20 Jahre Porsche 911 GT1/98
Sauschnell und extrem selten

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Porsche feiert in diesem Jahr den 70. Sportwagen-Geburtstag. 20 Jahre ist es her, als der 911 GT1, der einstige Gipfel der Elfer-Baureihe, in Le Mans siegte. Damals passend zum 50-Jahr-Jubiläum der Sportwagen-Marke. Die Straßenversion des GT1 ist extrem selten. Eine Ausprägung baute Porsche sogar nur ein einziges Mal.

Porsche 911 GT1 (1996) - Supersportwagen - Test - AMS 1997
Foto: Hans-Dieter Seufert

Das Zeitfenster, indem Porsche den 911 GT1 baute, war in etwa so groß wie das für den 918 Spyder. 918 Stück des Hybridsupersportwagens stellte Porsche zwischen 2013 und 2015 in 21 Monaten auf die Räder. Alle 887 PS stark. Das sind wenige Exemplare. Aber 38-mal so viele, wie es vom Porsche 911 GT1 gibt. Der GT1 ist mit seinen 24 Stück einer der seltensten Porsche, der jemals das Fabrikgelände verlassen hat. Er gehört in eine Reihe mit Porsche 356 America Roadster (16 Stück), 911 SC/RS (20 Stück), 924 Carrera GTS (50 Stück) und 964 Turbo S (86 Stück). Er ist so selten wie ein Millionengewinn im Lotto. Mit dem Unterschied, dass ihn sich gut betuchte kaufen konnten.

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Porsche 911 GT1 in drei Ausprägungen

Es gibt den 911 GT1 in drei Ausprägungen. Oder anders: Man kann ihn in Modelljahre unterteilen: 1996, 1997 und 1998. Die erste Ausprägung, genannt GT1/96, baute Porsche zweimal. Die zweite, gut zu erkennen an den Spiegelei-Scheinwerfern des 996, fertigte man 21 Mal. Verkaufspreis: 1.550.000 Millionen D-Mark. Die dritte ist ein Einzelstück und steht im Porsche-Museum. Jeder GT1 hat heutzutage ein Millionen-Preisschild. Vorausgesetzt der Sportwagen ist nicht in einem grottenschlechten Zustand. Auf Auktionen wechselte der Besitzer auch gerne mal für über vier Millionen Euro. Das Einzelstück, GT1/98, dürfte da noch weit drüber liegen.

Der Porsche 911 GT1 war seinerzeit der radikalste Porsche überhaupt. Das liegt an seinen Wurzeln. Ohne den Rennsport hätte es den GT1 nie gegeben. Geschweige denn eine Straßenversion. Die war notwendig, um die Homologationsvorschriften des Motorsportweltverbands FIA zu erfüllen, um im Spitzen-GT-Sport mitmischen zu dürfen. Eigentlich beginnt die Geschichte des GT1 schon im Jahr 1991. Fünf Jahre, bevor der erste Rennwagen steht. Nach dem blamablen Formel 1-Ausstieg steht Porsche ohne weltweites Motorsport-Programm da. Es fehlt ein Flaggschiff. Porsche entschließt sich, ein GT-Programm auf Basis des 911 aufzubauen. Es müssen aber erst die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dafür führt man unzählige Gespräche mit der FIA und dem ACO. Auch in Le Mans kriselt es. Das Starterfeld ist dünn. FIA und ACO wollen Porsche als Zugpferd.

Die Zeit bis 1996 überbrückt Porsche mit unterschiedlichen Rennfahrzeugen. Durchaus erfolgreich. Mit dem Porsche 962 Dauer Le Mans GT und dem WSC Spyder glücken drei Le Mans-Siege. Keiner unter der Nennung „Porsche AG“. 1995 verwehrt Wendelin Wiedeking die Reise nach Le Mans. Weil die schwarze Null im Betriebsergebnis stehen soll. McLaren dominiert mit dem F1 GTR samt BMW-V12. Die Porsche-Kunden jammern: Mit dem 911 GT2 Evo sind sie chancenlos. Porsche-Entwicklungschef Horst Marchart und Rennleiter Herbert Ampferer sprechen beim Vorstand vor, mit dem Ziel, endlich den ganz großen GT-Kracher aufzulegen. Der 911 GT1 wird geboren und innerhalb von neun Monaten, zwischen Juni 1995 und März 1996 aufgelegt.

GT1 mit Schnauze des 993-Carrera

Um sich aufwendige Crashtests zu ersparen, setzt Porsche auf ein Hybridchassis. Der Stahlblech-Vorderwagen ist der des Serien-Carrera, Baureihe 993. Hinter das Cockpit flanschen die Ingenieure einen Rohrrahmen. Der GT1 sieht aus wie ein plattgedrückter Elfer. Er ist nicht nur flacher, sondern auch um 21 Zentimeter breiter. Auch der Radstand von 2.500 Millimeter ist länger. Die Revolution ist die Einbaulage des doppelt aufgeladenen 3,2-Liter-Sechszylinder-Boxer: Das Kraftpaket mit 600 PS sitzt vor der Hinterachse. Und er ist wasser- statt luftgekühlt. Der GT1 ist Porsches erster Elfer mit Mittelmotor. Warum? Weil die Anordnung erst Motor, dann Getriebe bessere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Aerodynamik gewährt.

Im Januar 1996 lieferte Zuffenhausen die ersten Chassis nach Weissach. Das erste diente, den GT1 für die Straße zu typisieren. Nummernschild: BB-GT-196. Die Typabnahme erfolgte, so schreibt es Karl Ludvigsen in seinem Buch „Porsche – Excellence was expected. Perfektion ist selbstverständlich“, am 18. April 1996. Der GT1 ist weiß, trägt Sportsitze im Innenraum, das Armaturenbrett und die Fußmatten des 911. Die Türen sind bis auf die hellroten Öffner quasi nackt. Um den Einstieg zu vereinfachen, zieht Porsche die Rohre des Sicherheitskäfigs nach unten. Porsche verbaute nicht den 3,2-Liter-Biturbo-Wüterrich. Sondern laut Ludvigsen einen unaufgeladenen Carrara-Sechszylinder mit 3.249 cm³ Hubraum und 300 PS. Mit Beginn der Auslieferung trugen die Straßenversionen dann aber den Rennmotor. In Le Mans gelingt Porsche 1996 mit den GT1-Rennversionen ein zweiter und dritter Platz. Für die kommende Saison spendiert man dem Rennwagen ein Update. Davon ist auch die Straßenversion betroffen. Sie trägt jetzt die Scheinwerfer des 996.

Porsche 911 GT1 mit 544 PS

Es gibt kaum tiefgreifende Datensätze vom Straßenmodell GT1/96. Das Porsche-Museum hatte zum Beispiel keine. Dafür bestehen umso mehr Datensätze von der 97er Version, die Porsche 21 Mal baute und ab Mai 1998 auslieferte. Zum Glück durfte auto motor und sport einen GT1/96 im Jahr 1997 testen. So konnten wir Testdaten erheben.

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Deshalb können wir zwischen der Urversion und dem Evo-Modell vergleichen. 544 PS stark sind sie beide. Die Leistung schüttet der Über-Elfer bei 7.000/min auf die Hinterachse. Der Biturbo stopft bei 4.250/min maximal 600 Newtonmeter ins Sechsganggetriebe. Das Sperrdifferential hat unter Last eine Wirkung von 40 Prozent. Und im Schiebebetrieb eine Wirkung von 60 Prozent. Weitere Einblicke in den Antriebsstrang: zwei oben liegende Nockenwellen pro Zylinderbank, vier Ventile pro Zylinder, elektronische Kraftstoffeinspritzung, 172 PS/Liter, Trockensumpfschmierung, 12 Liter Ölinhalt.

Der GT1/96 beschleunigt in unserem Test, den Sie in der Edition „Die sportlichen Porsche“ lesen können, in 3,9 Sekunden auf 100 km/h. Die 200er Marke knackt er nach 10,5 Sekunden. Porsche gibt die Fahrleistungen des GT1/97 mit 3,7 Sekunden und 10,4 Sekunden an.

Der GT1/96 und GT1/97 sind mit 4.710 Millimetern gleich lang. Das Evo-Modell ist mit einer Breite von 1.980 Millimetern um drei Zentimeter breiter. In der Höhe trennen sie drei Millimeter (GT1/96: 1.170 mm, GT1/97: 1.173 mm). Selbst kleine Knirpse können über den GT1 schauen. Den Mittelmotorelfer fangen 380 Millimeter große Stahlbremsscheiben ein. Vorne packen 8-Kolben-Sätteln, hinten 4-Kolben-Sättel zu. Der GT1 steht auf 18-Zoll-BBS-Felgen mit Reifen der Sorte Pirelli P Zero. Federn und Dämpfer stimmte Porsche weicher ab. Das Fahrwerk legte man etwas höher. Die Tankgröße schrumpfte von 100 Liter (Rennauto) auf 73 Liter. In unserem Test kippte sich der GT1/96 zwischen 16 und 29 Liter Super Plus in die sechs Brennkammern. Alle 10.000 Kilometer ist eine Inspektion fällig.

Wenig Daten zum GT1/98

Weil man auch 1997 an Le Mans gescheitert war, krempelte Porsche das Konzept um. Die Ingenieure radikalisierten den GT1. Sie entrümpeln das Hybridchassis und stellen auf eine Carbonstruktur um. Es ist der GT1, der den leichten Werkstoff in Serien-Porsche salonfähig macht. Ab der Schottwand rückwärts besteht weiter das Rohrgeflecht. Die Rennversion geht zugunsten der Aerodynamik in die Länge, wird breiter, duckt sich dafür aber tiefer. Die Datensätze zur einzigen Straßenversion GT1/98 sind äußerst spärlich. Porsche nennt Motor (6-Zylinder-Boxer-Biturbo), Hubraum (3.163 cm³); Leistung (544 PS) und Höchstgeschwindigkeit (310 km/h). Äußerlich sind die Unterschiede zum Vorgänger deutlich sichtbar: Der GT1/98 trägt Kiemen auf den vorderen Radhäusern, neue Schweller und Schürzen. Die vordere Haube integriert einen Lüftungsschlitz. Der Heckflügel ist anders. Die Rückspiegel bleiben groß. Weil es keine Heckscheibe gibt.

Porsche 911 GT1/98 - Straßenversion - Porsche Museum
Haupt
Unikat: Porsche 911 GT1 von 1998.

Der GT1/98 ist nicht nur ein Unikat und ein Geheimniskrämer. Und ein Le Mans-Sieger: 1998 feierte Porsche mit ihm einen Doppelsieg. Passend zum 50. Ferry Porsches 356 Roadster wurde am 8. Juni 1948 in Österreich zugelassen. Nach dem Triumph verlässt Porsche die große Langstreckenbühne. Mitunter aus Kostengründen. Der damalige Projektleiter Norbert Singer erinnert sich: „Die Kostenexplosion war der Pferdefuß des GT-Rennsports. Man wollte einerseits die Kosten niedrig halten, andererseits musste man ein Straßenauto homologieren. Irgendwann war es halt so weit, dass man ein Rennauto baute und danach Unmengen an Geld ausgab, um für ein einziges Auto die Straßenzulassung zu erhalten. Dafür war ein unbändiger Aufwand nötig. Und wofür? Dann kann man gleich einen Prototypen bauen.“

Das Ende des GT1 ist gewissermaßen der Anfang des Porsche Carrera GT. Dazu der frühere Porsche-Rennleiter Herbert Ampferer: „Ich sprach nach dem Le Mans-Sieg 98 mit Wendelin Wiedeking. Er lehnte ein weiteres Mal Le Mans ab. Er fragte mich: “Wer sind wir eigentlich?„ Ich antwortete: “Der größte Sportwagenhersteller der Welt.„ Na dann, antwortete er, beweisen wir es.“ Die Motorsportabteilung durfte an einem Rennwagen arbeiten, der nie in Le Mans fuhr. Er wurde von einem 5,5-Liter-V10 angetrieben. Die Basis für den V10 des Carrera GT. Die Motorsportabteilung half, den Supersportwagen zu entwickeln.

Einen ausführlichen Rückblick auf den Renn-GT1 finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe von sport auto, die Sie hier kaufen können.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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