Formel E in Montreal 2017
Di Grassi gewinnt Titel, Buemi flippt aus

Entscheidung im Hassduell: Lucas di Grassi holte mit dem Abt-Schaeffler-Audi den Titel, weil er auch in den kitzligsten Situationen die Nerven behielt und am Samstag siegte. Bei Erzfeind Sébastien Buemi lief in Montreal alles schief.

Lucas di Grassi - Formel E - Montreal 2017
Foto: FIA Formula E

Seit der umstrittenen Kollision beim letztjährigen Saisonfinale in London ist das Tischtuch zwischen Sébastien Buemi und Lucas di Grassi endgültig zerschnitten. „Ich respektiere ihn als Fahrer, aber ich kann nicht respektieren, was passiert ist“, sagte Buemi vor den entscheidenden Rennen in Montreal.

Trainingscrash von Buemi

Der Schweizer kam mit einem Vorsprung von zehn Punkten nach Kanada. Nicht üppig, denn bei einem Double-Header-Wochenende kann man im Optimalfall 58 Zähler erobern. Im Freien Training, samstags um 11 Uhr, zerdepperte Buemi einen seiner beiden blauen Renner an der Betonwand. Der Schweizer kam unverletzt davon. Doch alle rätselten: Waren es die Nerven? Oder war es nur eine kleine Schludrigkeit?

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Kurz danach fuhr Buemi im zweiten Renault im Qualifying hinter di Grassi zwar die zweitschnellste Zeit. Das nützte ihm jedoch wenig. Denn wegen eines Wechsels der Batterie wurde er im Grid um zehn Plätze nach hinten komplimentiert. Die Renault-Mechaniker spuckten derweil ordentlich in die Hände und bauten Buemis Wrack wieder auf. In der Hektik vergaßen sie aber, das Auto auf die FIA-Waage zu stellen, obwohl sie von den Kommissaren dazu per E-Mail eingeladen wurden. Dies sollte Buemi zum Verhängnis werden.

Abt und Buemi mit Scharmützel in Box

Doch zunächst stand Rennen 1 auf dem Spielplan. Buemi geriet in einige materialverzehrende Duelle im Mittelfeld. Obwohl sein Lenkrad nach diversen kleinen Remplern auf halb acht stand, kämpfte er sich von Zwischenrang 17 wieder auf Platz neun nach vorne. Dann der Boxenstopp: Buemi lag unmittelbar hinter di Grassis Teammate Daniel Abt. Der hatte es nicht besonders eilig, an seine Box zu kommen. Der empörte Buemi signalisierte sein Missfallen darüber mit wilden Gesten, und beim Herausfahren aus der Box lag er tatsächlich vor dem Allgäuer. Am Ende der Boxengasse bremste Buemi plötzlich – scheinbar ohne Not. Abt brummte ihm um ein Haar ins Heck. Später stellte sich heraus, dass beide Fahrer einen Fehler gemacht hatten. Sie drückten nicht den Kopf für den Speedlimiter. Die Rennleitung beließ es bei Ermahnungen.

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Mit sehenswerten Aktionen und enormem Kampfgeist biss sich Buemi wieder auf Platz vier nach vorne, während di Grassi einem souveränen Sieg entgegenfuhr.

Was dann passierte, hat das Zeug zum viralen YouTube-Hit. Nach dem Rennen stürmte der schmale Buemi wie ein Berserker durch die Boxengasse und fing mit fast jedem, der ihm entgegenkam, Streit an. Die Andretti-Fahrer stellte er zur Rede, weil sie ihm angeblich ins Auto gefahren waren, mit Abt diskutierte er lautstark über den korrekten Speed hinter dem Safety Car. „Ich weiß gar nicht, was der will“, sagte der Allgäuer später. Buemi war immer noch auf 180: „Das Abt-Team hat ein schmutziges Spiel gespielt. Sie spielen immer ein schmutziges Spiel.“

Renault E.Dams-Renner zu leicht

Abends um neun Uhr stellte sich heraus: Die ganze Aufregung war für die Katz, wegen 2,9 Kilo Untergewicht flog Buemi aus der Wertung. Damit war der Titelkampf so gut wie entschieden. Di Grassi zog mit einem Polster von 18 Punkten von Startplatz fünf aus ins letzte Gefecht. Buemi stand nur in der siebten Startreihe. Und wieder war er in ein Scharmützel verwickelt, diesmal mit António da Costa. Weil danach ein Spoiler bedrohlich wackelte, wurde er an die Box zitiert. Dass das Corpus Delicti kurz davor von allein abfiel, passte da nur ins Bild. „Ein Jammer“, klagte Buemi nach Platz elf, und sein Chef Alain Prost stimmte ein: „Eines der schlimmsten Wochenenden, seit ich Rennsport mache.“

Nach der knappen Niederlage im Titelduell 2016 durfte Lucas di Grassi diesmal feiern. „Das Wichtigste war, dass wir alle ruhig geblieben sind. Am Sonntag musste ich das Auto nur noch heimbringen. Aber ich glaube, dass unser Auto nicht so gut war wie in den ersten beiden Formel-E-Saisons. Die Konkurrenz hat stark aufgeholt, vor allem Mahindra und Techeetah.“ In der Tat: Jean-Éric Vergne bescherte dem chinesischen Team am Sonntag den ersten Sieg.