Formel E in Saudi-Arabien 2021
Heftige Unfälle zum Saisonauftakt

Nach einem halben Jahr Pause meldete sich die Formel E zurück – und es gibt kaum Gutes zu berichten. Das fürchterliche Bremsversagen bei Edoardo Mortaras Venturi-Mercedes, der Überschlag von Alex Lynn im Mahindra und ein abgewehrter Drohnen-angriff sorgten für Negativ-Schlagzeilen.

Alex Lynn - Mahindra - Formel E - Riad 2021
Foto: Motorsport Images

Es waren nicht die Sieger, die beim Saisonauftakt der Formel-E-WM in Riad im Mittelpunkt standen. Die beiden großen Pokale gingen an Mercedes-Pilot Nyck de Vries, der am Freitag sowohl die Qualifikation als auch das Rennen von A bis Z dominierte, und Sam Bird, der sich im zweiten Lauf am Samstag durchsetzte. Doch das Rennwochenende wurde durch schwere Unfälle überschattet.

Mauerküsse und Unfälle gehören bei der Formel E gewissermaßen zum Markenkern, was nicht verwundert, da die Rennen auf engen, von Betonmauern gesäumten Stadtkursen stattfinden. Doch was sich nach dem Freien Training zum zweiten Rennen am Samstag abspielte, war dramatisch. Nach der routinemäßigen Startübung schoss Edoardo Mortara, der Sensations-Zweite beim Freitag-Rennen, mit seinem vom Venturi-Team eingesetzten Mercedes EQ Silver Arrow 02 bolzengerade in die Bande.

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Ungebremst prallte der Venturi mit angeblich 140 km/h stumpf in die energievernichtende Tecpro-Barriere. Mortara kam ins Krankenhaus, konnte aber schnell wieder entlassen werden. "Ich bin ziemlich ok, aber es geht mir nicht richtig gut", sagte der sichtlich geschockte Italo-Schweizer nach seiner Rückkehr an die Strecke. "Ich dachte: Das ist das Ende. Kein großartiges Gefühl. Das waren 50g."

Dabei hatte Mortara nichts falsch gemacht. Die Datenaufzeichnung zeigte klar, dass er mit aller Macht aufs Bremspedal stieg. Doch das Auto reagierte nicht – wohl aber die FIA.

Edoardo Mortara - Venturi-Mercedes - Formel E - Riad 2021
Motorsport Images
Edoardo Mortara traf keine Schuld am Unfall: Das Bremssystem war ausgestiegen.

Risiko Brake-by-Wire?

Weil die Kommissare schlüssige Erklärungen verlangten, die aber von den Teams in der Kürze der Zeit nicht erbracht werden konnten, wurden die verbliebenen drei Mercedes von Nyck de Vries, dem überlegenen Sieger des ersten Riad-Rennens am Freitag, Stoffel Vandoorne und Norman Nato wegen Sicherheitsbedenken für das Qualifying gesperrt.

In der seit Ende 2018 eingesetzten zweiten Generation der Formel-E-Einheitsautos kommt eine neuartige Bremstechnologie zum Einsatz: Brake-by-Wire sorgt dafür, dass die Hinterräder beim Rekuperieren nicht mehr blockieren. Die altbewährte Hydraulik ist passé. Die Informationen über den Bremsdruck erfolgen nun elektronisch.

Offenbar hat diese Technologie ihre Tücken. Denn es stellte sich heraus, dass an Mortaras Venturi auch das Notbremssystem, das die Hinterradbremsen aktivieren sollte, nicht funktionierte. Mercedes erklärte das Bremsversagen mit einem Softwarefehler. Vor exakt einem Jahr überstand Daniel Abt (Audi) in Mexiko einen ähnlichen Mega-Crash unverletzt. Auch da war das Computerprogramm schuld.

Zum Rennen wurden die Mercedes zugelassen, doch sie spielten keine Rolle. An der Spitze duellierten sich beim zweiten Rennen der Trainingsschnellste Robin Frijns im Virgin-Audi mit seinem bisherigen Teamkollegen, Jaguar-Neuzugang Sam Bird. Dass der Brite das bessere Ende für sich hatte, war pures Glück. Denn just in dem Moment, als Frijns den Attack Mode aktivierte, kollidierten Tom Blomqvist (NIO) und Max Günther, der seinerseits den Jaguar von Mitch Evans traf. Weil die Aktivierungszone für den Angriffsmodus weitab der Ideallinie liegt, schlüpfte Bird durch.

Nyck de Vries - Mercedes - Formel E - Riad 2021
Formula E
Mercedes hatte in Riad das schnellste Paket: De Vries gewann das erste Rennen.

Überschlag von Alex Lynn

Was die Fernsehbilder nicht zeigten: An der gleichen Stelle crashte Alex Lynn. Der Mahindra überschlug sich und rodelte 50 Meter auf dem Überrollbügel über die Piste. Für die TV-Zuschauer war nicht nachvollziehbar, warum Rennleiter Scott Elkins zuerst Full-Course-Yellow ausrief, aber vier Minuten später doch das Safety Car auf die Strecke schickte. Auch die SAT1-Crew tappte im Dunklen. Weitere sechs Minuten später kam der Abbruch. Augenzeuge Lucas di Grassi (Audi) bestätigte, was in einem Youtube-Video zu sehen ist: "Ein Mega-Crash. Ich bin froh, das Alex ok ist." Sam Bird erhaschte so den Sieg.

Der "unlucky loser" Frijns zuckte ratlos mit den Schultern und der zunächst drittplatzierte Jean-Éric Vergne ärgerte sich über Titelverteidiger António Félix da Costa, mit dem er hart aneinander geriet. "Darüber wird zu sprechen sein. Wir fahren für das gleiche Team!" Doch es kam noch schlimmer für den zweifachen Meister. Weil er den Attack Mode nicht wie gefordert zweimal aktiviert hatte, bekam er 24 Sekunden Zeitstrafe aufgebrummt.

Die Deutschen erzielten nur Teilerfolge. René Rast im Audi holte am Freitag den vierten Platz. Pascal Wehrlein im Porsche wurde Fünfter und Zehnter. Sein Teamkollege André Lotterer blieb zweimal ohne Top-10-Resultat, einmal davon wegen eines Platten. Max Günther (BMW) war in beiden Rennen in Unfälle verwickelt, einmal schuldlos, einmal ohne Fremdbeteiligung.

Einen Aufreger gab es noch abseits der Piste. Am Samstagabend wurde eine Drohnenattacke auf Riad offiziell bestätigt. Die Marschflugkörper wurden durch Flugabwehrraketen in der Luft zerstört. Saudi Arabien machte die Huthi-Rebellen im Jemen verantwortlich. Dort führt das Land seit 2015 einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran.