Kleinserien-Hersteller McLaren
Besuch beim Sportwagenbauer McLaren

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Der Ehrgeiz, mit dem die Briten von McLaren seit 1966 im GP-Zirkus auftreten, soll nun einem anderen Projekt zugute kommen: dem neuen Straßensportler McLaren MP4-12C der Anfang 2011 auf die Straße kommen soll.

McLaren
Foto: McLaren

Kurz nach dem metallisch-kühlen Pförtnerhäuschen geht es links ab, zwischen zwei sanften Hügeln hindurch. Britischer könnte die Landschaft hier in der Grafschaft Surrey südlich von London kaum sein - man fürchtet, jede Sekunde zur Zielscheibe für Golfer zu werden. Statt in ein penibel gestutztes Fairway zerfließen die Erhebungen auf der rechten Seite in einen nierenförmigen kleinen See, an dessen Ufer das Technology Centre von McLaren elf Meter in die Höhe wächst. Hinter der Glasfront herrscht Ron Dennis, Vorstandsvorsitzender der McLaren Group, an der er mit 15 Prozent beteiligt ist.

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Anfang 2011 soll die Auslieferung des MP4-12C beginnen

Am 1. November 1980 begann Dennis als Teamchef des 1966 von Bruce McLaren gegründeten Formel 1-Rennstalls. Zur Saison 2009 zog sich der gelernte Kfz-Mechaniker von dieser Position zurück - ohne große Sentimentalitäten. "Beim Grand Prix von Australien hätte ich fast den Start verpasst, der ganze Druck war einfach weg", sagt der Engländer. Stattdessen konzentriert er sich nun auf die Führung der aus sechs einzelnen Unternehmen bestehenden Gruppe, die 1.500 Menschen beschäftigt. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf dem Ausbau der Automobilbau-Sparte. Anfang 2011 soll die Auslieferung des MP4-12C beginnen, eines Mittelmotor-Sportwagens mit Kohlefaser-Chassis.

Weder Hebebühnen noch Montagebänder stören den Arbeitsplatz

In der lichtdurchfluteten, klinisch sauberen Atmosphäre des über 200 Meter langen Technology Centres entstehen in unmittelbarer Nähe zu den Formel 1-Monoposti die ersten 1.000 Exemplare des 600 PS starken Zweisitzers. Weder Hebebühnen noch Montagebänder stören den Arbeitsplatz der Mechaniker, für die optimale Arbeitshöhe sorgen aus dem Boden emporfahrende Stempel - wenn die Rohkarossen nicht schon zuvor auf flexible Montagewagen gehievt wurden. Ohne übertriebene Hektik schrauben bis zu vier in Schwarz gewandete Arbeiter gleichzeitig an den vielfältig individualisierbaren Autos. Einzig die unterschiedlichen Metallic-Lacke sorgen für Farbtupfer, alles andere in der Fertigung glänzt so rein weiß, dass Mr. Proper vor Neid wieder Haare wachsen würden. "Weiß hat einen entscheidenden Vorteil: Entweder es ist sauber oder nicht. Dann wird geputzt", erklärt der bekennende Perfektionist Dennis.

Die Serienfertigung des MP4-12C wird ausgelagert

Künftig sollen hier vorrangig wieder Prototypen und Rennwagen entstehen. Die Serienfertigung des MP4-12C wird ausgelagert - auf die andere Seite des Sees. Unweit des Pförtnerhäuschens haben die Erdbewegungen für eine Produktionshalle begonnen, aus der ab Ende 2011 im Drei-Schicht-Betrieb rund 6.500 Sportwagen pro Jahr rollen könnten. Die Verantwortlichen des Projekts geben sich allerdings nicht der Illusion hin, diese Zahl in absehbarer Zeit zu erreichen. Zum Vergleich: Die Audi-Tochter Lamborghini - zusammen mit Ferrari einer der angepeilten Konkurrenten - musste 2009 einen Absatzrückgang um 37,7 Prozent auf 1.515 Einheiten hinnehmen.

Das Auto soll das beste in seinem Segment sein

Um sich gegen die etablierten Wettbewerber am Markt zu behaupten, verfolgt McLaren eine simple Strategie: Das Auto soll das beste in seinem Segment sein. Dafür wurde vom Antriebsstrang bis zum Kohlefaser-Chassis alles selbst konstruiert. Der leichte Werkstoff zieht sich ohnehin als roter Faden durch die Firmenhistorie. 1981 ging mit dem MP4-1 der erste Formel 1-Rennwagen mit Kohlefaser-Monocoque an den Start. Als erstes mit dieser Technologie ausgerüstetes Straßenfahrzeug trat 1994 der F1 an. Auf seinem mittig platzierten Fahrersitz nahmen unter anderem der ewige Mister Bean - Rowan Atkinson - und der ewige Issigonis-Neffe - Bernd Pischetsrieder - Platz. Beiden gelang es bekanntermaßen nur mit mäßigem Erfolg, die rekordprämierten Fahrleistungen des 680 PS starken Flügeltürers kontrolliert umzusetzen.

In fünf Jahren sollen schwarze Zahlen die Bilanz schmücken

Während der V12-Motor des 107 Mal gebauten F1 noch von BMW stammte, nutzte ab 2003 Formel 1-Partner Mercedes das Kohlefaser-Know-how der McLaren-Truppe und ließ den SLR in diversen Varianten im damals neu eröffneten Technology Centre bauen. Mit 2.252 Exemplaren avancierte er zum meistgebauten Kohlefaser-Fahrzeug. Viel mehr Positives hört man im Unternehmen nicht über dieses Projekt. Der technikbesessene Dennis spricht lieber vom hauseigenen Autoklav ("wie die Transformer-Roboter aus dem Kino-Film"), der die Grundstruktur des MP4-12C backt - in nur vier Stunden und zu zehn Prozent der Kosten des Mercedes. Rund 750 Millionen Britische Pfund wurden in das Projekt investiert, in fünf Jahren sollen schwarze Zahlen die Bilanz schmücken.

Ab 2012 wird jährlich eine neue Variante des MP4-12C nachgeschoben

Angesichts des vergleichsweise moderaten Grundpreises des neuen Modells von rund 140.000 Euro muss also die Kostenbasis stimmen - und der Vertrieb mit 35 Händlern weltweit einen guten Job machen. Ab 2012 wird jährlich eine neue Variante nachgeschoben, zuerst ein Roadster. Zuvor wird vom V8-Sportwagen erwartet, die Versprechungen seiner Schöpfer zu halten: 1.300 Kilogramm Leergewicht und eine Beschleunigung von null auf 200 km/h in unter zehn Sekunden. Bislang berichten nur die Formel 1-Piloten Jenson Button und Lewis Hamilton grinsend nach einer Runde auf der Rennstrecke in den Hügeln von Goodwood von den Fähigkeiten des aktiven Fahrwerks und der Kraft des Antriebs. Doch die beiden sind befangen: Sie stehen auf der Gehaltsliste von McLaren.

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