Jay Lenos Garage
Eine Nacht im Museum des US-Talkmasters

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US-Fernsehstar Jay Leno ist berühmt für zwei Dinge: Da wäre einerseits seine Late-Night-Talkshow. Andererseits gibt es da noch etwas Anderes. Nämlich die gigantische, museumsähnliche Autosammlung des Talkmasters. Wir waren eine Nacht in der epochalen Garage unterwegs.

Jay Leno, Autosammlung, Hot Rod
Foto: Hans-Dieter Seufert

Wenn jeder Anfang schwer ist, dann war es dieser hier besonders. Denn Jay Leno ist keiner, den man mal eben anschreibt, um sich in seine Garage einzuladen. Hier braucht es einen Plan, der ihn neugierig macht. Und uns in seine heiligen Hallen bringt. Jay Leno ist eine Institution: bei Nacht einer der ganz großen amerikanischen Talkmaster, am Tag glühender Auto-Verehrer. Ein Typ mit fettem Haus in Beverly Hills, vollem Terminkalender und abgeklärter Assistentin.

"Alles klar, Jay Leno gefällt die Story"

Die heißt Helga und war über Monate nicht zu erreichen. Als sie durch eine glückliche Fügung doch die Anfrage liest, wird sie neugierig und schreibt zurückt: "Keine Ahnung, wie ich Jay erklären soll, dass ihr eine Nacht in seiner Garage verbringen wollt. Wir hatten schon viele verrückte Anfragen ..." Dann verstummt Helga wieder für Wochen und meldet sich erst kurz vor knapp zurück: "Alles klar, Jay gefällt die Story!"

Als sich das Werkstatt-Tor des Hangars langsam senkt, geht die Sonne über Los Angeles gerade unter. Der Wachmann wünscht eine angenehme Nacht, und dann ist Ruhe im Paradies. Himmlische Stille in einer der größten privaten Autosammlungen Amerikas, die nur wenige zu sehen bekommen. Über 150 höchst unterschiedliche Modelle teilen sich hier eine Handvoll Lagerhallen - es sind die Schatzkammern von Jay Leno. Ein Sammler, der nicht nach irgendwelchen Jahrgängen, Marken, Prototypen oder toprestaurierten Modellen sucht, wie es viele in seiner Gehaltsklasse tun.

Jay Leno schaut sich ein Auto an, lauscht der Geschichte dazu und weiß dann, ob er es gern besitzen möchte. Er entscheidet mit dem Bauch - und genau das macht seine Kollektion einmalig. So erklärt sich, warum sich teilweise millionenschwere Edelmetalle die Hallen mit beispielsweise einem alten Feuerwehrauto, dem größten Hot Rod der Welt und einem Buick Roadmaster teilen. Autoschicksale sind ihm viel mehr wert als die Modelle oder ihr Ruf selbst.

Feuerwehr-Auto mit bewegter Geschichte

Das Licht der Wandlampe legt sich wie eine Decke über das offene Feuerwehr-Vehikel, das 1941 geboren wurde. Sie diente viele Jahre in Pearl Harbour, anschließend beim Film (Warner Brothers Studios) und zuletzt auf einem lokalen Flughafen. Nach den Anschlägen vom 11. September durfte das Cabrio aus Sicherheitsgründen nicht mehr eingesetzt werden. Leno hörte davon und nahm es bei sich auf.

Beim größten Hot Rod der Welt, der gegenüber seine Schatten auf die Wand wirft, ging es um den Traum eines Künstlers, der Jahre daran baute - die letzten davon mit Jay Lenos Unterstützung. Zu etwas Besonderem machen das Monster nicht allein die Abmessungen eines Schulbusses, sondern auch sein Motor: Es handelt sich um ein Panzerherz (M47 Patton) mit rund 50 Liter Hubraum und originalen 810 PS. Letzteres schien Leno etwas zu wenig, daher wurden Einspritzanlage und Aufladung ergänzt, und nun sind es 1500 Pferde.

Etwas weniger Power, aber dafür umso mehr Erinnerungen verbindet Jay Leno mit dem 55er-Buick Roadmaster, der mit dem entzückenden Hintern und dem großen dünnen Lenkrad. Es handelt sich um Lenos ersten Schlitten, den er sich 1972 hier in Kalifornien kaufte - für 350 Dollar. Damals begrüßte er noch keine Stars und Sternchen in seiner Talkshow und musste sich bei seinem Hobby entsprechend zurückhalten.

Der Klassiker wartete 16 Jahre abgemeldet in der Ecke, bis sein Chef das nötige Kleingeld und die Zeit für eine umfangreiche Restaurierung hatte. Unter anderem gab es einen 620 PS starken V8, ein Corvette-Fahrwerk und handgefertigte 17-Zoll-Räder. Das Ergebnis spricht für sich.

Trennungen gibt es bei Jay Leno nicht

Zwei weitere Besonderheiten gibt es in Lenos Reich: die voll ausgestattete Restaurationswerkstatt inklusive Lackiererei und acht Mitarbeitern - darunter auch ein Schwabe. Sie päppeln nicht nur die Neuzugänge auf, sondern pflegen auch den bestehenden Fuhrpark. Jay Leno wechselt nämlich täglich seine Autos. Aktuell fährt er am liebsten Dampfautos von 1900. Die zweite Besonderheit: Es gibt keine Trennungen. Was auch immer er in diese Garage aufnimmt, bleibt.

Wie viele Schätze das mittlerweile sind, sehen wir, als uns einer der Mitarbeiter am nächsten Morgen einen Kaffee bringt und weitere Hallen öffnet. Ungläubig gehen wir an einer Ecke farbenfroher Lamborghini Miura vorbei zu einem der ersten 65er-Mustang Shelby mit originaler Unterschrift von Carroll Shelby auf dem Armaturenbrett. Gegenüber entspannen mehrere Bugatti. In einer anderen Halle steht eine Clique Dampfautos einsatzbereit - wie übrigens die meisten Automobile hier. Hinter einem weiteren Tor glänzen Duesenberg, alte und neuere Ferrari, ein alter SLS mit Traumpatina.

Mindestens genauso beeindruckend wie die Modelle ist die Einrichtung der Hallen - jede Ecke wurde passend zu den Fahrzeugen dekoriert. Mal mit einem Klavier, mal mit Antiquitäten aus jenen Tagen. Und an den Wänden hängen die passenden Werbereklamen, die Lenos Bühnenbauer vom Fernsehen in XXL nachmalen. Großartig.

Jay Leno prüft die hintere Radaufhängung

Als wir gerade einen NSU Prinz, einen neuen Fiat 500 Abarth und den Nachbau des legendären Mercedes-Renntransporters (Blaues Wunder) bestaunen, knattert plötzlich ein Mann mit breitem Grinsen und weißem Schopf in einem offenen Packard durch die Hallen. Er winkt, parkt mit Sorgfalt rückwärts ein und schmeißt sich gleich mal unters Auto, weil irgendwas geklappert hat.

Da liegt Jay Leno mit Jeans und Jeanshemd auf dem Betonfußboden seiner Garage und prüft die hintere Radaufhängung - als würde er den ganzen Tag nichts anderes machen. Schwer vorstellbar, dass dieser Mann in wenigen Stunden im schwarzen Anzug mit Brad Pitt und Co. auf der Bühne witzeln wird. Als er unter dem Auto hervorkrabbelt, lacht er selig und fragt: "Wie war die Nacht?"

Lenos Autopolierer ist ein Schwabe

Kaum zu glauben: Der Autopolierer von Jay Leno kommt aus Dettingen bei Bad Urach. Dirk Buck heißt der Mann und kümmert sich seit drei Jahren um die Schätzchen des Talkmasters. "Ich bin eher zufällig zu diesem Job gekommen", sagt der 42-Jährige, während er einen White-Dampfwagen von 1909 auf Hochglanz wienert. Mittlerweile restauriert und lackiert er auch – gelernt hat er all das erst hier von seinem schwedischen Kollegen. Zum Werkstatt-Team von Jay Leno gehören acht festangestellte Mitarbeiter.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten