Porsche-Formel-E-Fahrer im Interview
„Monaco hat uns wehgetan“

Die Porsche-Fahrer Pascal Wehrlein und André Lotterer sprechen über die Gen3-Autos und über die aktuelle Saison. Beide glauben noch an den WM-Titel. auto motor und sport hat mit den Werksfahrern vor dem Formel-E-Rennwochenende in Berlin gesprochen.

Porsche Formel E Pascal Wehrlein André Lotterer Interview
Foto: Porsche

Tempelhof ist kein klassischer Stadtkurs, wie zuvor Monaco. Wie unterschiedlich ist das Rennfahren hier und wie wirkt sich das auf das Energie-Management aus?

Wehrlein: Insgesamt kommt es einem nicht wie ein typischer Formel-E-Stadtkurs vor. Die Wände sind nicht so nahe, es ist eher eine hybride Rennstrecke. Beim Energie-Management macht das keinen großen Unterschied. Wenn man den Berg rauffährt, muss man ihn auch wieder runterfahren. Hier ist alles topfeben. Im Simulator haben wir uns gut darauf vorbereitet.

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Lotterer: Das Fahren hier ist nicht einfach, auch wenn es auf dem Papier einfacher ausschaut. Der Bodenbelag hat es in sich, in Kombination wie die Reifen darauf reagieren, und 90-Grad-Kurven sind gut für ein E-Auto. Längere Kurven sind schwieriger für die Profilreifen. Hinzu kommt, dass die hier ziemlich gestresst werden. Es ist technisch eine schwierige Strecke.

Wie läuft die Kommunikation vor dem Attack-Mode zwischen Team und Fahrer ab und wie viel Einfluss haben Sie da selbst?

Lotterer: Viel Kommunikation vom Team, weil sie die Abstände überwachen und schauen, wann der richtige Moment ist, um den Attack-Mode einzusetzen. Wir als Fahrer müssen das meiste daraus machen, denn wenn man zu viel pusht im Attack-Mode, ist der Energieverbrauch höher. Aber es ist natürlich eine Situation, in der man erst versucht, wenige Plätze zu verlieren, und dann viele Plätze zu gewinnen und dabei trotzdem sparsam zu sein. Es ist strategisch immer interessant.

Porsche Formel E Pascal Wehrlein André Lotterer Interview
Porsche
Pascal Wehrlein und André Lotterer fühlen sich für die technisch anspruchsvolle Strecke in Berlin gut vorbereitet.

Wie gefällt Ihnen die Abwechslung beim Einsetzen des Attack-Modes? Es gibt die Varianten einmal acht Minuten oder zweimal vier Minuten.

Wehrlein: Auf jeden Fall ist die bessere Option zweimal vier Minuten. Einmal acht Minuten hatten wir diese Saison zum Beispiel in Rom und bei mir ging’s ehrlich gesagt komplett in die Hose. Ich habe ihn aktiviert und 20 Sekunden später war das Safety-Car auf der Strecke. Ich konnte den ganzen Attack-Mode null ausnutzen. Das finde ich etwas schade, wenn ein anderer zum richtigen Zeitpunkt den Attack-Mode einsetzt und nicht dieses Pech hat. Das ist schon ein Riesenvorteil. Deshalb sind zweimal vier Minuten okay. Das ist dann ein bisschen fairer aufgeteilt.

Nächste Saison kommt die dritte Auto-Generation ("Gen3"). Wie weit sind Sie als Fahrer in die Test- und Entwicklungsarbeit involviert?

Wehrlein: Wir sind voll involviert. Es geht jetzt bald los mit Simulator- und Testfahrten. Das findet dann parallel zur aktuellen Rennsaison statt, wir werden also einen "busy" Sommer haben. Aber wir freuen uns alle darauf. Es ist eine Challenge, alles unter einen Hut zu bekommen, weil man natürlich das Beste aus der aktuellen Saison herausholen will, aber für das nächste Jahr schon gut vorbereitet sein möchte.

Lotterer: Momentan liegt der Fokus noch voll auf dieser Saison und diesem Rennen. Aber wie Pascal gesagt hat, geht es bald los. Wir haben auch unsere Testfahrer (Simona de Silvestro und Neel Jani, Anm. d. Red.), die uns dabei entlasten können, um die Arbeit sich aufzuteilen.

Aus Fahrersicht: Wie gefällt Ihnen das Konzept der Gen3 mit Blick auf die Optik und die Technik? Geht das schon weit genug?

Lotterer: Die Technik ist auf jeden Fall ein Riesenschritt nach vorne und das Auto ist sehr effizient. Der Look ist auch ein Schritt in eine andere Richtung. Es wird individueller, um der Formel E eine neue Identität zu geben. Es schaut auf jeden Fall interessant aus. Manchen gefällt es, manchen nicht, aber was wirklich wichtig ist, ist die Performance.

Wehrlein: Das würde ich so unterschreiben. Für uns Fahrer ist natürlich die Technik das Interessanteste: leichtere, schnellere und effizientere Autos. Auch kleinere Autos, was den Stadtkursen deutlich besser liegen sollte, da man leichter überholen kann. An den Look muss man sich gewöhnen.

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Nach dem Rückschlag beim letzten E-Prix in Monaco wollen die Werksfahrer in Berlin wieder einen Grund zum Feiern haben.

Lucas di Grassi fordert Allradantrieb für die Formel E. Wie sehen Sie das?

Lotterer: Für den Start wäre das natürlich cool. Wir könnten theoretisch von 0 auf 100 km/h sehr schnell und sogar schneller als die Formel 1 beschleunigen. Aber das ist nicht unsere Entscheidung, das liegt bei den Herstellern und der Formel E, welchen Plan die auch für die nähere Zukunft haben.

Der bisherige Saisonverlauf ist ein bisschen ein Auf und Ab. Wieso konnten Sie noch keine Konstanz in Ihre Ergebnisse einbringen?

Lotterer: Ich denke, bis zum Rennen in Monaco waren wir relativ konstant unterwegs – was Konstanz in der Formel E bedeutet. Aber Performance war immer da, ob es das Qualifying oder das Rennen war. Monaco war einfach ein schwarzes Wochenende. Es gibt vielleicht einen, zwei oder drei Fahrer, die besonders konstant sind dieses Jahr. Aber ansonsten sind wir relativ gut unterwegs.

Wehrlein: Finde ich auch. Wenn wir an Monaco denken und sehen, dass wir dort ein sehr gutes Resultat verloren haben, dann wären wir deutlich näher dran an der Spitze. Die Tabelle spiegelt nicht wider, wie unsere Performance die ersten sechs Rennen war.

Das Ziel ist für eine Marke wie Porsche der Titel. Wie schätzen Sie die Chancen mit 38 beziehungsweise 39 Punkten Rückstand auf den WM-Führenden Stoffel Vandoorne ein?

Wehrlein: Es ist noch alles drin. Nach diesem Wochenende in Berlin haben wir gerade einmal die Hälfte der Saison rum. Monaco hat uns natürlich wehgetan, weil der Rückstand größer geworden ist. Aber auch die anderen Teams werden mal ein schlechtes Wochenende haben. Das gehört einfach dazu. Wir haben auch gezeigt, dass wir Rennen gewinnen können. Wir machen genau so weiter. Wir sind motiviert, lernen immer noch dazu und wollen uns weiterhin verbessern.

Lotterer: Wir haben uns immer gut qualifiziert. Das heißt, dass wir auf allen Strecken ein gutes Auto haben. Wir sind immer Kandidaten, um in die Punkte zu fahren, und wenn alles gut läuft, auch ganz vorne zu landen. Deshalb ist die Hoffnung realistisch, am Ende ganz oben zu sein.

Gibt es mit Blick auf das LMDh-Projekt von Porsche den Plan oder den Wunsch, in Zukunft daran teilzunehmen?

Lotterer: Momentan liegt mein Fokus voll auf der Formel E. Die Rennen finden im Zwei-Wochen-Takt statt und zusätzlich verbringe ich noch vier Tage im Simulator. Aber natürlich ist Le Mans ein heißes Rennen und ich denke, dass sich viele Fahrer wünschen, dort zu fahren. Egal ob dort oder in der Formel E, ich bin bei Porsche in guten Händen. Aber ich kann dazu noch nichts sagen.

Wehrlein: Das ist ein Rennen, das jeder Rennfahrer mal fahren möchte. Aber ich glaube, ich habe noch ein bisschen Zeit in der Zukunft, es eines Tages zu machen.

Lotterer: (schmunzelt) Meinst Du, das ist was für Ältere?

Wehrlein: (lacht) Nein, ich meine, ich habe noch zehn, zwölf oder 15 Jahre Zeit.

Lotterer: Stimmt, ich war das erste Mal in Le Mans mit 29 oder 30 Jahren.

Wehrlein: Siehst Du, vielleicht bin ich sogar vor Dir noch dort.

Lotterer: Wer weiß.