Alle Formel-E-Renner in der Galerie
Wie gut sind Mercedes und Porsche?

Die Formel E erlebt einen noch nie da gewesenen Prestigekampf der deutschen Hersteller Audi, BMW, Mercedes und Porsche. Dabei ist es keineswegs sicher, dass die Deutschen den Titel unter sich ausmachen. Wir zeigen Ihnen die neuen Autos.

Geox Dragon - Formel E - 2019
Foto: Formel E

Viel Feind, viel Ehr. Das klingt ein wenig abgedroschen? Mag sein. Es entspricht aber der Lebenswirklichkeit in der Formel E. Neun Hersteller, darunter die deutsche Elite, bestehend aus Audi, BMW, Mercedes und Porsche, machen sich hier das Leben sauer. Auf dem Formel-E-Gefechtsfeld treffen sie unter anderem auf die Teams von Jaguar und Nissan sowie auf die extrem erfolgreiche chinesisch-französische Équipe DS Techeetah, den Titelverteidiger in Fahrer- und Teamwertung. Dazu gesellen sich schlagkräftige Privatteams wie Envision Virgin. Das Audi-Kundenteam belegte in der letztjährigen Teammeisterschaft den mehr als respektablen dritten Platz.

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Alle Fahrer gegen Titelverteidiger Vergne

Die Statistik liefert den Beweis für die unglaubliche Leistungsdichte. Im letzten Jahr gelang es acht von elf Teams, wenigstens einen Sieg zu erringen. Die Entscheidung im Kampf um den Fahrertitel fiel erst im letzten Saisonrennen in New York. Der Franzose Jean-Éric Vergne schnappte sich zum zweiten Mal in Folge den größten Pokal. Eine großartige Leistung, die auch deswegen besonders bemerkenswert ist, weil sein Techeetah-Team vor der letzten Saison den Partner für die Antriebstechnik gewechselt hatte, weg von Renault, hin zu DS, der Tochtermarke von Citroën.

Es verwundert nicht, dass Porsche und Mercedes, die Newcomer im Formel-E-Business, den Ball erst mal ziemlich flach halten, wenn sie ihre Erwartungen für die Saison 2019/2020 spezifizieren: „Wir werden eine Lernkurve haben“, sagt Porsche-Technikvorstand Michael Steiner. Von Welpenschutz für seine Formel-E-Piloten André Lotterer, der vom Spitzenteam DS Techeetah kam, und für Neel Jani will der Topmanager allerdings nichts wissen: „Ich hoffe und ich gehe davon aus, dass die Lernkurve im Lauf des Jahres nach oben geht. Siege kann man in der ersten Saison nicht zwingend erwarten, die Siegfähigkeit zu belegen, schon.“

Bei den Testfahrten in Valencia im Oktober gingen die beiden Piloten ans Limit – und drüber hinaus: Beide krachten in der eigens installierten Schikane in die Betonwand. Janis Crash war so heftig, dass das Monocoque gewechselt werden musste. Mauerküsse an dieser vertrackten Stelle waren beim Test keinen Seltenheit: Auch vier weitere Fahrer erwischte es dort. „Wenn du hier was riskierst, kannst du locker zwei Zehntelsekunden gewinnen“, sagte Champion Jean-Éric Vergne, „aber du landest halt ziemlich schnell unsanft im Beton.“

Mercedes gewinnt Testrennen

Mercedes hat gegenüber dem Stuttgarter Konkurrenten einen kleinen Erfahrungsvorsprung. Das Einsatzteam HWA war 2018/2019 unter eigener Flagge in der Formel E unterwegs, wenn auch mit überschaubarem Erfolg: 44 Punkte reichten nur für Platz neun in der Teamwertung.

Toto Wolff, der oberste Mercedes-Motorsportler, war früher extrem skeptisch in Bezug auf die Formel E: „Ich habe anfangs nicht gedacht, dass sie überleben wird.“ Jetzt geht die Elektroserie in ihre sechste Saison, und Mercedes ist mit Ex-Formel-1-Fahrer Stoffel Vandoorne und dem aktuellen Formel-2-Champion Nyck de Vries mit von der Partie.

„Obwohl alle Vorzeichen gegen die Formel E sprachen, hat sich die Serie sehr gut entwickelt“, sagt Wolff. Ian James, der Formel-E-Chef von Mercedes, ist bei seinen Prognosen vorsichtig: „Wir geben alles dafür, erfolgreich zu sein. Aber wir wissen: Eine Lernkurve liegt vor uns.“

Grund zum Optimismus für Mercedes gab das Testrennen, das am zweiten Testtag von Valencia gestartet wurde: Es gewann Vandoorne im Elektro-Silberpfeil vor Antonio Felix da Costa, der von BMW zu DS Techeetah gewechselt ist, und Lucas di Grassi im Audi. Was dieser Sieg wert ist? Schwer zu sagen. Wie immer bei Testfahrten halten sich einige der Favoriten deutlich zurück.

Jean-Eric Vergne - DS Techeetah - Formel E
Motorsport Images
Jean-Eric Vergne will die Konkkurenz ein drittes Mal verblasen.

Starke Testvorstellung von BMW

BMW hinterließ einen sehr starken Eindruck. An zweiter Position liegend, kam Alexander Sims in der vorletzten Runde des Testrennens mit seinem BMW an die Box. Vorsichtshalber, weil der Reifenluftdruck gefallen war. Auch BMW-Neuzugang Max Günther überzeugte. Der Allgäuer lag bei (fast) allen Testsessions im Vorderfeld, und er fuhr die absolute Bestzeit.

Günther kam vom amerikanischen Dragon-Team des bisweilen etwas sprunghaft agierenden Jay Penske. Der US-Zeitschriftenmillionär wollte Günther in der letzten Saison keine Stammfahrergarantie geben. Dennoch gelang es ihm, sich mit seinen Leistungen bei BMW-Sportchef Jens Marquardt zu empfehlen. Sein starkes Debüt kommentierte Günther bescheiden: „Ich fühlte mich wohl im Auto. Aber es sind ja nur Testfahrten.“

Susie Wolff, die Ehefrau des Mercedes-Managers, leitet seit einem Jahr das Venturi-Team. Die monegassische Equipe fährt jetzt mit Mercedes-Antrieb. ZF, der langjährige Partner, hat sich seinerseits auch nach einer zuletzt schwierigen Saison mit vielen Ausfällen einen neuen Partner gesucht. Der deutsche Zuliefergigant paktiert nun mit dem Mahindra-Team. Der indische Hersteller vertraut erneut auf den Ex-Formel-1-Fahrer Pascal Wehrlein aus Sigmaringen.

BMW Andretti - Formel E - 2019
BMW
Das BMW-Andretti-Team startet bereits in seine zweite Formel-E-Saison.

Audi hält an Fahrerduo fest

Zu den Mannschaften, die in der letzten Saison positiv überraschten, gehört Nissan. Das Renault-Nachfolgeteam holte mit Sébastien Buemi Platz zwei in der Fahrermeisterschaft. Als einziges Team nutzte Nissan eine Lücke im Reglement clever aus und verwendete einen Doppelmotor. Eines der Triebwerke arbeitete wie ein Schwungrad-Energiespeicher. Diese Technik-Delikatesse ist jetzt verboten. Fahrer Buemi ist darüber nicht traurig: „Das Auto ist jetzt viel leichter zu fahren.“

Buemi bestätigt jetzt durch die Blume, dass der Doppelmotor Tücken hatte: Er schob nach, auch wenn der Fahrer vom Gas ging. Stimmt es, dass diese Unart des Antriebs zu mindestens einem Mauerkuss geführt hat, Herr Buemi? Der Schweizer lächelte vielsagend – und schwieg.

Audi praktiziert Traditionspflege: Auch in der sechsten Saison vertraut man unverändert auf das Fahrerduo Lucas di Grassi und Daniel Abt. Der Sohn des Kemptener Rennstallbesitzers setzte sich teamintern gegen Nico Müller durch. Der Schweizer, DTM-Vizechampion und zuletzt auch als Audi-Testfahrer in der Formel E dabei, heuerte daraufhin bei Dragon Racing an, natürlich mit dem Plazet von Audi-Sportchef Dieter Gass.

Von einem Prestigeduell der vier deutschen Premium-Hersteller will Gass nichts wissen: „Wir wollen gewinnen. Und dazu müssen wir alle schlagen, nicht nur die Deutschen.“ Doch Gass ist auch vorsichtig. In Anspielung auf die gigantischen Budgets in der Formel 1 gibt er zu bedenken: „Du kannst dir den Titel in der Formel E nicht kaufen.“ Dies läge auch am Qualifying-Format. Nach wie vor müssen die Punktbesten als Erste auf die Strecke gehen, was mangels Grip häufig zu einer Startaufstellung führt, die die wahre Leistungsfähigkeit der Teams nicht ganz korrekt widerspiegelt.

Während sich die Teams beim Valencia-Test in gewohnter Professionalität präsentierten, unterlief den auf ihr grünes Image so erpichten Organisatoren der Ökoserie bei der Ladeinfrastruktur ein schlimmer Lapsus. Rote Warnaufkleber auf den Tanks verrieten, dass die eigens herbeigekarrten gigantischen Stromaggregate mit einer kumulierten Leistung von 1.800 kW mit hundsgewöhnlichem Diesel betrieben wurden. Seltsam. Denn die Formel E ist sehr stolz darauf, dass Generatoren bei den Rennen mit umweltfreundlichem, weil fast CO2-neutralem Glycerin gefüttert werden.

In der Galerie zeigen wir Ihnen die 12 neuen Formel-E-Renner für die Saison 2019/2020 im Überblick.