Kurven-Technik mit Armin Schwarz
„Kurven sind mein Leben“

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Rallye-Profi Armin Schwarz gehört zu Deutschlands besten Kurvenkünstlern. Der 49-Jährige erklärt, wie man auch auf normalen Straßen sehr viel Spaß haben kann, welche Rolle das Fahrwerk dabei spielt, und weshalb Kurven sein Leben sind.

Armin Schwarz, Cockpit
Foto: Sabine Hofamnn

Für den Rallyeprofi Armin Schwarz ist die Sache klar: „Der Daseinszweck der Gerade besteht für einen Rennfahrer oder Rallyefahrer darin, Geschwindigkeit aufzunehmen. Beim Kurvenfahren liegt die Kunst darin, den Speed mitzunehmen. Speziell in Wechselkurven. Wenn man nur eine Kurve isoliert sieht, ist der Reiz geringer, als wenn ein Geschlängel ansteht. Mit Lastwechseln, wo man nachlenken muss, wo man langsamer werden muss, wo man zwischendrin auch mal wieder ein bisschen beschleunigen kann.“

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Die hohe Schule des Autofahrens

Das Kurvenfahren ist also die hohe Schule des Autofahrens. Schwarz kann stundenlang darüber philosophieren, und zwar in sehr vergnüglicher Form. „Es gibt so viele verschiedene Kurven“, sagt er. „Es gibt welche, die aufmachen. Andere machen zu. Es geht über Kuppen oder durch Senken und so weiter. Es ist ein hoher Anspruch, das Auto perfekt zu kontrollieren, auch wenn es in nicht einsehbare Kurven geht. Und es ist ein tolles Gefühl, wenn es perfekt passt.“

In seiner Karriere in der Rallye-WM unterschied Schwarz zwischen neun verschiedenen Kurvenvarianten. „Die Skala im Aufschrieb, dem sogenannten Gebetbuch, reicht von eins bis fünf, mit jeweils einer Zwischenabstufung. Eine Einser-Kurve ist eine Spitzkehre, also die langsamste Kurve, eine Zwei ist eine 90-Grad-Kurve. Und so weiter, bis hin zur Fünf. Hier wird nur leicht gelenkt. Eine Fünfer-Kurve geht normalerweise voll oder wenigstens fast voll. Zudem unterscheide ich, ob die Kurve nach innen oder nach außen hängt.“
 
Dazu kommen Angaben darüber, ob und wie man die Kurven schneiden kann. „Ich habe hier eine dreistufige Skala verwendet“, erklärt der 112-fache WM-Starter. „Das spielt aber im Straßenverkehr natürlich keine Rolle. Hier gilt immer und ohne Ausnahme die Angabe: No cut!“

Eine Menge Fahrspaß auf legalem Weg

Natürlich kann man auch jenseits der Rallye-Sonderprüfungen auf einer ganz normalen Straße eine Menge Fahrspaß erleben, ohne die Graubereiche der Straßenverkehrsordnung auch nur im Geringsten auszureizen. „Immer auf der eigenen Fahrbahnseite“, sagt Schwarz. „Alles was nicht einsehbar ist, ist ein prinzipielles No go. Auch driftende Autos haben auf öffentlichen Straßen absolut nichts verloren.“
 
Und weiter: „Man kann seinen Fahrspaß auch beim zügigen Fahren haben. Dazu muss man nicht unbedingt besonders schnell sein. Vorausschauend soll man fahren und auf keinen Fall hart und eckig einlenken.“
 
Und vor allem sollte man unter allen Umständen einen abrupten Lastwechsel in der Kurve vermeiden. „Was passiert, wenn man zu schnell in eine Kurve fährt?“, fragt Schwarz rhetorisch: „Ich nehme erst mal das Gas weg. Vor allem dann, wenn man das schlagartig tut, kann dies dazu führen, dass das Heck ausbricht. Das Auto kommt ins Rutschen. Also muss ich gegenlenken. Ein untrainierter Fahrer kennt vielleicht noch das Gegenlenken. Aber wenn sich das Heck wieder fängt, also Grip bekommt, schlägt es in die andere Richtung aus.“
 
Dieser sogenannte Konter lässt sich nur vermeiden, wenn der Fahrer schnell genug und vor allem dosiert gegenlenkt. „Aber den Konter zu parieren, das beherrschen nur die allerwenigsten.“ Dann fügt Schwarz mit einem wissenden Lächeln hinzu: „Die Profis lenken so schnell und gezielt gegen, dass sie gar keinen Konter bekommen.“

Dieses potenzielle Horrorszenario gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Ein guter Schritt ist es sicherlich, ein Fahrertraining zu besuchen, wie es zum Beispiel Armin Schwarz zusammen mit den Brüdern Sandro und Mark Wallenwein im finnischen Ivalo anbietet (www.iceaction.de). Doch auch die talentiertesten Absolventen sollten sich im normalen Verkehr stets am Riemen reißen. „Ich appelliere nachdrücklich an alle: Schätzt eure Fähigkeiten richtig und ehrlich ein“, fordert Armin Schwarz.

ESP ist ein tolles Gefahren-Frühwarnsystem

Vom Schalter für das ESP sollte man besser die Finger lassen: „Ein gut abgestimmtes ESP ist ein tolles Gefahren-Frühwarnsystem für den Fahrer“, sagt Schwarz. „Wenn die Elektronik regelt, weiß der Fahrer: Hoppla, jetzt wird es ernst.“ Allerdings ist die elektronische Stabilitätskontrolle kein Wundermittel. Schwarz: „Wer viel zu schnell ist, fliegt auch bei eingeschaltetem ESP in die Botanik, wenn’s blöd läuft.“
 
Der ehemalige Rallyeprofi, der jetzt bei den Offroadrennen in den USA und Mexiko mit einem 800 PS starken Trophy-Truck antritt, schränkt allerdings ein: „Die Fahrhilfen wie ABS, ASR und ESP funktionieren zwar bei den modernen Autos mittlerweile wirklich großartig. Auf der anderen Seite schafft man dadurch einen eher passiven Autofahrer, der oft dazu neigt nachlässiger zu werden und sich zum Beispiel bei Aquaplaning zu sagen: Jaja, die ESP-Regelung greift schon. Da kommt man aber sehr schnell in eine Geschwindigkeit, wo nix mehr geht.“ Sein Fazit: „Auch mit ESP muss man seinem Auto mit Respekt begegnen.“

Auto soll in den Kurven keine Traktion verlieren

Beim Fahrwerkstuning galt früher die Devise: je tiefer desto sportlicher. „Das gilt heutzutage nicht mehr“, sagt Schwarz. „Diejenigen Hersteller, die eine gewisse Affinität zum sportlichen Auto haben, versuchen jetzt schon, die Rollneigung des Autos beim Kurvenfahren zu minimieren. Das Ziel der Fahrwerksentwickler lautet: Das Auto soll in den Kurven so stabil wie möglich liegen, ohne dabei an Traktion zu verlieren.“
 
Tuner und Fahrwerkshersteller können hier noch einen Schritt weiter gehen als die Automobilhersteller, die unter dem Zwang stehen, noch einen gewissen Komfort zu bieten. „Die Tuner oder Fahrwerkshersteller gehen da gern noch einen Schritt weiter. Sie gehen mehr in Richtung sportlicher Abstimmung und Performance. Früher hat man oft nur härtere Federn eingebaut. Dann kamen die Dämpfer ins Spiel. Und schließlich kam man darauf, dass man mit den Federn wieder eine Spur weicher gehen kann, wenn man stärkere Stabilisatoren montiert.“

Der Grip darf nicht abreißen

Last but not least kommen auch noch die Reifen ins Spiel. Schwarz rät ausdrücklich von allzu exotischer Gummiware ab: „Ein Reifen mit 30er-Querschnitt kann ja praktisch nicht mehr federn.“ Für Schwarz gilt die Faustregel: „Je flacher der Reifen, desto abrupter reißt der Grip ab.“
 
Eine ganz besonders wichtige Rolle bei den Schwarzschen Ausführungen zur Fahrdynamik spielt der Begriff Progressivität. Damit meint er, dass das Auto auch in Extremsituationen nicht abrupt reagiert, sondern einem vielleicht allzu forschen und unvorsichtigen Fahrer eine faire Chance gibt, aus dem Schlamassel unbeschadet herauszukommen. „Progressives Verhalten des Autos heißt also: Auch im Grenzbereich verhält es sich vorhersehbar.“
 
Vor allem bei sogenannten Performance-Cars ist dies nicht immer der Fall: „Speziell auf der Nordschleife gibt es immer wieder Unfälle mit solchen Autos, die zum Beispiel wie die Dodge Viper sehr lange sehr fahrstabil sind, dann aber ganz plötzlich ihre Haftung verlieren.“
 
Premiumhersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder VW bieten schon in der Serie sehr gut abgestimmte Fahrwerke. „Aber es geht immer noch einen Tick besser. Denn die Hersteller müssen auch den Komfort im Auge behalten.“
 
Wichtig ist es, bei den Fahrwerksfedern auf Qualität zu achten. „Wenn aber Federn montiert sind, die sich in fünf Jahren um 20 Millimeter setzen, stimmt das Setup vorn und hinten nicht mehr“, sagt Schwarz. „Ich arbeite seit Langem mit Eibach zusammen. Da weiß ich, dass so etwas nicht vorkommt.“

Extreme Abstimmungen sind gefährlich

Von einem sehr harten Fahrwerk und von extremem Tieferlegen hält Schwarz nichts: „Eine vernünftige Abstimmung braucht vernünftige Federwege. Das ist auf der Nordschleife so und erst recht auf normalen Straßen. Man stelle sich vor, dass man auf einer Straße, die man nicht kennt, eine Bodenwelle erwischt - und zack, plötzlich findet man sich auf der falschen Straßenseite wieder. Oder im Graben. Das darf auf keinen Fall passieren. Das Auto muss beherrschbar sein, und zwar für jeden Autofahrer und nicht bloß für Spezialisten. Das Auto muss dem Fahrer Fehler verzeihen und ihm eine zweite und sogar eine dritte Chance geben, einen Fehler zu korrigieren.“


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