Formel E Berlin - Ergebnis Rennen 1
Evans gewinnt Krimi in Berlin

Der erste Lauf der Formel E in Berlin bot ein wahres Spektakel. Am Ende siegte Mitch Evans nach starker Aufholjagd vor Teamkollege Sam Bird. Maximilian Günther schnappte sich in letzter Sekunde Platz 3.

Formel E - Berlin I 2023 - Mitch Evans - Jaguar
Foto: Motorsport Images

Damit hätte er wohl selbst nicht gerechnet: Nach einem enttäuschenden Qualifying und lediglich Rang 9 gewinnt Mitch Evans (Jaguar) das erste Rennen des Double-Headers in Berlin. Trotzdem blieb der Neuseeländer im Anschluss cool und zeigte keine überschwängliche Freude: "Den Sieg habe ich so nicht erwartet, da Berlin ein herausfordernder Ort für mich gewesen ist. Auch wenn das Management hart war. Der Plan ging wunderbar auf. Natürlich gibt jedes Rennen dieselben Punkte, aber das Timing dieses Erfolgs ist wichtig. Nun müssen wir in der Restsaison so weitermachen."

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Vor dem Start hatte er zumindest Zuversicht versprüht, als er im Grid-Interview bestätigte, dass Jaguar nach dem Qualifying am Setup gearbeitet hatte. Doch der Reihe nach. Auf der Pole-Position stand zum 16. Mal in seiner Formel-E-Karriere Sébastien Buemi. Es war die zweite Pole der Saison. Der Schweizer (Envision-Jaguar) führt die Rangliste nun alleine vor DS-Pilot Jean-Éric Vergne (15) an.

Die Führung am Start schnappte sich jedoch Dan Ticktum. Der NIO-Pilot bewies von Platz 4 kommend den größten Mut und überholte neben Buemi die von Rang 2 und 3 gestarteten Sam Bird (Jaguar) und Weltmeister Stoffel Vandoorne (DS Penske). Drei Fahrer überholte auch Maximilian Günther (Maserati-DS) und war nach einer Runde starker Fünfter. Der WM-Führende Pascal Wehrlein (Porsche) fiel auf Rang 16 zurück.

Formel E - Berlin I 2023 - Start
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Dan Ticktum (links) zeigte einen Raketenstart und katapultierte sich von Rang 4 an die Spitze.

Attack Modes bringen früh Würze

Bereits in Runde 3 aktivierte Ticktum die erste Minute seines insgesamt vier Minuten dauernden Attack Modes. Einen Umlauf später entschied sich Buemi als neuer Führender ebenfalls für eine Minute Extra-Power. In Runde 5 zündete Ticktum die verbliebenen drei Minuten seiner zusätzlichen 50 kW. Buemi steuerte im selben Umlauf die Aktivierungsschleife an. Der neue Leader Sam Bird zog nur eine Runde später nach. Ticktum übernahm erneut die Spitze und verteidigte den Platz an der Sonne bis in Runde 9, dann hatte Bird genug gesehen und ging an seinem Landsmann vorbei. Stoffel Vandoorne hatte sich für eine andere Strategie entschieden und lag, nachdem er Ticktum überholt hatte, auf Rang 2.

Danach begann das Chaos. Zunächst rasierte sich Sérgio Sette Câmara an Günthers Maserati den Frontflügel ab. Zur selben Zeit verbremste sich Bird in Kurve 6 und fiel auf den 6. Platz zurück. Der beschädigte NIO von Sette Câmara stand wenige Augenblicke später in Kurve 1 quer zur Fahrbahn und blockierte Réne Rast. Der Deutsche hatte den Brasilianer umgedreht. Seinen McLaren hatte der ehemalige DTM-Meister verwundet und für die Aktion noch eine 5-Sekunden-Strafe kassiert. Am Ende wurde Rast 17.

Formel E - Berlin I 2023 - Action
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Von Beginn an entwickelte sich ein enges Rennen mit vielen Zweikämpfen und einigen Unfällen.

Neuer Formel-E-Rekord

Die Teile auf der Strecke zwangen die Rennleitung, das Safety Car auf die Strecke zu schicken. Pech für Edoardo Mortara (Maserati-DS) und Stoffel Vandoorne: Beide hatten erst ihren Attack Mode aktiviert. In Runde 14 verschwand das Safety Car wieder von der Piste und der zu diesem Zeitpunkt Führende Jake Dennis nutzte den Vorteil im Andretti-Porsche. Lange währte die Freude nicht beim Engländer, zwei Umläufe später holte sich der Mexiko-Sieger für drei Minuten die Zusatz-Energie ab und war nur noch Fünfter.

Plötzlich führte der Vorjahressieger Mortara den E-Prix an, nur um kurz darauf wegen seines eigenen Attack Modes auf Rang 3 zurückzufallen. Mitch Evans war der nächste an der Reihe, um in dem Rekordrennen zu führen. Insgesamt 23 Mal wechselte der Platz an der Spitze in dem ersten Lauf des Berlin-Wochenendes. Das hatte es zuvor noch nie gegeben.

Vandoorne-Crash erzwingt zweites Safety Car

Zur Rennhalbzeit schepperte es erneut: Stoffel Vandoorne und Dan Ticktum waren sich ausgangs Turn 3 nicht über die Vorfahrt einig. Der Weltmeister wollte außen am NIO-Piloten vorbeigehen, der ließ dem Belgier zu wenig Platz und die Autos knallten in die Wand. Vor allem Vandoorne war sauer und beschwerte sich bei seinem Kontrahenten noch neben der Rennstrecke. Der Crash löste die zweite Safety-Car-Phase aus, unter der diesmal Maximilian Günther zu leiden hatte. Der Deutsche war gerade durch die Aktivierungsschleife für den dreiminütigen Attack Mode gefahren.

Evans nutzte den Restart und blieb vorne. Dahinter reihten sich Buemi, Mortara und Günther ein. In Runde 23 aktivierte Evans seine letzten 60 Sekunden des Attack Modes und fiel auf Rang 3 zurück. Kurzzeitig führte Günther, doch die drei Renner mit Jaguar-Power schnappten sich den dreimaligen Formel-E-Sieger. Evans und Bird in den Werks-Jaguar vor dem Kunden-Auto von Sébastien Buemi. Pascal Wehrlein lag mittlerweile auf Rang 7, ohne dass der Sigmaringer bis zu diesem Zeitpunkt Extra-Power eingesetzt hatte.

Formel E - Berlin I 2023 - Stoffel Vandoorne - DS Penske - Dan Ticktum - NIO 333
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Weltmeister Stoffel Vandoorne (links) schied nach einem Crash mit Dan Ticktum aus und war wenig angetan von dessen Aktion.

Evans legt sich Konkurrenz zurecht

Das Schlussfeuerwerk zündete zunächst Buemi. Der Schweizer ging an den beiden Jaguar von Evans und Bird vorbei, der wiederum seinen Teamkollegen überholte und kurz darauf auch Buemi. Dahinter gab es den nächsten Crash. Jake Dennis verbremste sich, beim Versuch Günther zu kassieren, kapital und riss António Félix da Costa (Porsche) mit ins Verderben. Für beide war das Rennen gelaufen. Dennis musste den vierten Nuller ensuite verkraften.

In Runde 36 schnappte sich Buemi wieder Bird, der drei Umläufe später kontern wollte. Nutznießer des Zweikampfs war Mitch Evans. Der Neuseeländer überholte seinen Teamkollegen und direkt danach Buemi. Jetzt war der Brasilien-Sieger nicht mehr zu halten und fuhr zum zweiten Triumph in Serie. Dahinter fand Bird einen Weg an Buemi vorbei und sorgte für Jaguars ersten Doppelsieg in der Formel E. Maximilian Günther überholte mit einem mutigen Manöver in der letzten Kurve noch Sébastien Buemi und wurde Dritter. Entsprechend groß war die Freude: "Ich bin sehr erleichtert, endlich auf dem Podium zu stehen und den ersten Pokal für Maserati zu holen. Und das auch noch bei meinem Heimrennen!"

Formel E - Berlin I 2023 - Maximilian Günther - Maserati-DS
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Maximilian Günther jubelt über Platz 3 beim Heimrennen in Berlin.

Wehrlein behielt nach Rang 6 die WM-Führung mit 94 Punkten. Sorgen bereitet dem Schwaben die starke Jaguar-Konkurrenz: "Der heutige Tag war Schadensbegrenzung. In den letzten Rennen haben andere Teams große Schritte nach vorne gemacht und wir dürfen nicht den Anschluss verlieren." 23 Zähler hinter Wehrlein liegt Nick Cassidy (Envision-Jaguar), der Fünfter wurde. André Lotterer (Andretti-Porsche) landete nach einer 5-Sekunden-Strafe wegen einer Kollision auf Rang 8.

Mitch Evans verkürzte mit dem Erfolg seinen Rückstand auf 30 Punkte. Der Speed und die Konstanz machen den Neuseeländer in seinem Jaguar nach schwachem Saisonstart wieder zu einem WM-Kandidaten.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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