Nick Heidfeld vor Formel E-Start
Batterie und Rekuperation noch Neuland

Nick Heidfeld hat in seiner Motorsport-Karriere schon viel erlebt. Der Mönchengladbacher fuhr unter anderem in den Nachwuchsklassen Formel 3 und 3000 sowie in der Königsklasse Formel 1 und der WEC. Im Alter von 37 Jahren betritt Heidfeld nun aber wieder Neuland.

Nick Heidfeld - Formel E-Test - Donington - 07/2014
Foto: Formula E

Die Elektrorennserie Formel E ist auch für alte Haudegen wie den Italiener Jarmo Trulli oder den deutschen Fahrer Nick Heidfeld eine Herausforderung - allein schon aufgrund der Geräuschkulisse. "Die Formel E ist komplett anders als die bisherigen Autos, die ich gefahren bin. Speziell was den Sound betrifft. Man gewöhnt sich aber schnell daran. Im Auto hat man das fehlende Geräusch des Verbrenners nach ein paar Runden vergessen."

Von der Rennstrecke auf einen Stadtkurs

Nach der kurzen Vorbereitungszeit - den Teams standen fünf Testfahrten und zwei Simulationen zur Verfügung - startet die Formel E am kommenden Wochenende in ihre Premierensaison. Bislang waren die Fahrer mit ihren Elektrorennern nur auf der permanenten Rennstrecke in Donington, dem Formel E-Hauptquartier, unterwegs. In Peking geht es nun auf einen noch nie zuvor befahrenen Stadtkurs.

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Zum Einschießen auf die veränderten Gegebenheiten bleibt nicht viel Zeit. Am Freitag (12.09.2014) dürfen die Piloten in ihren Autos für einen kurzen Shakedown von 5 Runden auf die Piste ausrücken. Am Samstagmorgen stehen noch zwei Trainingssitzungen auf dem Programm, ehe es mit dem Qualifying und dem drei Stunden später freigegebenen Rennen Ernst wird.

"Es wäre hinsichtlich des Setups idealer gewesen, auf verschiedenen Strecken zu testen", meint Heidfeld. "Uns erwarten viele Unbekannte. Ein Stadtkurs ist an sich langsamer und holpriger als eine Rennstrecke. Theoretisch sollte es nicht einfach sein, zu überholen. Aber die Situation ist für alle Teams und Piloten gleich. Wir müssen einfach einen besseren Job machen als die anderen."

Balance des Formel E-Autos relativ neutral

Das bedeutet konkret: Heidfeld und seine Ingenieure vom französischen Venturi-Rennstall wollen schneller die passenden Einstellungen für die Elektrorenner finden als die Konkurrenz. Um das geeignete Setup zu erreichen, dürfen die Teams unter anderem mit den Flügeln, der Spur, dem Radsturz, den Federn, Dämpfern und der Bodenfreiheit experimentieren.

"Man kann die Balance relativ neutral hinbekommen - unerwarteter Weise. Wenn man sich das Auto anschaut liegt Gewicht sehr weit hinten. Dadurch sollte man befürchten, dass es sehr hecklastig und übersteuernd ist. Aber mit den Reifen und Setupmöglichkeiten bekommt man eine vernünftige Balance hin", erklärt der 37-Jährige, der weiter berichtet, dass das Formel E-Auto wegen seiner profilierten Reifen am Kurveneingang "mehr schwimmt" als ein Rennwagen auf Slicks.

Mit den Michelin-Einheitsreifen zeigt sich der Mönchengladbacher aber zufrieden: "Dafür, dass sie unter allen Bedingungen funktionieren müssen, sind sie sehr gut und relativ konstant. Sie bauen teilweise hinten leicht ab, dass lässt sich über den Druck oder das Setup aber regulieren. Man muss aber auch dazu sagen, dass wir mit Slicks gleich mal ein paar Sekunden schneller wären."

Noch viel wichtiger als die richtige Fahrzeugeinstellung ist das Verständnis des Energiemanagements. In den Energierückgewinnungs-Mappings und der Programmierung der Motorsteuerung (ECU) sehen Teams und Experten den Schlüssel zu einem guten Ergebnis.

Wer es schafft, bei geringem Energieaufwand trotzdem schnell unterwegs zu sein, sollte mit der Vergabe der vorderen Ränge zu tun haben. Doch das Thema ist kompliziert, die Teams befinden sich noch immer am Beginn der Lernkurve, wie Heidfeld weiß: "Nach den Testtagen ist die Batterie und die Rekuperation für die meisten noch Neuland. Dementsprechend viel gibt es noch zu erproben und zu lernen."

Nicht immer Vollgas

Heidfeld erläutert weiter: "Wir können nicht die ganze Zeit Vollgas geben. Und wir müssen probieren, auf der Bremse so viel Saft wie möglich zurückzugewinnen." Dafür steht den Fahrern neben der Rekuperation über die Betätigung des Bremspedals auch eine Wippe am hinteren Teil des Lenkrads zur Verfügung. Betätigt der Fahrer dieses Paddel, so bremst der Motor lediglich die Hinterräder ab. Maximal dürfen 200 kw zurückgewonnen werden. Wann welche Form der Energierückgewinnung eingesetzt wird, ist kompliziert und bedarf einer Menge Feintuning.

Zu seinen Siegeschancen in der neuen Formel E möchte sich der Ex-Formel-1-Fahrer nicht konkret äußern. Zwei Favoriten hat er aber bereits: "Abt und eDams scheinen stark zu sein."

Ein gutes Ergebnis in China könnte auch mit dem sogenannten Fan-Boost zusammenhängen, der drei Fahrern während des Rennens 30 kw-Mehrleistung für 5 Sekunden pro Auto garantiert. "Ich finde es toll, die Fans einzubinden", sagt Heidfeld, der jedoch auch die Kehrseite der Medaille sieht: "Aus Fahrersicht ist es unfair, denn es hilft nur drei Piloten beim Überholen."