Porsche Cayman S und Boxster S als Gebrauchtwagen
Boxer-Power mit rund 300 PS für 20.000 Euro?

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Die Einsteiger-Modelle aus Stuttgart-Zuffenhausen versprechen volles Porsche-Feeling. Was können die Mittelmotor-Sportwagen Boxster S und Cayman S, wenn sie in die Jahre gekommen sind und nur noch die Hälfte des ehemaligen Neupreises kosten?

Porsche Cayman S, Porsche Boxster S, Austellungsraum
Foto: Arturo Rivas

Wenn ehemalige Supertest-Helden in die Jahre kommen, ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Fotografisches Blitzlichtgewitter? Vergangenheit. Statt Nordschleife, Hockenheim und Windkanal wird plötzlich der Gebrauchtwagen-Parkplatz zur Heimatadresse. Ein hartes Los - aber unvermeidbar. Die Kehrseite der Medaille? Günstige Preise.

Hoher Wertverlust bei Porsche Cayman und Porsche Boxster

Während der Porsche Boxster S im sport auto-Supertest 12/2009 noch mit einem Testwagenpreis von 93.023 Euro schockierte, steht gut drei Jahre später ein vergleichbares 2009er Exemplar mit 310- PS-Motor für unter 35.000 Euro parat. Okay, der carreraweiße Roadster von Koberstein Automobile im schwäbischen Schorndorf hat schon gut 90.000 Kilometer auf der Uhr. Er ist auch nicht so opulent ausgestattet wie der ehemalige Testwagen. Aber zentrale Features wie PASM-Fahrwerk, Schaltwegverkürzung, 19-Zoll-Turbo-Räder mit neuen Michelins und sogar ein Klappenauspuff erweisen sich als Lockmittel erster Güte.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Wer 10.000 Euro weniger investieren möchte, greift zum Porsche Cayman S. Moment mal, keine 25 000 Euro für das Krokodil unter den Porsche? Kein Problem, dafür erhält man ein gut sieben Jahre altes 295-PS-Coupé mit gut 100.000 Kilometern Laufleistung.
Die Preise für die Porsche-Baureihe 987 sind aktuell attraktiver denn je. Wer sich im Internet oder bei den Gebrauchtwagenhändlern umschaut, entdeckt Angebote bereits um die 20.000 Euro.

Klar, dass in dieser Preisklasse vor allem Autos mit vielen Kilometern, zweifelhafter Historie, Rechtslenker und aus Italien (Stichwort: Steuerfahndung!) auf neue Besitzer warten. Aber nur drei bis vier Tausender mehr, und schon findet man deutsche Autos vom freien Händler mit Garantie. Die beiden Sondermodelle Porsche RS 60 Spyder mit 303 PS und Porsche Boxster Spyder mit 320 PS sind naturgemäß selten und nicht billig.

Porsche Approved Gebrauchtwagen auch bei freien Händlern

Porsche-Zentren verlangen logischweise das meiste Geld für gebrauchte Porsche Boxster und Porsche Cayman mit dem Dynamik-Zusatz „S“. Dafür bieten nur sie die Porsche Approved Gebrauchtwagen-Garantie, oder? Stimmt nicht ganz, denn auch der freie Händler Koberstein vermittelt die Garantie auf Kundenwunsch.

Inhaber Klaus Koberstein: „Wir bekommen unsere gebrauchten Porsche überwiegend von deutschen Porsche-Zentren – scheckheftgepflegt und mit lückenloser Historie inklusive. Die Werksgarantie vermitteln wir dem Kunden, falls gewünscht.“ Im Falle von Porsche Boxster und Porsche Cayman kostet sie rund 1.200 Euro. In diesem Fall durchlaufen die Autos im Porsche-Zentrum den üblichen 111-Punkte-Check und haben ein oder zwei Jahre Garantie.

Je nachdem, welches Budget zur Verfügung steht: Hier entscheidet sich, ob es ein Mittelmotor-Porsche der Baureihe 987 vor oder nach dem Facelift sein soll. Ein kurzer Ausflug in die Modellgeschichte: Im November 2004 löste der Porsche Boxster S das Vorgängermodell 986 ab. Mitte 2006 wurde der 280-PS-Motor mit 3,2 Liter Hubraum durch den 15 PS stärkeren 3,4-Liter-Sechszylinder ersetzt.

Das Triebwerk mit Direkteinspritzung (DFI) und 310 PS erschien zum Facelift Anfang 2009. Im November 2005 wurde der Porsche Cayman S präsentiert. Der 295-PS-Motor wurde zum Facelift im Februar 2009 vom Direkteinspritzer mit hier 320 PS abgelöst.
In beiden Zweisitzern kommt seit 2009 auch das vom Porsche Carrera bekannte Siebengang-Doppelkupplungetriebe zum Einsatz. Seither ist die unselige Fünfgangautomatik Geschichte. Welchen Motor nehmen? Nun - bissig, drehfreudig und wohlklingend sind sie alle.

Gute Noten für Boxermotoren

In jedem sport auto-Supertest gab es praktisch nur gute Noten für die mittig längs hinter der Besatzung installierten Boxermotoren. Klar – der 3,4-Liter-DFI mit 310 respektive 320 PS ist am spritzigsten, überzeugt mit den besten Fahrleistungen und gibt sich subjektiv wie objektiv sehr Carrera-verdächtig.

Mit PDK absolvierte der Porsche Cayman S im sport auto-Supertest 12/2009 den Sprint von 0 bis 200 km/h in fixen 18,1 Sekunden (Boxster S: 19,0 s). Nur fünf Sekunden länger dauerte die anschließende Vollbremsung bis zum Stand. Die Rundenzeiten in der Grünen Hölle lagen unter 8.20 Minuten und sprechen eine deutliche Sprache. Die Konkurrenz? Klar abgeschlagen.

Die Verbrauchswerte von rund 14 Liter Super Plus erscheinen angemessen, zumal Fahrdynamik und Fahrspaß auch heute noch außer Zweifel stehen und deutlich machen: Bei Porsche Boxster S und Porsche Cayman S bekommt man wirklich viel Sportwagen fürs Geld. Viel Auto, wenig Fett: Kaum mehr als 1.400 Kilogramm brachten die beiden Kandidaten im Supertest auf die Waage – vollgetankt.

Porsche Boxster und Cayman sind agil und präzise

Das spürt man schon im ersten Kreisverkehr. Die Mittelmotorsportler von Koberstein Automobile präsentieren sich auf der Testfahrt agil und präzise wie am ersten Tag. Ein paar Kilometer später im kurvenreichen, hügeligen Hinterland wird deutlich: Der DFI-Motor des aus erster Hand stammenden Porsche Boxster S reagiert noch gieriger auf das Zucken der rechten Fußsohle.

Dank elektrisch schaltbarem Klappenauspuff lässt sich die Melodie des Porsche-Boxermotors bequem variieren – das Klangspektrum reicht von dezent und Innenstadt-tauglich bis röchelnd-jubilierend für den kleinen Umweg durch den Lieblingstunnel. Bis auf ein paar Kratzer am Einstieg wirkt der weiße Roadster praktisch neuwertig. Ein leicht hakendes Kupplungspedal stimmt etwas nachdenklich.

Porsche Boxster S mit bis zu 310 PS

Dieses Problemchen teilt er sich mit dem silbernen Porsche Cayman S, der vier Monate auf ein Porsche Zentrum lief und daher aus zweiter Hand stammt. Das Coupé wirkt noch etwas gepflegter als der Porsche Boxster S, riecht fast wie ein Neuwagen. Dafür gibt es ein paar Brandlöcher im Lederbezug des Beifahrersitzes. Von einem laut Händler fachgerecht behobenen Leitplankenschaden spürt und sieht man nichts.

Den subjektiven Eindruck einer etwas verhalteneren Dynamik bestätigt ein Blick auf die sport auto-Messwerte: Nahezu eine Sekunde hängt der Porsche Boxster S mit 310 PS den Porsche Cayman S mit 295 PS ab. Dennoch schiebt der Einsteiger-Porsche ordentlich an und läuft Spitze 275 km/h. Doch welches Triebwerk auch installiert ist: Begeisterung weckt das feinnervige Ansprechverhalten der Sechszylinder-Saugmotoren – da wird ein Vierzylinder-Turbo wohl in 100 Jahren nicht mithalten können.

In puncto Zuverlässigkeit gilt es, bei beiden in Finnland montierten Schwaben die Schaltzüge zu beachten, häufig gammeln sie schon ab Kilometerstand 60.000. Leider spielt der Porsche-Klassiker Kurbelwellen-Simmering nicht nur beim Modell 996, sondern auch beim Porsche Cayman S und Boxster S eine Rolle.

Weitere Auffälligkeiten der Porsche-Modelle sind die Wasserpumpe (undicht) und die Koppelstangen der Stabis (Klappern bei hohen Laufleistungen). Wichtige, gratis durchgeführte Service-Aktionen sind der Austausch des Handbremshebels bei 2006er Modellen, des Kupplungspedalschalters (2008 - 2011) sowie der Kraftstoffhochdruckpumpe (2009 - 2010).

Vorfacelift gegen neuere Modelle

Auch wenn die Inspektionskosten und Versicherungstarife von Porsche Cayman S und Porsche Boxster S unter denen des Konkurrenten BMW M3 E 46 liegen, muss man beachten: Die Ausgaben für Ersatz- und Verschleißteile können je nach Baugruppe große Löcher im Portemonnaie hinterlassen. Auffällig ist, dass die Modelle vor dem Facelift schmerzhaftere Kosten verursachen als danach.

Überraschung: Durch technische Umstellungen wurden einige Komponenten der Porsche-Modelle der Baureihe 987 drastisch günstiger. Beispiel Lichtmaschine: Beim Direkteinspritzer kostete das Austauschteil 291 Euro, beim Vorgängermotor dagegen 798 Euro. Nicht unwichtig, wenn ein Auto mit hoher Laufleistung in die engere Wahl genommen wird.

Nahezu doppelt so teuer ist auch das Schaltgetriebe: Für den "Alten“ ist nur ein 7.514 Euro teures Neuteil lieferbar, der Facelift-Bruder hingegen kommt mit einem Austauschteil für 3.984 Euro weiter.

Wer also nicht jeden Euro zweimal umdrehen muss und auch eher auf Sicherheit Wert legt, dem sei der Kauf eines Porsche Boxster S oder Porsche Cayman S mit Porsche Approved-Garantie ans Herz gelegt. Überraschungen (nahezu) ausgeschlossen.

Die Porsche-DNA – was hat man davon?

Das größte Pfund der beiden Mittelmotor-Porsche ist ihre Herkunft. Anders als die meisten Konkurrenten auf dem Markt sind Porsche Boxster S und Porsche Cayman S echte, ernst zu nehmende Sportwagen und keine Ableger gewöhnlicher Großserienware. Fahrdynamik und Image profitieren davon erheblich. Der Unterhalt ist Sportwagen-typisch nicht eben günstig. Einige Ersatzteile für den Sechszylinder-Boxer mit Direkteinspritzung wurden nach der Modellpflege 2009 preiswerter.

Das Preisniveau auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist ebenso attraktiv wie die Versicherungstarife. Für gut 20.000 Euro sind knapp 300 PS, Mittelmotor-Boxer, sechs Zylinder und die Stuttgarter DNA möglich. Doch ein Aspekt sollte nicht außer Acht gelassen werden: Mit einem Audi TT, Mercedes SLK oder BMW Z4 ist man angesichts des hierzulande wachsenden Sozialneids unauffälliger unterwegs.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten