Porsche-Rekord auf der Nordschleife
Im 918 durch die Eifel in 6.57 Minuten

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Drei Ziffern, ein Statement: Die Rundenzeit auf der Nordschleife sagt, was ein Auto kann. Porsche trat an, um mit dem Hybrid-918 Spyder den Rekord für straßenzugelassene Serienfahrzeuge zu knacken. Und man hielt Wort. Das Geschoss mit 887 PS umkurvte die Nürburgring-Nordschleife in unter sieben Minuten.

Porsche 918, Nürburgring, Rekordfahrt
Foto: Frank Ratering, Daniel Wollstein

"Wir haben ein Problem mit der Standfestigkeit." Die Begrüßung durch Frank-Steffen Walliser fällt überraschend aus. Der Ingenieur ist Projektleiter für die Entwicklung des Porsche 918 Spyder, und in wenigen Minuten soll sein Team den Rundenrekord für in Serie produzierte Sportwagen mit straßenzugelassenen Reifen auf der Nordschleife pulverisieren.

Frank-Steffen Walliser über die Standfestigkeit des Weissach-Pakets

Und der Leitende lenkt den Fokus wirklich auf Standfestigkeitsprobleme? Walliser deutet auf das Cockpit des 918 Spyder. Das ist nun garantiert ein Ort, wo kein Problem bestehen kann. Porsche hat die Kabine als Kathedrale des Motorsports inszeniert: Coole Rennsitze, das traditionelle Ins trumentenbrett wurde aufgelöst und mit Motorsportzitaten neu arrangiert, alles glänzt und funkelt in makellosem Sicht-Karbon.

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"Sehen Sie die Fußmatte?" Weit unten im Dunkel der Pedalerie, wo die Hacken des Fahrers ruhen, nubbelt sich die Verstärkung der Fußmatte leicht ab. Dazu muss man wissen, dass es sich um die nochmals leichtere Fußmatte des Weissach-Paketes handelt. Das Weissach-Paket für den 918 Spyder schindet 34 Kilo aus 50 modifizierten Bauteilen. "Da müssen wir noch mal ran!" Walliser grinst – der Journalist war ihm voll auf den Leim gegangen.

Es hilft sicher, wenn man großem Druck mit einer Brise Humor begegnet. Die Eigenschaft, trotzdem zu lachen, nimmt aber in aller Regel mit zunehmender Verantwortung ab. Was die Aufgabenstellung des Tages betrifft, den Rundenrekord, so will Porsche beweisen, dass ein Hybrid-Supersportwagen schneller ist als ein Sportwagen ohne Hybridsystem. In Stuttgart-Zuffenhausen sitzen die Vorstände auf Kohlen, die Presseabteilung hält die Griffel gespitzt, doch Walliser nimmt es locker. Er weiß offenbar, was sein Baby, der hybridisierte 918 Spyder, kann.

Porsche 918 Spyder: Sieben Monate Planung für den Rekord

"Wir haben den Rekordversuch sieben Monate geplant." Der erste Erfolg: Die Sonne scheint, es ist warm. Das ist nicht selbstverständlich an einem 3. September in der Eifel. Neben Walliser haben sich alle Bereichsleiter des 918 Spyder-Programms eingefunden, dazu Mechaniker, Trucks, zwei Rekordwagen und drei Piloten. Doch es ist ein wenig zu warm an diesem Dienstagnachmittag, gut 26 Grad. Am Morgen, als es kühler war, hatte Porsche den bestehenden Rekord (Gumpert-Apollo: 7.11 Minuten) mehrfach unterboten. Walter Röhrl schaffte die vorläufige Bestzeit in 7.04 Minuten, was auch bedeutet, dass Giganten scheinbar nicht altern. Porsche-Testfahrer Timo Kluck kam auf 7.06 Minuten.

Doch es ist sehr offensichtlich, dass Porsche nicht einfach einen Rekord brechen, sondern den 918 Spyder mit einer magischen Zahl zum Mythos weihen will. Da soll, nein, da muss eine Sechs vorne stehen. Die Simulation sagt, dass es geht – aber wohl nur gerade so.

Die Sonne steht tief im Westen an der Tribüne T13. Der Industrie-Pool hat das Fahrerlager geräumt. Die Rundenzeitenmonitore sind gerichtet. Die Mitglieder des 918 Spyder-Projekts lümmeln an der Boxenmauer, an der wohl auch Stefan Bellof vor exakt 30 Jahren stand, bevor er im Porsche 956 einen Rekord für die Ewigkeit in den Asphalt schraffierte: 6.25 Minuten. In einem Auto mit 820 Kilo, fast 700 PS, fetten Rennslicks und zwei Tonnen Abtrieb. Dagegen sind die Piloten an diesem Tag fast ärmlich munitioniert: 1.634 Kilo, 887 PS, kein vergleichbarer Abtrieb und Michelin-Straßenreifen, die wenigstens Sport Cup heißen.

Hybrid-System des 918 Spyder bringt 16 Sekunden auf eine Runde

Mit diesem Paket nur 30 Sekunden langsamer als Bellof, auf 20 Kilometer? In einem Auto, in dem das Hybrid-Paket mit 314 Kilogramm auf die Waage drückt? Könnte man die Batterien aus dem 918 Spyder nicht einfach weglassen? Walliser kennt den Zweifel und pariert ihn mathematisch-kühl: "Ohne Hybridsystem würde man wegen des geringeren Gewichts pro Runde 13 Sekunden gewinnen, doch die Batterieleistung bringt pro Hot-Lap-Runde 15 bis 16 Sekunden."

Timo Kluck stempelt an diesem Dienstag eine Siebennuller-Zeit nach der anderen aufs heilige Geläuf, so gnadenlos gleichmäßig, als würde man im Labor physikalische Versuche reproduzieren. Kluck ist der Spätberufene im Rekord-Kader, hat eben seine sechste Runde im 918 Spyder abgespult. Zuvor ist er das Auto nie gefahren. "Der Kopf muss sich an den Speed gewöhnen. Ich kam mir vor wie in einem Film, der im Schnellvorlauf abgespult wird."

Keine neuen Rekorde an diesem Dienstag, es ist zu warm. Mittwochmorgen, 5.30 Uhr. GT-Profi Marc Lieb hockt im Frühstücksraum, er hat nur drei Stunden geschlafen: "Jetlag." Gestern kam er vom Sportwgen-WM-Lauf aus São Paulo zurück, gerade noch rechtzeitig, um am Abend eine flotte Proberunde im 918 Spyder zu drehen. Jetzt geht es gleich um die Wurst.

6.59 Min: Der Rekord ist gebrochen und die Brille bebt

7.04 Uhr: Die Sonne steht tief im Osten über der Tribüne T13. Marc Lieb geht auf die erste fliegende Runde. "Blinde Attacke allein reicht nicht aus, man muss sich die Boost-Leistung der Batterie über die Runde einteilen", hatte Lieb noch erklärt. Wie das geht? Das haptische Gaspedal des 918 Spyder hat einen Widerstand, wie die Kickdown-Funktion in Straßenautos mit Automatikgetriebe. Nur wenn der Fahrer das Pedal voll durchtritt, wird auch geboostet.

Zwar wird bei jedem Bremsvorgang Energie rekuperiert und die Batterie geladen, aber im Hot-Lap-Modus trägt der Verbrennungsmotor des 918 Spyder so gut wie nichts zur Aufladung bei – weil er bei Volllast nicht lädt. "Daher muss der Fahrer mit dem Boost haushalten und ihn so einsetzen, dass die Rundenzeit maximal optimiert werden kann“, erklärt Walliser.

7.09 Uhr: Der 918 Spyder grollt die Döttinger Höhe mit der akustischen Präsenz eines herannahenden Düsenjets hinunter, die Drehzahlnadel pendelt bei 9.000. Lieb knallt mit leichtem Reifenquietschen und einer Spur Untersteuern um die letzte Rechtskurve.
Gebannt starren die Teammitglieder auf die Anzeige: 6.59! Mission accomplished! Jubel bricht aus, der lange Herr Walliser reißt die Arme in die Höhe, die Ingenieursbrille auf seiner Nase bebt im Takt der Freudensprünge. So sieht wahre Erleichterung aus.

Im September 2010 wurde das Lastenheft für den 918 Spyder erstellt, das Programm war eine Expedition in unbekanntes Gelände. Am Tag der Wahrheit ist Walliser daher doch mal aufgekratzt: "Die Vorgaben des Lastenheftes und die Realität in Einklang zu bringen – das war schon eine Mammutaufgabe.“ Ganz schön knapp mit dem Rekord, oder? "Abwarten, wir haben noch drei Versuche.“

Bei 6.57 Minuten bleibt die Anzeigetafel stehen

Timo Kluck ist mit dem zweiten 918 Spyder, Chiffre SEP 008, schon unterwegs – 7.01 Minuten. Der Unterschied zu gestern? "Feintuning beim Energiemanagement, dazu die kühlere Luft, die dem Verbrenner hilft", sagt Walliser. Dann tauschen Kluck und Lieb die Fahrzeuge, als wolle man jeden Zweifel über die Wahl der Waffen wissenschaftlich eliminieren. Lieb zimmert die perfekte Runde zusammen, 6.57 Minuten, Kluck verbessert sich um eine Sekunde auf 7.00 Minuten. Als bei ihm nach der Hot-Lap die Fahrertür aufspringt, sind Frust und Freude in einem Satz Freunde: "Shit, aber es war total geil!“

Die halbe Sekunde, die zu einer Zeit unter sieben Minuten gefehlt hat, ärgert Kluck. Gleichzeitig aber ist er stolz, einen guten Job gemacht zu haben. "Meine schnellste Runde war die achte in diesem Auto. In 13 Jahren bei Porsche war das sicher meine schwierigste Aufgabe.“ Walliser streut Timo Kluck Rosen: "Für ihn war das fast ein Himmelfahrtskommando, denn er kannte den 918 Spyder von allen Fahrern am wenigsten. Schon stark, dass er dann solche Rundenzeiten im Angebot hat."

Wer ein wenig in den Daten spicken darf, glaubt sofort, dass zu Rekordfahrten auch Mut gehören muss. Anfahrt Schwedenkreuz: knapp über 300 km/h. Fuchsröhre voll mit 280 km/h. Antoniusbuche voll mit über 310 km/h. "Das hat wenig mit Mut zu tun“, widerspricht Timo Kluck. "Der 918 Spyder kann es einfach.“ Der Eifelaner glaubt, es ginge noch schneller: "Wenn alles passt, steht die Uhr bei Sechsfünfzigtief.“

Wenn drei der vier schnellsten Runden innerhalb von drei Sekunden liegen, sagt das viel über die Fahrbarkeit des Porsche 918 Spyder aus. Marc Lieb nickt und setzt sein Lausbubengrinsen auf: "Ich sage dir – dieses Auto ist unfassbar. Es ist nicht so, dass ich mir die Seele aus dem Leib gefahren hätte. Ich habe nur die Performance exekutiert. Der Grip ist abartig, die Beschleunigung auch, aber die Fahrbarkeit macht dich sprachlos – das ist Harmonie in Perfektion.“

Porsche-Entwicklungsvorstand Hatz: "Das war jetzt aber mal wichtig"

Frank-Steffen Walliser hat sich mal kurz vom Jubel abgesetzt, die Vorstände wollen informiert werden. Als er zurückkehrt, übermittelt er die Glückwünsche von Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz, der gesagt haben soll: "Das war jetzt aber mal wichtig.“ Frei übersetzt könnte das bedeuten: Da war Druck im Karton. Wenn Walliser jetzt noch die Fußmatten des Weissach-Paketes im Porsche 918 Spyder standfest bekommt, dann wäre das Lastenheft vollends abgearbeitet.

Die sport auto-Trophy

Was können straßenzugelassene, in Serie produzierte Sportwagen mit zulassungsfähigen Reifen auf der schwierigsten Strecke der Welt? Die sport auto-Trophy dokumentiert seit über 13 Jahren den technischen Fortschritt:

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten