Nio ET7 Elektro-Limousine
Bis zu 580 km Reichweite und ab 69.900 Euro

Nio bläst mit der Hightech-Elektro-Limousine ET7 zur Attacke auf Tesla Model S und Mercedes EQS. Nun stehen die Kaufpreise für Deutschland fest.

9/2021, Nio ET7 Sitzprobe 09-2021
Foto: Bernd Conrad

Bislang gab es von Nio ausschließlich SUVs, doch nun greifen die Chinesen auch mit einer Limousine an. Der Nio ET7 ist explizit als Flaggschiff positioniert und zielt mit einer Länge von knapp über fünf Metern auf das Segment, in dem aktuell noch das Tesla Model S, der Mercedes EQE und EQS sowie der Porsche Taycan relativ ungestört um Kundschaft buhlen. Auffällig ist das zurückhaltende Design, das zudem mit einem sehr guten cW-Wert (0,21) aufwarten soll.

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Den ET7 gibt es ausschließlich mit Allradantrieb. An der Vorderachse zieht ein 180 kW starker Elektromotor (permanenterregt), hinten schiebt eine 300 kW starke E-Maschine. Die Systemleistung beträgt 480 kW (653 PS), das maximale Drehmoment bei 850 Newtonmetern. Für den Standard-Sprint verspricht Nio eine Zeit von 3,8 Sekunden. Die Abmessungen: Die Gesamtlänge liegt bei 5.098 mm, der Radstand bei 3.060 mm. Die Breite gibt Nio mit 1.987 mm an.

Nio plant bis zu 1.000 km Reichweite

Spannend sind Akkugrößen und -Technik sowie die Reichweiten. Das Basismodell kommt mit einem 75 kWh-Akku, der nach WLTP für 385 bis 445 Kilometer reichen soll. Die 100 kWh-Version schafft zwischen 505 und 580 Kilometer. Später soll ein komplett neuer, 150 kWh großer Akku-Pack sogar Reichweiten von mehr als 1.000 Kilometern ermöglichen. Die Akkus können an den einzigartigen Batterie-Wechselstationen getauscht werden. Nio kündigt zudem an, dass der ET7 perspektivisch mit Feststoffbatterien kommen soll, die über eine Energiedichte von bis zu 360 Wattstunden pro Kilogramm verfügen sollen. Das wären rund 40 Prozent mehr, als Tesla im Moment zur Verfügung hat.

Nio ET7 Elektro-Limousine 2022
Nio
Im Innenraum bleibt der Look so minimalistisch wie beim Exterieur; schon bei den Nio-SUVs war es den Designern wichtig, extrem viel Komfort und Platz zu schaffen.

Im Innenraum bleibt der Look so minimalistisch wie beim Exterieur. Schon bei den Nio-SUVs war es den Designern wichtig, extrem viel Komfort und Platz zu schaffen. Neu sind nachhaltige Materialien. So kommen im ET7 erstmals Dekorelemente zum Einsatz, die auf nachwachsendem Rattan (Karuun) basieren. Im ET7 kommt zudem die nächste Version des digitalen Assistenten Nomi zum Einsatz. Der guckt als kleines Display-Gesicht aus der Mittelkonsole und kann mit den Passagieren interagieren. Für die Steuerung durch den Fahrer setzt Nio auf einen 12,8 Zoll großen Touchscreen. Dank des 1,9 Quadratmeter großen Panorama-Dachs haben auch die Passagiere hinten einen freien Blick in den Himmel. Das erste in einem Auto verbaute 7.1.4-Sound-System besorgt dann den Rest.

Rechen-Power von Nvidia

In Sachen Rechner-Power kooperiert Nio mit dem Chip-Giganten Nvidia. Im ET7 verbauen die Chinesen vier Orin-Chips und schaffen auf diese Weise pro Sekunde 1.016 Tensor-Operationen (TOPS). Die Orin-Chips sind das Herzstück des neuen Bordrechners, den Nio Adam getauft hat.

Beim Thema autonomes Fahren geht Nio neue Wege. Aktuell bewegt sich der ET7 auf Autonomie-Level 2 vorwärts. Die Hardware für (mindestens) Level 3 ist aber immer mit an Bord und mehr als üppig dimensioniert. Neben einem LIDAR-Sensor über der Frontscheibe ("Watchtower"-Position) verbaut Nio elf Video-Kameras, die mit acht Megapixeln auflösen. Zum Vergleich: Die Kameras, die Tesla einsetzt, schaffen nur 1,2 Megapixel. Das Gesamtsystem nennt Nio Aquila; einer ursprünglichen Ankündigung zufolge wollte der Hersteller dafür eine Monatsmiete von umgerechnet knapp 90 Euro verlangen.

Batterie zum Kaufen oder Mieten

Thema Preis: Für den ET7 verlangt Nio in Deutschland mindestens 69.900 Euro. Dann ist aber noch keine Batterie an Bord. Für den 75-kWh-Akku rufen die Chinesen entweder 12.000 (Kauf) oder 169 Euro (Monatsmiete) auf. Wer den 100-kWh-Energiespeicher wählt, zahlt einmalig 21.000 oder monatlich 289 Euro extra. Allerdings kommen nur Mieterinnen und Mieter der Batterien – bisher allerdings nur jene der 75-kWh-Variante – in den Genuss, diese auf Langstreckentouren an den "Power Swap Stations" zu tauschen.

Unabhängig vom Modell genießen ET7-Kunden laut Nio mehrere zusätzliche Privilegien, die bei anderen Nio-Modellen teilweise extra kosten: Eine lebenslange Garantie, eine kostenlose Wallbox für zu Hause, ein lebenslanger Lade-Service, eine lebenslange Mobilitätsgarantie und lebenslange Online-Funktionalitäten.

Der Nio ET7 im ersten Check

Der erste Kontakt mit dem Nio ET7 fand in einem Design-Studio statt. Schon auf den ersten Blick fällt die in sich ruhende Linienführung der über fünf Meter langen Limousine auf. Die Form verbindet das typische Markengesicht mit geteilten Scheinwerfereinheiten an der Front geschickt mit einer flachen Fließheckkarosserie. Trotz des Dachverlaufs hat der ET7 übrigens einen klassischen Heckdeckel und keine große Klappe.

9/2021, Nio ET7 Sitzprobe 09-2021
Bernd Conrad
Erste Sitzprobe im neuen Nio ET7.

Für Hobbyspediteure will sich der Nio ET7 auch mit seiner überschaubaren Variabilität nicht empfehlen. Geteilt umlegbare Rücksitzlehnen gibt es nicht. Für die Fahrt in den Skiurlaub oder zum Golfplatz gibt es immerhin eine Durchreiche nach vorne.

Die Griffe in den Türen, in denen rahmenlose Seitenscheiben stecken, fahren elektrisch aus und ebnen den Weg in den ET7. Im Fond herrschen großzügige Platzverhältnisse für Beine und Schultern. Dem flachen Dachverlauf ist aber eine für große Menschen recht knappe Kopffreiheit geschuldet.

Vorne gibt es mehr Innenhöhe unter dem Panorama-Glasdach. Das Cockpit ist zurückhaltend flach gestaltet. Noch dezenter verhalten sich die Lüftungsdüsen. Sie liegen versteckt im Armaturenbrett. Das nachhaltige Karuun-Material sieht auch auf den zweiten Blick aus wie Holzfurnier und bietet eine angenehme Haptik.

Die großen Bildschirme waren im Prototyp noch ohne Funktion, weswegen noch kein Urteil über die Menüführung und die Reaktionsgeschwindigkeit möglich ist. Sowohl das 10,8-Zoll-Display hinter dem Zweispeichenlenkrad als auch der große Monitor in der Mittelkonsole (12,8 Zoll Bildschirmdiagonale) sind aber gut ablesbar. Auch Nomi ist an Bord. Der KI-gestützte Sprachassistent beschränkt sich bei der ersten Sitzprobe aber noch auf das Abspielen einprogrammierter Mimik und winkt ab und an freundlich in Richtung Fahrer.

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Fazit

Nio hat teils schwierige Jahre hinter sich, strotzt inzwischen aber wieder vor Selbstbewusstsein. Der ET7 ist eine echte Kampfansage an die internationale Konkurrenz: (Potenziell) Wechsel-Feststoffakkus, Nvidia-Rechenpower, Assistenzsysteme im Abo, (potenziell) bis zu 1.000 Kilometer Reichweite. Das Gesamtpaket ist im Moment einzigartig. Inzwischen hat Nio das Auto tatsächlich in Deutschland auf die Straße bekommen. Nun müssen die Chinesen zeigen, ob sich die hiesige Kundschaft von diesen Argumenten überzeugen lässt.

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