Wie entwickelt sich BMW?
Nachhaltigkeit statt Sportlichkeit

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Marcus Schurig über die Frage, wo die Marke BMW beim Thema Sportlichkeit steht. Hintergrund: Immer mehr Leser kritisieren in Briefen an die Redaktion die aktuelle Modell- und Motorenpolitik der Bayern.

BMW M1 Turbo Concept
Foto: Hardy Mutschler

Eine BMW-Pressekonferenz am 29. Juli 2009 hatte nicht nur sportpolitisch große Bedeutung - sondern auch modellpolitisch. An diesem Tag verkündete der BMW-Vorstand Norbert Reithofer den Rückzug aus der Formel 1. Doch es war mehr als bloß der Ausstieg, wie die Begründung schon damals nahelegte: Das neue Leitmotiv für BMW war nun nicht mehr die Sportlichkeit - sondern die Nachhaltigkeit.

Erst mit zeitlicher Verzögerung bekamen die Kunden zu spüren, was das bedeutet: Die Premium-Marke, deren Markenkern über Dynamik definiert war, verabschiedete sich sukzessive vom Thema Sportlichkeit. Nur die M GmbH darf auf den Plattformen noch den Akzent Sportlichkeit aufpflanzen, die Emotionalität wurde sozusagen ausgelagert.

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Der entkernte Markenkern

Diesen Kurswechsel haben viele Kunden bis heute weder verstanden noch akzeptiert. In Leserbriefen werden wir mit Unmutsbekundungen überschwemmt. Zum Beispiel, dass sich der zukünftige Einser die Frontantriebs-Plattform mit dem Mini teilen muss. Zum Beispiel, dass beim neuen Fünfer-BMW einerseits das Gewicht stark angestiegen ist, andererseits unterhalb des 535i alle Benzinmotoren auf demselben, von vielen Markenfans als dröge empfundenen Vierzylinder aufbauen. Zum Beispiel, dass im Rennsport mit Hilfe eines Prototypen für den Z4 geworben wird, von der Sportlichkeit auf der Straße aber eher wenig übrig geblieben ist - was durch unsere Testergebnisse belegt wird. Zum Beispiel, dass bei BMW Sport-Features wie mechanische Sperrdifferenziale und sportliche Schaltgetriebe auf dem Rückzug sind.
 
Nun ist es ja nicht so, dass es der Marke BMW schlecht ginge. Die Abkehr von der Sportlichkeit wird offenbar primär von den deutschen Kunden mit Maulerei quittiert, aber nicht vom Rest der Welt, wo das eigentliche Wachstum stattfindet. In China oder Amerika scheint es keine Rolle zu spielen, dass sich ein Dreier heute wie eine C-Klasse fährt und anfühlt. Natürlich gibt es auch Hoffnung - so soll der neue M3 gut 70 Kilo leichter werden als der Vorgänger. Und angeblich soll BMW auch endlich einen „echten“ Sportwagen bauen dürfen, als Ferrari- und Porsche-Gegner.

Alleinstellungsmerkmal verloren

Fakt ist aber auch, dass BMW sein Quasi-Alleinstellungsmerkmal bei der Sportlichkeit in Deutschland eingebüßt - oder besser: bewusst aufgegeben - hat. In der Vergangenheit war man in München stolz darauf, dass über ein Drittel aller Fahrzeuge beim 24h-Rennen am Nürburgring einen Propeller auf der Haube trug. Denn fast jedes BMW-Basismodell war motorsport-tauglich.

Dieses Alleinstellungsmerkmal wird verschwinden. Parallel wirbt die Marke BMW weiter mit den Themen Dynamik, Faszination und Lust aufs Fahren, fast so, als wolle man vergessen machen, dass es den radikalen Kurswechsel überhaupt gegeben habe.

Risiko Elektromobilität

Im Hintergrund dräut zudem noch das Himmelfahrtskommando Elektromobilität, der BMW eine eigene Sub-Marke spendiert hat. Während direkte Gegner wie Audi bei der Elektromobilität den Fuß vom Gas nehmen, will BMW ausgerechnet in diesem Segment einen Sportwagen lancieren - eine Entscheidung, die nicht nur viele Kunden nicht verstehen, sondern gegen die es auch große Widerstände innerhalb des Hauses gibt.
Was passiert, wenn die Neuausrichtung auf die Nachhaltigkeit floppt? Im Moment versucht BMW den Spagat, die alten Ideale und die neue Ausrichtung zu versöhnen, indem man grüne Technologien geschickt in die Sporttunke taucht: Start-Stopp-Funktion heißt Efficient Dynamics, die Elektrofahrzeuge heißen ActiveE. Ob die Kunden diese Köder schlucken werden?

Ihr Meinung ist gefragt

Wo soll Ihrer Meinung nach der Markenkern von BMW angesiedelt sein: Bei der Sportlichkeit oder bei der Nachhaltigkeit?

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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