.“