Formel E Monaco 2022
Stoffel Vandoorne meldet Titel-Ambitionen an

Die Operation Titelverteidigung läuft: Stoffel Vandoorne und Mercedes zeigten in Monaco ein souveränes Rennen und reisen mit der Führung in beiden WM-Wertungen nach Berlin. Für Porsche wurde der Saisonhöhepunkt an der Côte d’Azur hingegen zum Albtraum.

Formel E - Monaco 2022 - Stoffel Vandoorne - Mercedes
Foto: Motorsport Images

Bisher verfolgte Stoffel Vandoorne immer etwas der Ruf, ein Pechvogel zu sein. Egal ob in den Nachwuchsserien, bei McLaren F1 oder zuletzt in der Formel E: Häufig stand dem hochtalentierten Belgier irgendetwas im Weg. Das wohl beste Beispiel ist der Wechsel zu McLaren in den unglückseligen Honda-Jahren. Doch der mittlerweile 30-Jährige ließ sich nie davon beirren und baute nach dem Ende seines F1-Traums eine bemerkenswerte Vita auf. Sowohl in der Sportwagen-WM als auch in der Elektro-Serie gilt Vandoorne als sichere Bank, nur große Siege und Titel fehlen als Beleg.

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Obwohl auch in diesem Jahr nicht alles nach Plan läuft – Vandoorne schmiss unter anderem einen Sieg in Saudi-Arabien weg –, ist er zuletzt aus dem Schatten seines Teamkollegen Nyck de Vries getreten. Während der amtierende Weltmeister mehrmals im Formel-E-typischen Strategiechaos unterging, sammelte Vandoorne fleißig Punkte. Besonders das neue "Qualifying-Turnier" liegt dem Belgier angesichts der zwei "Siege". Dass es nach dem Vizetitel im Jahr 2020 jetzt für den ganz großen Wurf reichen soll, könnte Vandoorne am Samstag bewiesen haben.

Formel E - Monaco 2022 - Action - Hafenschikane
Motorsport Images
Klassische Kulisse, klassische Kursführung – die Formel E fuhr diesmal auch die Formel-1-Variante der Hafenschikane.

Hohe Pace bringt Sorgen

Nachdem die Formel-E-Fahrer beim letztjährigen GP-Schleifen-Debüt noch eine verwinkelte Hafenschikane vorfanden, bekamen sie am Samstag die klassische Version vorgesetzt. Viele Piloten scherzten vorfreudig, dass sie nach dem Spektakel im letzten Jahr endlich auf die "Erwachsenen-Variante" durften. Diese präsentierte sich mit erneuertem Asphalt noch etwas schneller als im Vorjahr und bot so die perfekte Bühne für ein spannendes sechstes Quali-Turnier.

Nachdem Jaguar an den ersten Rennwochenenden noch mit dem Speed beim Zeitfahren gehadert hatte, war der zweifache Rom-Sieger Mitch Evans diesmal der Dominator des Qualifyings und setzte sich im Finale problemlos gegen den Porsche-Piloten Pascal Wehrlein durch. Der noch in der Meisterschaft führende Jean-Éric Vergne (DS-Techeetah) und Vandoorne bildeten Reihe 2.

Formel E - Monaco 2022 - Mitch Evans - Jaguar
Motorsport Images
Rom-Doppelsieger Mitch Evans (Jaguar) war in der Qualifikation nicht zu schlagen.

Der einzige Lauf durch die weltbekannten Straßenschluchten begann recht konservativ. Bis auf einige Duelle im Mittelfeld lag der Fokus der meisten Piloten auf dem Energie-Management. Mitch Evans konnte so seine Führung lange ohne Gegenwehr konsolidieren – allerdings zulasten seiner verfügbaren Energiemenge. Jaguar-Teamboss James Barclay erklärte nach dem Rennen: "Im Anschluss an den exzellenten Start hat Mitch durch seine Führung den Hinterherfahrenden einen Vorteil gegeben." Diese können unter anderem dank des Windschattens einfacher Geschwindigkeit rausnehmen und so sparen.

Kurz vor dem Ende des ersten Renndrittels attackierte Wehrlein dann erstmals Evans. Der Jaguar-Pilot konnte sich in der Anfahrt zur Hafenschikane jedoch erfolgreich wehren. Evans führte das Feld so als Leader in die wildere erste Phase von Attack-Mode-Aktivierungen (zweimal vier Minuten in Monaco). Da die Spitze bis zu diesem Zeitpunkt eng zusammengeblieben war, gab es reichlich Duelle zu sehen. So konnten Wehrlein und Vergne innerhalb weniger Minuten Führungsarbeit leisten.

Formel E - Monaco 2022 - Pascal Wehrlein - Porsche
Porsche
Der Porsche-Pilot Pascal Wehrlein zeigte eine starke Performance im Rennen, wurde aber Opfer eines Technikdefekts.

Doppelt Drama für Porsche

Am Ende der ersten Phase lag schließlich wieder Pascal Wehrlein auf dem ersten Rang und brachte sich so in eine ideale Ausgangslage für den zweiten Rennabschnitt. Doch kurz nach der Rennhalbzeit verlor der Porsche 99X Electric mit der Nummer 94 Vortrieb: Das Auto war mit noch etwa einer halben Minute für die Extra-kW plötzlich ausgegangen und ohne Lebenszeichen die weltbekannte Haarnadel-Kurve hinuntergerollt.

Wenige Minuten später erwischte das Pech dann Wehrleins Kollegen André Lotterer, der von Oliver Rowland (Mahindra) in die TecPro-Stapel von Sainte-Dévote gedrückt wurde. Der Deutsche verletzte sich dabei leicht eine Hand. Zum Start des letzten regulären Renndrittels wurde so eine Safety-Car-Phase nötig. Stoffel Vandoorne verlor fast seine gesamte zweite Attack-Mode-Zeit, konnte aber als Führender in den Schlussspurt samt "Overtime" gehen. Das restliche Rennen drehte sich schließlich um die Frage, was Evans mit seinen zweiten vier Minuten ausrichten konnte. Vergne hatte schon vor Vandoorne sein Kontingent verbraucht.

Formel E - Monaco 2022 - Sébastien Buemi - Nissan - Oliver Askew - Andretti-BMW
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Im Vergleich zum Vorjahr war der Saisonhöhepunkt etwas ruhiger, dennoch bewiesen die Formel-E-Fahrer, dass man überholen kann.

Nachdem Evans durch die äußere Aktivierungslinie zunächst zwei Plätze verloren hatte, konnte er sich schnell wieder auf den zweiten Platz zurückkämpfen. Vandoorne war zu diesem Zeitpunkt aber schon enteilt und stürmte mit perfekt getimter Rest-Energie seinem bisher größten Elektro-Erfolg entgegen. "Jetzt ist endlich meine Zeit gekommen", jubelte der Belgier im Anschluss in die Mikrofone. "Mein Start in die Saison war nicht einfach, aber die Konstanz zahlt sich nun aus. Ich konnte das ganze Jahr vorne mitkämpfen." Der Zweite Evans resümierte zufrieden: "Leider konnte ich meine Pole nicht in einen Sieg ummünzen, da wir etwas Probleme mit der Energie hatten. Aber das sind großartige Punkte!"

Vandoorne geht nun als Tabellenführer in das Heimspiel seines Arbeitgebers in Berlin. Am 14. und 15. Mai werden zum vorerst letzten Mal E-Silberpfeile in Berlin antreten. Der Belgier will auch dort zeigen, dass nun endlich seine Zeit gekommen ist.