Ice Race im Porsche-Tal
Verrückt heißes Rennen in Schnee und Eis

Zell am See in Österreich ist ein malerischer Ort – nicht umsonst ist hier die Porsche-Familie zu Hause. Aber am Wochenende krachte hier eine Horde Rennverrückter über einen Eis-Parcours. Sekundenjagd im Drift – wiederbelebt von Ferdinand Porsche junior, dem Urenkel von Ferdinand Porsche.

Als Ferry Porsche 1939 bei Testfahrten durch Österreich fährt, verliebt er sich in den Ort Zell am See. Damals ist das Dorf winzig und Porsches Prototypen sind teilweise rechtsgesteuert – weil in Österreich teilweise Linksverkehr herrscht. Zwei Jahre später kauft sein Vater Ferdinand Porsche in Zell den über 600 Jahre alten Gutshof „Schüttgut“, versieht ihn mit einer Kanalisation und lebt dort mit seiner Familie weit abseits der Kämpfe und Nöte des zweiten Weltkrieges. Heute ist das Schüttgut Stammsitz der Familie Porsche, Wolfgang Porsche ist seit 2004 der Hausherr.

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In der Nähe des Gutshofs der Familie Porsche

Der Stall des Schüttguts beherbergt nach wie vor Pferdestärken – inzwischen aber in Form einer exquisiten Autosammlung. Und so sieht man in Zell am See seltene Porsche-Modelle mit dem Kennzeichen „ZE LL“, gefolgt von der passenden Modellnummer. Und zum wiederauferstandenen Ice Race lassen sich die Porsches nicht lumpen: „ZE LL 550“ fährt schick lackiert und gefühlt im Neuzustand über den Schnee, „ZE LL 918“ glänzt am Porsche-Stand am Rande des Rennens. Das Rennen selbst findet nicht auf dem See, sondern in der Nähe des kleinen örtlichen Flughafens statt – ein Vorteil für die Promis, die ständig mit Helikoptern ein- und ausfliegen: Familie Porsche hat viele Freunde. Nicht nur Rallyefahrer Walter Röhrl und Formel-1-Fahrer Mark Webber haben enorm Lust auf die einzelnen Rennen. Auch Sänger und Schauspieler David Hasselhoff schaut vorbei. Der Porsche-Fan unterhält sich gut aufgelegt mit Ferdinand Porsche junior – der Porsche-Urenkel hat zusammen mit seinem Freund Vinzenz Greger das Ice Race wiederentdeckt, nachdem es 1974 wegen eines tödlichen Unfalls mit einem falsch geparkten Räumfahrzeug eingestellt worden war.

Ice Race 2019
Gregor Hebermehl
Verwitterter Porsche 356 mit altem Ski-Gepäckträger und Holzskiern. Auch dieser tolle Renner fährt beim Ice Race mit.

Das irre Rennen auf dem Eis gab es schon 1937 mit Motorrädern, später kamen Autos hinzu. Und was für welche: So räumte der österreichische Erfinder Otto Mathé mit seinem Fetzenflieger in den 1950er-Jahren jeden Sieg ab. Außer 1958, da fiel das Eisrennen wegen zu viel Schnee aus. Der Fetzenflieger war ein von Mathé gebauter 490 Kilogramm leichter Einsitzer (Monoposto) mit 130-PS-1,5-Liter-Porsche-Motor. Mathé konnte nach einem Motorradunfall 1934 seinen rechten Arm nicht mehr bewegen, er lenkte mit seiner Schulter und schaltete mit links – Niki Lauda bezeichnet den 1995 verstorbenen Rennfahrer als Idol seiner Kindheit. Und der originale Fetzenflieger ist 2019 wieder am Start, driftet angstlos um die Kurven wie in den 1950ern.

Audi 90 und Trabant 601

Der Fetzenflieger ist spektakulär, aber das sind beim Ice Race auch viele andere Renner. Porsche, VW und Skoda machen einen großen Aufschlag, aber auch viele Privatteams sind da – schließlich kostet die Startgebühr nur einladende 60 Euro. So rast ein böser Audi 90 mit Erlkönig-Beklebung und durchgehendem LED-Leuchtbalken durchs Eis und zieht dabei eine deutlich sichtbare und riechbare Grobstaubfahne hinter sich her. Wenn er um die Kurven driftet, deckt er die Zuschauer zudem mit einem dichten Eisnebel ein. Ein Puch Typ 650 gehört zu den Publikumslieblingen – kugelig und leicht fräst sich der Kleine ehrgeizig ins Ziel. Ein Trabant 601 spurtet mit, ein Alfa Romeo Alfasud, ein Ford Escort aus den späten 1960ern und eine Porsche-356-Ratte mit zeitgemäßem Dachgepäckträger und Holz-Skiern. VW schickt seinen Twin-Golf Pikes Peak in die Eis-Rinne, am Steuer: Jochi Kleint. Kleint hat den Doppelmotor-Golf 1987 beim Bergrennen auf dem Pikes Peak beinahe zum Sieg gerast, ein paar Meter vor dem Ziel fiel der Golf wegen eines Risses in einer Schmiernippelbohrung aus. Dieses Mal ist noch schneller Schluss: Der leicht erkältete Kleint ballert mit dem über 600 PS starken Kompakten gekonnt über den Kurs – plötzlich nimmt ein ebenfalls auf der Strecke befindlicher KTM X-Bow die für Abkühlrunden gedachte Abkürzung und presst den Twin-Golf wie in Zeitlupe in die Schnee-Bande. VW nimmt den Twin-Golf sicherheitshalber aus dem Rennen, der Rallye-Weltmeister-Golf-2-GTI von 1986 hält länger durch, muss dann aber wegen einer abgescherten Hinterachse vom Eis.

Ice Race 2019
Gregor Hebermehl
Heftiger Grobstaub-Auswurf bei diesem schnellen Audi 90.

Beim grob nach Klassen wie „Touren- und Rallyewagen mit Zweirad-Antrieb“ oder „Old und Youngtimer bis Baujahr 1998“ eingeteilten Rennen fahren immer zwei Autos, jeweils eine halbe Runde versetzt, auf Zeit gegeneinander. Die am Ende übrig bleibende Paarung fährt das Finale unter sich aus, allerdings hat der Sieg nur symbolischen Charakter – hier geht es vornehmlich um Spaß. Das zeigt sich auch in der wiederbelebten Tradition einer seltenen Wintersportart: Kühne Skifahrer lassen sich bei sogenannten Skijöring-Rennen auf dem Kurs von Autos ziehen, wobei sogar echte Formel-E-Renner zum Einsatz kommen. Und in Sachen Elektroantrieb macht VW beim Ice Race eine Ankündigung: Der ID R Pikes Peak, mit dem Romain Dumas 2018 das berühmte Pikes-Peak-Bergrennen in Sensations-Rekordzeit gewann, soll im Sommer 2019 den Rekord für Elektrofahrzeuge auf der Nordschleife des Nürburgrings knacken. Dafür muss der ID R massiv umgebaut werden und seinen Namenszusatz „Pikes Peak“ hergeben. Aufs Eis darf der ID R nicht, dafür schickt Wolfsburg zum Sonnenuntergang den neuen Rallye-Polo auf die Piste. Der fährt auf die nächste Kurve zu, als wolle er in ihr einschlagen – schlägt dann aber einen 90-Grad-Haken und rast unverdrossen weiter.

Walter Röhrl fährt

Nachts fährt der Sprengwagen über die Strecke und sorgt für dickeres Eis. Schließlich fräsen die Spikesreifen der Rennfahrzeuge auch das härteste Eis ruckzuck zu Eisbrei. Teilweise ist die Strecke nur verkürzt nutzbar, weil der Untergrund kaum noch Halt bietet. Trotzdem denkt keiner ans Aufgeben – im Gegenteil: Auch die Fahrer von Vorkriegs-Autos wollen unbedingt auf die Piste. Außerdem nehmen die anwesenden Hersteller Mitfahrer mit: Wer mag, kann beispielsweise in einen Porsche 356, 911 GT3 RS oder 911 GT2 RS steigen und sich von einem prominenten Chauffeur übers Eis rasen lassen. Im 911 GT3 RS sitzt Walter Röhrl, der den Rennwagen steuert, als wäre er sein ganzes Leben nur Eisrennen gefahren.

Auch wenn es beim Ice Race hauptsächlich um Spaß geht und die in Dreierreihen um den Kurs stehenden Zuschauer jeden feiern, der sich auf das rutschige Geläuf wagt, gibt es am Ende echte Rennergebnisse. So gewinnt in der Klasse der Rallye-Fahrzeuge Skoda-Werksfahrer und WRC 2-Weltmeister Jan Kopecký auf einem Škoda Fabia R5 – Kopecký heimst zudem den Gesamtsieg ein. Bei den Buggys sichert sich Josef Vögel den Sieg. Die Klasse der Touren- und Rallyewagen mit Zweirad-Antrieb gewinnt der österreichische Rallye-Staatsmeister Kris Rosenberger auf einem KTM X-Bow. Bei den Old- und Youngtimern bis Baujahr 1998 siegt Manfred Nothdurfter mit seinem Subaru Impreza und die Klasse der Tourenwagen mit Allradantrieb entscheidet Helmut Hauser auf einem Mitsubishi Evo 10 für sich. Bei den radikalen Skijöring-Rennen triumphiert das Gespann aus Skifahrer Jürgen Stock und Mitsubishi-Evo-9-Fahrer Martin Zeller.

Alfa Romeo von Familie Porsche

Viele Renner fahren zu reinen Demonstrations-Zwecken übers Eis: Walter Röhrl heizt einen Audi Sport Quattro und einen Porsche Cayman GT4 über die kalte Strecke, der 2017er DTM-Champion René Rast kämpft mit einem Audi RS5 DTM um Traktion, Formel E-Pilot Daniel Abt zeigt, dass sein Formel E-Weltmeisterschaftswagen Audi e-tron FE04 auch auf Eis prima zurechtkommt und der siebenmalige deutscher Rallye-Meister Matthias Kahle zieht seinen hinterradgetriebenen Skoda 130 RS in einem durchgehenden Drift über die Bahn.

Ice Race 2019
Gregor Hebermehl
Auch dieser Alfa Romeo 8C 2900 aus den 1930er-Jahren nimmt am Ice Race teil. Er wurde einst von Ferdinand Porsche gekauft und ist nach wie vor in Familienbesitz.

Entspannter Spaß im Eis

Bei den historischen Rennwagen fällt nicht nur der Fetzenflieger aus, auch ein Porsche 550 Spyder, dessen Spitzname „James Dean“ Porsche lautet, gehört zu den Stars – er nahm bereits vor über 60 Jahren an den Eisrennen in Zell am See teil. Und Ferdinand Porsche hatte nicht nur Autos aus eigenem Hause, auch einen Alfa Romeo 8C 2900 nannte er sein Eigen. Kurz vor Meldeschluss erscheint dieser Renner auf der Showprogramm-Liste und fährt dann tatsächlich energisch mit. Familie Porsche hat am Rennspektakel anscheinend so große Freude, dass sie sogar seltene teure Vorkriegs-Rennwagen durch den Eiskanal brettern lässt, hier, wo auch die Produktdesign-Firma „Studio F. A. Porsche“ gegenüber dem Schüttgut von Familie Porsche sitzt.

Ice Race 2019
Gregor Hebermehl
Skijöring: Ein Skifahrer lässt sich bei hoher Geschwindigkeit von einem Auto auf Zeit über den Rennkurs ziehen. Beim Ice Race 2019 in Zell am See ist der legendäre Fetzenflieger eine der Zugmaschinen.

Fazit

Trümpfe des Ice Race in Zell am See sind die lockere Atmosphäre, der coole Rallye-Charakter und die Teilnahme von einer extrem bunten Mischung von Fahrzeugen: Vom ausgeklügelten Werksteam-Wagen bis hin zu runtergerockten Allrad-Youngtimern und leichten Buggys ist hier jeder gerne gesehen. Sollte dies so bleiben, könnte das Ice Race wieder zu einer Tradition werden.

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AUTO MOTOR UND SPORT 08 / 2024
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Erscheinungsdatum 27.03.2024

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