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Motoren von Morgen - zwei oder 16 Zylinder?

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Das Automobil feiert seinen 125. Geburtstag. Seit der Geburtsstunde ist der Verbrennungsmotor fast immer mit an Bord. Auch in Zukunft wird der klassische Ottomotor noch eine wichtige Rolle spielen. In welcher Form, verrät die Konzeptbetrachtung vom Sechzehnzylinder zum Zweizylinder.

Motoren von Morgen - zwei oder 16 Zylinder?
Foto: Hersteller

Der Tunnel aller Tunnel steht in Monaco. Wenn die Formel 1 im Fürstentum gastiert, mutiert die Röhre zum Sprachrohr des Automobils: Schreien, sägen, kreischen - leidenschaftliche Verbrennungsmusik im Hochgenuss. Doch Elektromobilität ist in aller Munde: Gleiten die F1-Boliden vielleicht demnächst geräuschlos wie ein Tesla Roadster über die Piste? Eine grausige Vorstellung. Daher ist dies nicht eine Geschichte über Elektromotoren, sondern eine Hommage an den Verbrennungsmotor zu seinem 125-jährigen Jubiläum.

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"Der Verbrennungsmotor hat noch längst nicht ausgedient, und auch große Motoren haben immer noch eine Berechtigung", meint Axel Wendorff. Als Formel 1-Motorenentwickler hat er für Sauber, Toyota und McLaren Hochleistungstriebwerke konzipiert. Heute ist der ehemalige Leiter der F1-Motorenentwicklung von Mercedes-Benz High Performance Engines HPE Geschäftsführer von Horiba Europe, einem japanischen Hersteller von Prüfständen und Abgasmesstechnik mit Standorten auch in Deutschland. "Der politische Druck wird durch extremere Steuergesetze aber zunehmen", skizziert Wendorff weiter. Genauer: Fahrzeughersteller, die den ab 2012 geltenden Grenzwert für den CO2-Ausstoß von 130 g/km überschreiten, werden durch die Europäische Union bestraft. Ab 2018 kostet jedes Gramm zu viel einheitlich 95 Euro.

Verbrennungsmotoren werden in Zukunft also nicht an der Ecotisierung vorbeikommen. Höchste Zeit, nochmal einen Blick auf die Zylinderhelden dieser Tage zu werfen. Einen besonderen Meilenstein der Motorentechnik setzt Ferdinand Piëch. 1968 war Piëch Technischer Direktor bei Porsche und hatte gerade das 917-Projekt ins Leben gerufen. Unter dem Kunststoffkleid des Langstreckenrennwagens arbeitete anfangs ein Zwölfzylinder-Motor mit 4,5 Liter Hubraum und 520 PS. Nicht genug für den jungen Ingenieur Piëch und späteren VW-Konzernlenker. Während seinem 917-Prototyp von 1971 mit nunmehr 16 Zylindern und 755 PS bei 8.200/min kein Renneinsatz vergönnt war, rollt nach einigen technischen Verzögerungen schließlich im September 2005 die Serienproduktion des maßgeblich von Piëch initiierten 16-Zylinder-Supersportwagens Bugatti Veyron an.

Kompakter 16-Zylinder im Extrem-Supersportler Bugatti Veyron

Eigentlich war die Markteinführung für 2003 geplant, doch die hochkomplexen Entwicklungsziele, die Piëch den Ingenieuren ins Lastenheft diktiert hatte, sorgten für manche Nachtschicht. Das Ziel: ein Rekordauto mit herausragenden Motorkennwerten. Mit einer maximalen Motorleistung von 1.001 PS im Bugatti Veyron 16.4, die bei der aktuellen Superlative Veyron 16.4 Super Sports in 1.200 PS gipfelt, war vor allem die Ingenieurskunst der Motorentechniker gefragt.
Hinter dem von Volkswagen als W16-Konzept bezeichneten 16-Zylinder-Triebwerk versteckt sich keinesfalls ein Motor mit W-Bauform, sondern eher eine Kombination aus zwei VR8-Triebwerken, die im V-Winkel gegenüberliegen.

Die beiden Reihen einer Zylinderbank sind im leichten V-Winkel von je 15 Grad angeordnet. Die jeweiligen Mitten dieser gefächerten V-Zylinderanordnung ergeben einen Bankwinkel von 90 Grad. Trotz der großen Zylinderanzahl war eine relativ kompakte Bauweise gefordert. Dank der gefächerten Anordnung der Zylinderbohrungen und einem geringen Bankversatz von 14,5 Millimetern ist die Länge des 16-Zylinders (710 mm) vergleichbar mit einem herkömmlichen Zwölfzylinder-Aggregat. Für einen kompakten Motoraufbau integrierten die VW-Techniker außerdem das Wasserpumpen-Gehäuse und verschiedene Drucköl-Leitungen im Kurbelgehäuse. Die achtstufige Schachtölpumpe sitzt in einem speziellen Gehäuse in der Lagertraverse. Um einen möglichst tiefen Motoreinbau zu gewährleisten, wird die Ölversorgung über eine Trockensumpfschmierung geregelt.

Entwicklungsziel war außerdem eine erhöhte Steifigkeit. Beim Zylinderkurbelgehäuse handelt es sich um eine zweiteilige Konstruktion, bestehend aus dem Oberteil (Zylinderblock) und dem auf Höhe der Kurbelwelle anschließenden Unterteil (Lagertraverse). Für Detailfans und Werkstoffkundige: Der im Sandgussverfahren gegossene Closed-Deck-Zylinderblock besteht aus der Aluminiumgusslegierung AlSi7Mg. Die neunfach gleitgelagerte Kurbelwelle ist aus Vergütungsstahl geschmiedet. Die Pleuel des Veyron-Triebwerks bestehen aus Titan (Gewicht: je 325 Gramm). Wegen der extremen Beanspruchung bekam das Triebwerk außerdem Schmiedekolben. Rollenschlepphebel steuern die 64 Ventile.

Code 1-14-9-4-7-12-15-6-13-8-3-16-11-2-5-10 - die Zündfolge des Bugatti-Aggregats

Nach der Analyse von verschiedenen Kriterien (Hauptlagerbelastung, Drehschwingungsanregungen, Anforderungen der Motorsteuerung) entschieden sich die Entwickler für die Zündfolge 1-14-9-4-7-12-15-6-13-8-3-16-11-2-5-10. Um eine hohe Maximalleistung zu erreichen, wird das Bugatti Veyron-Triebwerk von Abgasturboladern zwangsbeatmet. Damit die Lader auch höchsten thermischen Belastungen standhalten, sind die Turbinengehäuse aus einem hochfesten Stahlgusswerkstoff gefertigt. Zur besseren Kühlung und Schmierung sind die Lagergehäuse mit dem Wasser- und Ölkreislauf des Motors verbunden.

Jeweils vier aufeinanderfolgende Zylinder speisen über einen gemeinsamen Abgaskrümmer jeweils einen der vier gleich groß dimensionierten Abgasturbolader. Um ein möglichst spontanes Ansprechverhalten zu erreichen, wird statt auf zwei große Lader auf vier Turbolader mit geringerem Laufraddurchmesser gesetzt. Durch einen kleineren Laufraddurchmesser reduzieren sich das Trägheitsmoment und die Ansprechzeit des Laders. Zwei wassergekühlte Ladeluftkühler sorgen für die Kühlung der verdichteten Luft.

Der maximale Ladedruck beträgt 1,07 bar. Ein leichtes Turboloch ist im Veyron zwar spürbar, aber keinesfalls ein zeitversetzter Leistungseinsatz wie beim ersten Porsche 911 Turbo Mitte der siebziger Jahre. Bereits bei 1.000 Umdrehungen liegt im Veyron ein Drehmoment von 630 Newtonmeter an. Das maximale Drehmoment von gewaltigen 1.250 Newtonmeter steht ab 2.200 Umdrehungen pro Minute bereit. Dabei liegt der effektive Nutzmitteldruck bei 19,7 bar. Auch wenn der 16-Zylinder in puncto Leistung und Drehmoment begeistert, hat er neben astronomisch hohen Verbrauchswerten auch einen deutlichen Gewichtsnachteil. Mit 530 Kilogramm inklusive aller Nebenaggregate wiegt das Veyron-Triebwerk ungefähr so viel wie ein Leichtbausportler aus dem Hause Caterham. Entsprechend steigt analog zu der Leistung auch das Gesamtgewicht des Veyron auf über zwei Tonnen. 

V-12 mit auchzarter Langhuber-Charakteristik im Lamborghini Aventador

Lamborghini präsentiert im März auf dem Genfer Autosalon den Murciélago-Nachfolger Aventador. Hier soll das Fahrzeuggesamtgewicht im direkten Vergleich um rund 90 Kilogramm sinken. Motorseitig bleibt der neue V12 mit der internen Bezeichnung L539 wie schon sein Vorgänger ein Saugmotor mit 60-Grad Zylinderbankwinkel. Aus dem V12 mit hauchzarter Langhuber-Charakteristik (Bohrung mal Hub 88 x 89 mm) wird im Aventador ein Kurzhuber mit 95 mm Bohrung und 76,4 mm Hub. Damit bleibt der Hubraum unverändert bei 6,5 Liter. Dafür können sich die Fans der Kampfstiere über eine Leistungsspritze freuen. Die maximale Leistung von 670 PS im Murciélago LP 670-4 Super Veloce klettert auf 700 PS bei 8.250/min im Aventador.

Auch das maximale Drehmoment steigt um 30 auf 690 Nm. Dieses liegt nun außerdem 1.000 Touren früher und damit bei 5.500/min an. Neben einem leidenschaftlichen V12-Saugerkonzert darf mit giftigerem Ansprechverhalten, mehr Durchzug und besserer Elastizität gerechnet werden. Laut Lamborghini soll das Triebwerk völlig neu entwickelt worden sein. Das Kurbelgehäuse und die Vierventil-Zylinderköpfe bestehen aus einer Alu-Silizium-Legierung. Doch ist das auch der Werkstoff der Zukunft? "Es wird auf absehbare Zeit beim Aluminiumkurbelgehäuse bleiben. In der Entwicklung wird zwar immer wieder über den Werkstoff Magnesium gesprochen. Von der Dichte her ist Magnesium sehr leicht, aber wenn man sich die spezifische Steifigkeit ansieht, ist Aluminium schon ein sehr guter Werkstoff", erklärt Motoren-Entwickler Axel Wendorff.

Auch wenn die meisten Sportwagenhersteller bereits auf gewichtssparende Kurbelgehäuse aus Alu-Legierungen und nicht mehr auf Grauguss setzen, sieht der Ex-Formel 1-Motorenmann auch in der Seriensportwagenentwicklung hier noch deutliches Potenzial. "Der Motor ist nicht nur eine reine Leistungsquelle, sondern auch Gewicht, welches das Fahrzeug herumtragen muss. Ein heutiger Formel 1-Achtzylinder wiegt beispielsweise deutlich unter 90 Kilogramm, während ein V8-Seriensportmotor bei rund 210 Kilogramm liegt. Motorengewichte wie in der Formel 1 sind natürlich unter Kostenaspekten unrealistisch, dennoch gibt es in der Serienfertigung noch weiteres Einsparungspotenzial."

Leichtgewicht - der 235 Motor leistet 700 PS

Lamborghini hat seine Hausaufgaben schon ganz gut gemeistert. Mit 235 Kilogramm wiegt das neue Bullen-Kraftwerk im Vergleich zu anderen V12-Triebwerken recht wenig. Das Cosworth-V12-Aggregat des Aston Martin One-77 bringt 274 Kilogramm auf die Waage, der Zwölfzylinder aus dem Markenbruder DBS sogar fast 300 Kilogramm. Laut Lamborghini soll der neue Zwölfzylinder rund 20 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als das Murciélago-Aggregat. "Bis zum Jahr 2015 werden wir die Emissionen unserer Modelle um 35 Prozent reduzieren, dafür sind auch leichte Hybride und eine Start-Stopp-Automatik denkbar", erklärt Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann. Eine mutige Aussage - diese für leidenschaftliche Lambo-Verhältnisse fast unvorstellbare Zukunftsvision beginnt aber wohl erst in der nächsten Modellgeneration.

Der Aventador tritt beim Marktstart jedenfalls ohne Start-Stopp-Automatik und Benzindirekteinspritzung an. Dabei ist der Trend zur Direkteinspritzung bei Ottomotoren in der Motorenentwicklung ansonsten nicht zu übersehen. Durch die Direkteinspritzung kann der Motor im Schichtlademodus im optimalen thermodynamischen Bereich laufen. Dadurch erhöht sich der Wirkungsgrad vor allem im Teillastbereich. Im Gegenzug sinken Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen.

"Die Direkteinspritzung hat ihre Hauptvorteile im Teillastbereich. Zweiter Grund pro Direkteinspritzung ist das bessere transiente Motorverhalten, also beispielsweise beim Beschleunigen. Mit einer gut abgestimmten Einspritzung funktioniert beispielsweise auch ein Formel 1-Motor sehr gut ohne Direkteinspritzung. Die Direkteinspritzung bringt meiner Meinung nach bei einem Sportwagen außer auf der Emissionsseite keine Vorteile. Es ist aber mit einer Direkteinspritzung leichter, die von der Gesetzgebung geforderten Emissionsvorschriften einzuhalten. Durch eine geschickte Kennfeldprogrammierung kann man die Werte jedoch auch auf einem anderen Weg erreichen und auf die Direkteinspritzung verzichten", erklärt Motoreningenieur Wendorff.

Trockensumpf hilft dem Motor, zu überleben - auch im V10 des Audi R8 GT

Auch Audi setzt beim derzeit stärksten Aggregat im Modellprogramm auf Benzindirekteinspritzung. Der V10-FSI-Motor, der in seiner stärksten Baustufe im Audi R8 GT 560 PS leistet, basiert in seinen Grundzügen auf dem V8-FSI-Motor. Dabei übernahmen die Audi-Techniker das Grundkonzept des Zylinderkurbelgehäuses, der Zylinderköpfe und des Steuertriebs sowie das Kraftstoffsystem und das Saugrohrkonzept. Das Zylinderkurbelgehäuse aus Aluminium-Silizium-Legierung, das in Bedplate-Bauweise und wie beim V8 mit einem Zylinderbankwinkel von 90 Grad konzipiert wurde, baut mit einer Länge von 563,5 Millimetern kompakt.

Um eine flachere Motorkonstruktion und eine gute Ölversorgung auch bei hohen Querbeschleunigungswerten zu erzielen, setzt Audi ebenfalls auf eine Trockensumpfschmierung. Eine fünfstufig geregelte Ölpumpe passt die Fördermenge dabei an den Bedarf des Motors an. Die Nockenwellen steuern den Ladungswechsel mit Ventilöffnungszeiten von 230 Grad Kurbelwellenwinkel (KW) Einlass und 220 Grad KW Auslass. Mittels variabler Nockenwellenversteller soll ein kontinuierlicher Drehmomentanstieg über einen großen Drehzahlbereich realisiert werden. Im Vergleich mit dem V8 liegt die Maximaldrehzahl beim V10 um 500/min höher. Die Kolben, Pleuel und Pleuellager basieren auf V8-Komponenten. Der V10 erreicht bei Maximaldrehzahl extreme Kolbengeschwindigkeiten: Sie bewegen sich mit einer mittleren Geschwindigkeit von 26,91 Meter pro Sekunde.

Trend zum Downsizing auch im Sportwagenbau

Sechzehn, zwölf oder zehn Zylinder - die zukünftigen Motorenkonzepte sehen wahrscheinlich anders aus. Der Trend zum Downsizing wird auch im Sportwagenbau künftig an Einfluss gewinnen. Im Rennsport zeichnet sich diese Marschroute bereits durch kleinere Motoren beispielsweise beim Sportprototypenbau für Le Mans oder auch in der Formel 1 ab. Statt eines V10-TDI mit 5,5 Liter Hubraum im letztjährigen Le Mans-Siegerauto Audi R15 Plus setzen die Ingolstädter in diesem Jahr auf einen 3,7-Liter-V6-Biturbo mit TDI-Technik im neuen Audi R18. Statt wie aktuell V8-Saugmotoren mit 2,4 Liter Hubraum sollen in der Formel 1 ab 2013 Reihenvierzylinder-Turbomotoren mit 1,6 Liter Hubraum zum Einsatz kommen.

Weg von großvolumigen Saugern, hin zu kleineren aufgeladenen Motoren. "Das Downsizing hat Gewichtsvorteile durch einen kleineren Motor bei gleichbleibender Leistung. Außerdem ist der Bauraum kleiner. Der Wirkungsgrad ist bei einem aufgeladenen Motor thermodynamisch höher als bei einem Saugmotor. Der Trend geht zu kleineren, mehrstufig aufgeladenen Motoren", erklärt der ehemalige F1-Motorenkonstrukteur Wendorff. BMW macht in diesem Frühjahr den Anfang.

Nachdem sich die Münchner bereits im letzten Jahr vom M5 mit Zehnzylinder-Saugmotor verabschiedet hatten, steht nun die M5-Generation der Baureihe F10 mit Biturbo-V8 und 4,4 Liter Hubraum mit den bereits aus X5 M und X6 M bekannten Motoren in den Startlöchern. Die maximale Leistung soll im M5 bei rund 580 PS liegen. Eine neue Generation der Zylinderabschaltung soll zur Kraftstoffreduzierung beitragen.

Die Kraft der Zwangsbeatmung - McLaren MP4-12C mit Biturbo-V8

McLaren setzt in seinem neuen Supersportwagen MP4-12C bereits einen doppelt aufgeladenen Achtzylinder-V-Motor mit einer maximalen Leistung von 600 PS ein. Bei der Entwicklung standen eine kompakte Motorenkonstruktion, ein geringes Motorengewicht (199 Kilo) sowie eine Ölversorgung per Trockensumpf im Lastenheft. Dank der 180-Grad-Kurbelwelle (Flat-Plane) konnte das Kurbelgehäuse kleiner gehalten und der Einbau schwerpunktgünstig weiter nach unten verlagert werden.

"Ein Mercedes-Motor war für das 12C-Projekt nicht vorgesehen. Und weil wir kein Motorenhersteller sind, fiel unsere Wahl auf Ricardo", verrät Richard Farquhar, Leiter Antrieb bei McLaren Automotive. Die Turbolader des intern M838T genannten Motors stammen von Mitsubishi. Mit 3,8 Liter Hubraum liegt das neue McLaren-Triebwerk deutlich unter der Hubraumgröße, auf die AMG in der aktuellen Motorengeneration vertraut.

Doch auch in Affalterbach spielt Downsizing inzwischen eine Rolle. Der bisherige 6,3-Liter-Saugmotor mit acht Zylindern (im SLS mit 571 PS) wird nun im CLS 63 AMG erstmals durch einen V8-Biturbo mit Direkteinspritzung ersetzt. Zwar gelang es den Technikern nicht, das Motorengewicht des Aggregats mit dem internen Code M157 unter 200 Kilogramm zu drücken, mit 204 Kilo ist jedoch auch der im Druckgussverfahren aus Alu hergestellte V8 ebenfalls relativ leicht (M159 im SLS: 205 kg). "Die Möglichkeit einen Achtzylinder auf ein Gewicht von 150 Kilo zu bringen ist da, gelingt aber nur mit einem enormen Aufwand. Unter Kostengesichtspunkten sind 180 bis 190 Kilo machbar", sagt Experte Wendorff.

Drehzahlorgien mit 185.000/min

Mit 185.000 Umdrehungen pro Minute rotieren die Schaufelräder der beiden Turbolader des neuen AMG-Motors bei Volllast und pressen 1750 Kilogramm Luft pro Stunde in die Brennräume. Mit optionalem Performance Package steigt der maximale Ladedruck um 0,3 auf 1,3 bar. Aus 525 werden dann 557 PS. Die Kolben verfügen über eine Laufflächenbeschichtung und sollen so die Reibung minimieren und sich durch eine gute Verschleißfestigkeit auszeichnen.
In puncto Minimierung der Reibleistung sehen Experten beim Verbrennungsmotor noch großes Optimierungspotenzial.

"Dieser Bereich wurde im Sportwagenbau noch nicht massiv angegangen. Der Grund dafür sind die mit der Oberflächenbeschichtung verbundenen hohen Kosten", erklärt unser Motorenspezialist. Der mechanische Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors wird stark durch die Reibung zwischen Kolben und Zylinderlauffläche beeinflusst. In der Großserie werden heute zum größten Teil im Druckguss eingegossene Grauguss-Zylinderlaufbuchsen in die Kurbelgehäuse eingesetzt. Als Alternative sollen unterschiedliche Beschichtungsverfahren die Reibverluste zwischen Kolben und Zylindern reduzieren.

Der Trend zur Kraftstoffeinsparung durch Start-Stopp-Systeme macht auch vor Sportwagen nicht Halt. Die neue Elfer-Baureihe 991 wird das erstmals bei Porsche im Panamera eingeführte Effizienz-System an Bord haben. Dies bringt allerdings auch Probleme wie einen erhöhten Lagerverschleiß durch die deutlich häufigeren Startzyklen mit sich. Zudem fällt es schwer, sich vorzustellen, wie die Boxer-Ikone an der Ampel schweigt. Für Rückfälle in alte Zeiten wird die Start-Stopp-Automatik deshalb abschaltbar sein.

Mit bis zu 9.,000/min - V8 im Ferrari 458

Bei Ferrari trompetet der 458 Italia hingegen auch im Stand mit herrlichem V8-Beat durch seine drei Endrohre. Kein turboverwässerter Motorensound, sondern klassische Saugmotormusik begleitet die Arbeit der drei Drosselklappen im 4,5-Liter-Direkteinspritzer (Einspritzdruck bis zu 200 bar). Dass unter anderem dank der Direkteinspritzung der CO2-Ausstoß im Vergleich zum 430 Scuderia von 360 auf 307 g/km zurückgeht, wird die Geschichtsschreibung des Verbrennungsmotors kaum interessieren. Eher schon die atemraubende Höchstdrehzahl des 570-PS-Triebwerks von 9.000 Umdrehungen. 

Ami-V8 mit mehr als 55 Jahren Geschichte

Eine gewisse Faszination ist auch dem Motorkonzept des Smallblock-V8 der Corvette ZR1 nicht abzusprechen. Die Konzeption basiert in entfernten Grundzügen immer noch auf dem Layout des erstmals in der Corvette-Geschichte 1955 eingeführten V8: zentrale untenliegende Nockenwelle, Stoßstangen-Ventiltrieb und zwei Ventile pro Zylinder. Der 6,2-Liter-Motor mit Aluminium-Zylinderblock wird durch einen kompakten Eaton-Kompressor zwischen den Zylinderbänken zwangsbeatmet. Neben Titanpleuel und Schmiedekolben entwickelten die Ingenieure beim 647 PS starken V8 ebenfalls eine Ölschmierung mit Trockensumpf.

Doch warum setzt ein Hersteller heute noch auf so ein Motorkonzept? "Das ist kein modernes Motorenkonzept. Es hat deutliche Nachteile bezüglich der inneren Reibung. So ein Motor ist aber natürlich einfach, leicht und robust. Außerdem ist so ein Aggregat wesentlich günstiger in der Herstellung", weiß Motorenmann Wendorff. Der Corvette-Fangemeinde wird's egal sein.

Für Porsche gibt's wieder zwei Zylinder mehr

Gegen den aktuellen Downsizing-Trend entwickelt Ruf zurzeit seinen neuen Motor im RGT-8 auf Basis des Porsche 911. Statt des traditionellen Boxer-Sechszylinders arbeitet hier ein 90-Grad-V8 mit 550 PS. Nach dem Entwicklungsstart im Jahr 2007 folgten Prüfstandssimulationen im Februar 2010, bevor seit Oktober 2010 erste Testläufe auf der Straße gefahren werden.

"Porsche ging 1964 beim Modellwechsel 356 zu 911 den Schritt von vier auf sechs Zylinder. Wir gehen heute von sechs auf acht Zylinder", erklärt Firmenchef Alois Ruf. Dank 180-Grad-Kurbelwelle baut der nur 182 Kilo schwere Achtzylinder mit Alu-Kurbelgehäuse sehr kompakt. Zu den Feinheiten des Motors zählen eine Trockensumpfschmierung mit fünf Absaugpumpen, Titanpleuel und leichte Kolben. Der Antrieb sämtlicher Nebenaggregate (Lichtmaschine, Wasserpumpe, Klimakompressor) erfolgt direkt vom Aggregat-Antrieb ohne Riemen und Riemenscheibe. Mitte des Jahres soll die Entwicklungsarbeit beendet sein. Dann steht auch die freigegebene Höchstdrehzahl fest. Die Maximaldrehzahlen von 9.200/min in der Erprobungsphase dürften die Freigabe allerdings nicht schaffen.

Auch bei Porsche tut sich vor dem Modellwechsel von der aktuellen 997-Elfer-Generation hin zum Nachfolger der Baureihe 991, der statt mit 3,6-Liter-Boxer mit 3,4 Liter Hubraum im Basis-Carrera starten wird, noch einmal etwas. Mitte des Jahres kommt allerdings erst noch einmal eine Ausbaustufe des aktuellen 911 GT3 RS. Aus 3,8 Liter werden dann vier Liter Hubraum. Die maximale Leistung steigt von 450 auf 500 PS. Im Vergleich zum 435 PS starken Basis-GT3 sorgen in der aktuellen RS-Version ein zweiflutiges Luftfiltergehäuse und eine modifizierte Sauganlage mit vergrößerten Saugrohren für einen höheren Luftdurchsatz und mehr Leistung. Eine Trockensumpfschmierung mit zwei Ölabsaugpumpen sowie zwei Absaugpumpen im Kurbelgehäuse sorgen für eine zuverlässige Ölversorgung auch bei sportlicher Querbeschleunigung. Die Ölkühlung wird über einen Öl-Wasser-Wärmetauscher geregelt.

BMW setzt auf Biturbo, Audi und VW wieder auf Fünfzylinder

Während BMW seit dem Modelljahr 2010 im 135i aus Kostengründen nur noch einen Turbolader einsetzt, kommt das neue Topmodell 1er M Coupé zur Markteinführung wieder mit Biturbo-Aufladung. Die maximale Leistung des intern als N54 bezeichneten Aggregats mit Direkteinspritzung liegt wie im BMW Z4 sDrive35is bei 340 PS. Um thermische Überlastungen zu vermeiden, sollen ein zusätzlicher ausgelagerter Wasserkühler und eine spezielle Luftführung für Kühlung sorgen.

Vom Urquattro über den Audi Sport quattro S1 bis hin zu den IMSA-GTO-Boliden - Audi-Fahrzeuge mit Fünfzylinder-Turbomotor sind legendär. Im Audi TT RS haben die Ingolstädter das traditionsbehaftete Motorenkonzept wiederbelebt Das Kurbelgehäuse besteht aus Gusseisen mit Vermikulargraphit. Dennoch ist der Fünfzylinder mit 183 Kilogramm relativ schwer. Mit 494 mm Länge baut der Reihenmotor aber sehr kompakt. Die Aufladung erfolgt durch einen wassergekühlten Borg Warner Abgasturbolader (Baureihe K16).

Im TFSI kommen außerdem Aluminium-Gusskolben (je 492 Gramm) zum Einsatz. Der Ventiltrieb erfolgt über Rollenschlepphebel. Für das leidenschaftliche Fünfzylinder-Grummeln des Langhubers sorgt die Zündfolge 1-2-4-5-3 mit einem Zündabstand von 144 Grad.

Volkswagen startete werksseitig beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring ebenfalls mit Fünfzylinder-Technik im Golf 24h mit 442 PS - dem Vorboten einer abgewandelten GTI-Sonderedition für die Straße zum 35-jährigen Jubiläum. Während der 210 PS starke GTI-Reihenvierzylinder bereits auf das intern als EA888 bezeichnete TFSI-Triebwerk aus dem Konzernbaukasten zurückgreift, kommt im R-Topmodell noch die Vorgängermaschine EA113 mit Zahnriemen (EA888 mit Steuerkette) zum Einsatz. Die Kolben des 270 PS starken Reihen-Vierzylinders wurden gegenüber den schwächeren TSIVersionen mit verstärkten Bolzen ausgerüstet. Außerdem legten die VW-Entwickler die Pleuel stabiler aus und versteiften den Zylinderblock.

Vier Zylinder müssen - und können auch - reichen

Ebenso wie auch der VW-Motor setzt der in Kooperation von BMW und PSA gefertigte Mini-Reihenvierzylinder in seiner stärksten Version auf Benzindirekteinspritzung und Turboaufladung. Der Zylinderblock und das Lagergehäuse des 211 PS starken Kraftwerks im John Cooper Works bestehen aus Aluminium. Der Ventiltrieb wird von Rollenschlepphebeln gesteuert. Im Vergleich zum Cooper S wird die Leistungssteigerung neben einer optimierten Luftführung auch durch einen von 0,9 auf 1,3 bar erhöhten Ladedruck des Twin-Scroll-Turboladers erzielt. Für Festigkeit sollen verstärkte Kolben sorgen.

Downsizing auf Zweizylindermotor

Extremster Downsizing-Verfechter ist derzeit Fiat mit einem neuen 0,9-Liter-Zweizylinder-Ottomotor mit Turboaufladung. Der sogenannte Twinair-Zweizylindermotor aus dem Fiat 500 ist zwar nicht für einen Sportwagen entwickelt worden, zeigt aber das Zukunftspotenzial in puncto Downsizing. Aus 875 Kubikzentimeterchen schöpft der Direkteinspritzer mit Hilfe eines Turboladers immerhin 85 PS. Aus Kostengründen besteht der Motorblock aus Gusseisen und nicht aus Aluminium. Die Wasserpumpe ist im Vorderdeckel des Motors untergebracht und wird reibungsminimierend über die Ausgleichswelle angetrieben. Außerdem sind sämtliche Zuleitungen beispielsweise zu Ölfilter und Kühler im Kurbelgehäuse integriert. Die Ventilsteuerung auf der Einlassseite steuert eine voll variable, elektrohydraulische Ventilsteuerung (Multiair), welche die Einlassnockenwelle ersetzt.

Gewichtsreduzierung wird wieder zum Thema

Auch wenn Sportwagenfans noch keine Angst vor emotionslähmenden, scheppernden Zweizylindern haben müssen, werden wir in Zukunft immer stärker mit dem Wort Downsizing konfrontiert werden. Laut Studien erreichen Sechs- und Achtzylindermotoren in den Jahren 2012 bis 2015 nur noch rund 70 Prozent der Produktion des Jahres 2007, während die Zahl der leistungsstärkeren Vierzylinder-Motoren stetig steigen wird. Und was sagt unser Motorenexperte? "Das Potenzial für stärkere Motoren ist noch da.

Durch die politischen Randbedingungen wird die Leistung wahrscheinlich nicht mehr wesentlich steigen. Es werden andere Faktoren im Sportwagenbau wichtig, zum Beispiel die Verminderung des Gesamtgewichts des Fahrzeugs", erklärt Motorenmann Axel Wendorff, der demnächst die Professur für Antrieb und Verbrennungskraftmaschinen am Institut für Fahrzeugtechnik der FH Köln übernehmen wird. Recht hat er: Was nützt der effizienteste Sportmotor, wenn er anschließend einen zwei Tonnen schweren Wagen ziehen muss?

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten