Mercedes verlässt Formel E
Nur Formel 1, kein Le Mans

Mercedes beendet seinen Werkseinsatz in der Formel E im August 2022. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Für das Marketing springt zu wenig heraus, die Entwicklung der Elektro-Rennserie stagniert, die Regeln sind zu sehr auf Zufall ausgelegt. Mercedes konzentriert sich deshalb lieber voll auf die Formel 1.

Stoffel Vandoorne - Nyck de Vries - Mercedes - Formel E
Foto: Mercedes

Es ist noch nicht lange her, da stürmten die deutschen Hersteller regelrecht in die Formel E. Seit der sechsten Saison betrieben mit BMW, Audi, Porsche und Mercedes gleich vier deutsche Autobauer ein Team. Echte Werkseinsätze statt der bloßen Unterstützung von Privatteams lautete die Devise. Doch der Hype kommt so langsam zum Erliegen.

Aus der Riege bleibt bald nur noch Porsche übrig. Der Zuffenhausener Sportwagenhersteller hat sich als einzige deutsche Marke langfristig zur Formel E bekannt. Der Rest zieht einen Schlussstrich. Zuerst hatte Audi seinen Abschied mit Ende dieser Saison, der siebten der Formel-E-Geschichte, verkündet. Dann BMW. Mercedes wird der Elektro-Weltmeisterschaft ebenfalls als Teilnehmer und Hersteller den Rücken kehren. Man lässt sich aber noch eine Saison mehr Zeit. Mercedes wird in der achten Saison der Formel E als Titelverteidiger teilnehmen. Im August 2022 ist dann Schluss. Den Ausstieg machte Mercedes am Mittwoch (18.8.2021) offiziell.

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Der Rückzug hatte sich in den letzten Monaten stufenweise abgezeichnet. Eine Deadline im März, sich zum neuen Regelwerk der Formel E zu bekennen, hatte Mercedes zunächst verstreichen lassen. Die Rennserie gewährte dem Premiumhersteller einen Aufschub bis in den Sommer, um eine Entscheidung zu treffen, ob man auch in der Gen3-Ära an Bord sein würde. Diese beginnt mit der neunten Saison (2022/2023), also der übernächsten, in der die dritte Fahrzeuggeneration mit weniger Gewicht und mehr Leistung eingesetzt wird. Da will Mercedes nicht mehr mitmachen. Die Entscheidung darüber wurde bereits vor mehreren Wochen getroffen.

Nyck de Vries - Formel E - Berlin - 2021
Formel E
In dieser Saison hat Mercedes sowohl die Fahrer- als auch die Team-WM gewonnen.

Zu geringer Werbeeffekt

Die Schwaben ziehen die Reißleine, obwohl die Leistung auf den städtischen Rennstrecken stimmt. Nyck de Vries holte am vergangenen Wochenende den WM-Titel als Fahrer, Mercedes den Markenpokal für das beste Team. Nicht die Erfolglosigkeit vertreibt die Marke, sondern die schleppende Weiterentwicklung des Elektro-Startups. Die Formel E hat es auch nach sieben Jahren nicht geschafft, echte Begeisterung in der Motorsport-Szene zu wecken.

Offiziell wird eine andere Begründung vorgeschoben. Die Entscheidung sei im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung gefallen. Die Ressourcen sollen auf die Entwicklung von Straßen-Elektroautos umverteilt werden. Hier will Mercedes bis Ende des Jahrzehnts mit drei neuen Elektro-Plattformen durchstarten. Die rund 30 Millionen Euro, die man pro Saison in die Rennserie steckt, sind da offenbar zu viel. Es klingt wie ein vorgeschobenes Argument, zumal die Formel E an der Einführung eines Budgetoberdeckels in der Größenordnung von 12 bis 15 Millionen Euro arbeitet.

Hinter vorgehaltener Hand hört man andere Beweggründe, wieso Mercedes aussteigt. Der Marketingwert, den man durch die Teilnahme generiert, fällt zu gering aus. Er rechtfertigt nicht den Aufwand, das Motorsport-Programm fortzusetzen. Im Schatten der großen Formel 1 gedeiht das Pflänzchen Formel E nicht wie erwünscht. Hinzu kommt, dass sich die Hersteller allgemein an gewissen Entwicklungen stören.

Zum Beispiel am Qualifikationsformat, das die bestplatzierten Fahrer in der Weltmeisterschaft bestraft. Oder an den unregelmäßigen Startzeiten, die der Serie von den TV-Partnern diktiert werden. Oder an Lappalien, die zum Wertungsausschluss führen. Die Hersteller sprechen davon, dass sich die Formel E partout nicht reinreden lässt. Was per se ja nichts Schlechtes ist, wenn es nicht – wie die Hersteller intervenieren – an Erfahrung mangeln würde.

Nyck de Vries - Mercedes - Formel E
Mercedes
Mercedes verabschiedet sich nach der achten Saison (August 2022) aus der Formel E.

Le-Mans-Hypercar nicht auf Tisch

In der Formel E wird die Quali in vier Startgruppen mit jeweils sechs Fahrern ausgefahren. Die schnellsten sechs Piloten steigen auf und fechten später in einem Shoot-Out die Pole Position aus. Die erste Gruppe bilden die sechs bestplatzierten Fahrer der WM. Sie haben einen Nachteil, weil sie gewissermaßen für die restlichen Starter die Strecke putzen. Je später man startet, desto besser die Streckenverhältnisse, weil das Griplevel auf den sonst rutschigen Straßen steigt. In einem engen Feld kann einem Team in manchen Fällen nicht mal das schnellste Auto helfen. Dann startet man aus dem Mittelfeld, statt aus den vorderen Reihen, obwohl man selbst keinen Fehler gemacht hat. Das klingt mehr nach Würfelspiel als nach Rennsport, allerdings kündigte die FIA bereits eine Regeländerung für die kommende Saison an.

Die Hersteller monieren, dass Formfehler wie der von Mercedes in Valencia oder von Porsche in Mexiko dazu führen, dass Pole Positions aberkannt werden oder Rennsieger disqualifiziert. Da wird eine Reifenidentifikationsnummer falsch eingetragen (Mercedes) oder ein Haken bei der Reifen-Registrierung (Porsche) nicht gesetzt, und die Formel E verhängt drakonische Strafen. Man könnte sagen, sie ist päpstlicher als der Papst. Andere werfen ein: Die Rennserie setzt ihr Reglement konsequent durch. So oder so sind Platz-Rochaden ärgerlich für Fans.

In der Kritik sind auch die wechselnden Startzeiten. Weil sie verwirren. In der Formel 1 weiß jeder Fan, dass die Europarennen um 15 Uhr starten. In der Formel E muss man jedes Mal nachsehen. Es fehlt Stringenz im Ablauf. Diese vielen Kleinigkeiten summieren sich – und ergeben im Endeffekt neben dem im Verhältnis schwachen Marketingwert den Ausschlag gegen die E-Serie.

Mercedes will sich auf die Formel 1 konzentrieren. "Die Formel 1 bietet großes Potenzial für Technologietransfer, wie wir bei aktuellen Projekten wie dem Vision EQXX sehen. Zudem werden unser Team sowie die gesamte Serie bis zum Ende des Jahrzehnts klimaneutral sein", sagt Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Deshalb gibt es nach dem Ausstieg aus der Formel E auch eine Absage für Le Mans. Mercedes wird sich nicht Audi und Porsche sowie vielen anderen Hersteller wie Ferrari anschließen. Ein Hypercar-Projekt für den 24-Stunden-Klassiker liegt nicht auf dem Tisch.

Und was passiert mit der aufgebauten Mannschaft? Dazu heißt es von Mercedes: "Während Mercedes-Benz die Formel E am Ende der Saison 8 verlässt, hat die Teamleitung damit begonnen, die Optionen zur Fortsetzung des Team-Engagements in der Serie in der kommenden Gen-3-Ära zu prüfen, darunter auch ein potenzieller Verkauf an neue Besitzer."