Zur aktuellen Lage bei Lotus
Quo vadis Mr. Bahar?

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2010 kündigte Lotus-CEO Dany Bahar eine Produktoffensive mit fünf neuen Modellen zwischen 2013 und 2016 an. Doch das ambitionierte Projekt steht vor dem Scheitern.

Lotus, Werbeplake
Foto: Hersteller

Dany Taner Bahar hatte am Donnerstag, den 30. September 2010, einen ganz großen Tag. der seit Oktober 2009 an der Spitze der Lotus Group stehende Schweizer trommelte auf dem Pariser Autosalon zum größten Paukenschlag in der Unternehmensgeschichte seit dem letzten Formel 1-WM-Titel 1978.

Dank fünf neuen Modellen sollten Lotus-Fahrer nicht mehr nur Motorsport-Fetischisten in ultraleichten Querdynamik-Fahrbüchsen sein. Der im gepflegten Manager-Look auftretende 40-jährige Bahar plante das ganz große Ding: Die neuen Modell-Generationen sollten Lotus in die Nobelwelt zwischen Aston Martin, Maserati oder Ferrari katapultieren.

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Anfang 2013 stand der Esprit auf dem Programm, später im Herbst sollte der Elan kommen. Der dritte Streich sollte mit dem Klappdach-Roadster Elite 2014 anrollen. 2015 sollte die neue Elise debütieren, im selben Jahr noch der Porsche Panamera-Konkurrent Eterne. Ach ja, nach einem Viertürer darf natürlich auch ein City-Car nicht fehlen, dachte sich Bahar – Lotus präsentierte eines, als Hybrid-Concept mit 1,2-Liter-Dreizylinder und einer Höchstleistung von 220 PS. Der Ruf der Kritiker von „größenwahnsinnigen Luftschlössern“ wurde lauter.

Stückzahlen gingen bei Lotus zurück

Ein erster großer Knall folgte im Januar 2012. Der malaysische Mutterkonzern Proton trat für 300 Millionen Euro seine Anteile von 43 Prozent an den malaysischen Autobauer DRBHICOM ab. In einem Interview mit dem Manager Magazin offenbarte Dany Bahar: „Praktisch fließt seither an uns kein Geld. Da geht es um Summen im Millionen-Pfund-Bereich. Wir sind auf diese Zahlungen angewiesen.“ Umso unverständlicher, warum Bahar im Februar noch 30 Millionen US-Dollar als Sponsor im Formel 1-Team verpulverte. Klitzekleine Info am Rande: Derzeit macht Lotus jährlich Verluste von rund 24 Millionen Euro. Die Stückzahlen gingen von rund 2.000 Fahrzeugen im Geschäftsjahr 2010 auf nur noch 1.652 Fahrzeuge 2011 zurück.

Wird aus dem Lotus-CEO Mr. Bahar plötzlich wieder der Dany aus dem Schweizer Engadin? Fest steht: Der Thron wackelt gewaltig. Laut Insidern ist zu befürchten, dass die in Paris gezeigten Modelle nicht alle zur Serienreife gebracht werden. Die Markteinführung des Esprit wird frühestens 2014 stattfinden.

Produktion ist in Gefahr?

Noch schlimmer: Die Produktion der aktuellen Modelle soll in den letzten Monaten teilweise fast vollständig stillgestanden haben. Eine kurze Fahrt über das Werksgelände beim sport auto-Besuch zwecks Fahrbericht mit dem neuen Exige S offenbarte ein trauriges Bild. Sämtliche Fahrzeuge warteten auf dem Außengelände in Hethel mit fehlenden Scheinwerfern auf die Endmontage – laut Insidern drehen verschiedene Zulieferer Lotus wegen ausstehender Zahlungen den Hahn ab.

Dabei ist der Auftragseingang beispielsweise für den neuen Exige S mit 350 Vorbestellungen sehr gut. Auch die derzeitige Produktpalette mit Elise, Exige und dem 2012 qualitativ besser gewordenen Evora kann sich sehen lassen. Doch Bahar scheint die derzeitige Enthusiasten-Klientel egal zu sein, er strebt weiterhin gen Olymp der Sportwagen-Hersteller. Zitat Bahar: „Heute ist es wichtiger, dass auch Sportwagen komfortabel und größer sind.“ Das erklärt auch, warum Bahar mit einem Porsche Panamera auf dem Firmengelände gesichtet worden sein soll – ein No-Go für Ur-Lotusianer und die puristischen Fans, die gerade in Krisenzeiten so wichtig sind.

Damit der neue Großaktionär Lotus nicht wohlmöglich doch in die Insolvenz schickt, wäre eines wichtig: Ein fundierter Autoexperte an der Lotus-Spitze. Diesem wäre sicherlich auch nicht wie Bahar der Satz entglitten: „Das letzte Fahrzeug, das Lotus komplett entwickelte, war das Modell Elise vor 15 Jahren.“ Im Fußball hätten die Verantwortlichen längst eines praktiziert: Den Cheftrainer entlassen.

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