ADAC GT Masters 2012
Wo steht die deutsche GT-Serie?

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Beim ADAC GT Masters befindet sich nach der ersten Saisonhälfte alles im Fluss. Mancher glaubt noch an sein Auto und versucht es zu verbessern, andere wechseln die Marke. Und auch die Serie selbst entwickelt sich. Aber die Frage lautet: in welche Richtung?

ADAC GT Masters, Start, Erste Kurve
Foto: ADAC

Vor anderthalb Jahren fand sich in diesem Heft die folgende Bemerkung über die ADAC GT Masters Serie: Der beste Indikator für die Lebendigkeit einer Rennserie sei die Anzahl der Grills im Fahrerlager. Damals brutzelten im GT-Masters-Fahrerlager noch die Würstel auf dem Grill, heute hat sich das Bild auch an dieser Front leicht verschoben: Zur Saisonhalbzeit 2012 machte das Gerücht von einem Grillverbot die Runde. Eine Protestaktion von militanten Vegetariern? Oder voller Ernst? Nichts dergleichen. Laut den Organisatoren vom ADAC darf auch weiterhin im Fahrerlager gegrillt werden. Allerdings in einem angemessenen Rahmen.

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Die Grill-Anekdote mag absurd erscheinen, doch sie steht stellvertretend für die Rauchzeichen, die einige am Himmel aufsteigen sehen. Da bilden sich Buchstaben-Wölkchen, die zusammengesetzt schnell die Stichwörter Professionalisierung oder DTM ergeben.
Mit 40 Autos boomt das ADAC GT Masters. Doch die Frage, die allerorten im Fahrerlager diskutiert wird, lautet: Wohin geht die Reise? Die Serie, in der einmal Bierbänke das Bild im Fahrerlager bestimmten, wird immer professioneller.

Wir brauchen keine zweite DTM

Im organisatorischen Reglement heißt es beispielsweise: „Aufgebaute Zelte haben dem professionellen Standard der Serie zu entsprechen und sind vom ADAC zu genehmigen.“ Manche sehen in solchen Entwicklungen das Bestreben, eine zweite DTM zu schaffen. Die Verantwortlichen beim ADAC sind anderer Meinung: „Wir wollen und brauchen keine zweite DTM, beide Plattformen haben derzeit ihre eigene Daseinsberechtigung“, so Sportpräsident Hermann Tomczyk.
Aber haben auch die Teams ihren Platz gefunden? Momentan ist das Teilnehmerfeld so bunt wie das Glas voller Bonbons beim Bäcker. Da gibt es Teams wie MS Racing, wo noch Oma und Opa eingebunden sind, und die derzeit den ganz Großen im Geschäft wie Heico mit ihren sportlichen Leistungen in die Suppe spucken. Eine willkommene Erfrischung. Doch die Kleinen dürfen nicht auf der Strecke bleiben.
Ernst Wöhr ist mit seinem Team Callaway Competition so etwas wie der Patenonkel der Serie. Der Mann mit der Baskenmütze ist seit der Premierensaison 2007 dabei. „Die Vorschriften werden immer strenger, und die Zugeständnisse immer weniger“, sagt er. „Es ist keine Serie mehr für Tuner, sondern für werksunterstützte Mannschaften oder Profi-Teams. Es ist nicht alles schlecht, aber einige Dinge sind vielleicht zu überdenken.“

Manchmal hakt es nur an der Kommunikation.

Die Verbannung der Reifenzelte zwischen Box und Trucks fassten manche als Schikane auf. Auf Seiten des ADAC war man aber gezwungen, die Rettungswege freizuhalten. Für verschiedene Ansichten sorgt auch das Thema Testverbot: Vier Wochen vor einer GT Masters-Veranstaltung darf nicht mit einem eingeschriebenen Fahrzeug auf der jeweiligen Rennstrecke getestet werden. Das gilt auch für baugleiche Fahrzeuge mit anderer Chassisnummer. Die Teilnahme an anderen Rennveranstaltungen ist jedoch gestattet. Eigentlich eine klare Regelung.
Bis auf den Sonderfall Nürburgring. Eine Woche vor dem Lauf im Rahmen des Truck Grand Prix sollen mehrere Teams an den Testfahrten zur VLN am Freitag auf der Grand-Prix-Strecke teilgenommen haben. Diese werden zwar von der VLN veranstaltet, gehören jedoch nicht zur Ein-Tages-Renn-Veranstaltung. Eine Grauzone, die im Reglement nicht eindeutig geklärt ist. Und ein Schlupfloch, das schon jetzt vor dem nächsten GT-Masters-Lauf am Nürburgring Mitte August für Diskussionen sorgt.
Mut zur Veränderung bewiesen hingegen einige Teams. Die fränkische Farnbacher-Truppe sattelte vom springenden Pferd aus Maranello auf das springende Pferd im Porsche-Wappen um. Beim dritten GT Masters-Lauf am Sachsenring setzte bei Teamchef Horst Farnbacher nach dem freien Training Schnappatmung ein. Er packte den Ferrari ein und fuhr mit Sack und Pack nach Hause. Am Nürburgring tauchte er mit einem Porsche 911 GT3 R wieder auf. „Es hat so keinen Sinn mehr gemacht“, erklärt Farnbacher.

Reifenschlamassel in der GT Masters

Der zwölfte Rang in Zandvoort stand nach vier Rennen als bestes Ergebnis zu Buche. An den Ferrari-Jockeys Niklas Kentenich und Mario Farnbacher kann es nicht gelegen haben – sie sind keine Nasenbohrer. Dem Team fehlte die Unterstützung von Ferrari. Zudem wollten die Yokohama-Reifen nicht mit dem Ferrari anbandeln. „Ferrari hat nie mit diesen Reifen getestet“, sagt Farnbacher. Während die anderen 18-Zöller fuhren, lief der Ferrari auf 19-Zöllern – ein Umstand, der den Reifenschlamassel nicht leichter machte.
Das Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel wurde nicht nur mit Autos getrieben, sondern auch mit Fahrern und Teams. Gemballa Racing trennte sich vor der Halbzeit am Nürburgring von Partner Zakspeed. Peter Zakowski agierte als eine Art Personalvermittlungsagentur, weil Gemballa Racing rund um Teamgründer und Investmentbanker Steffen Korbach zunächst keine eigenen Leute anstellen wollte. „Wir haben schon ein eigenständiges Team geplant, nur haben wir das Ganze jetzt vorgezogen“, lautet die Erklärung von Gemballa-Pilot und Teamchef Sascha Bert.
Eine Rakete ist der McLaren MP4-12C GT3 nach wie vor nicht – vor der Saison hoch gehandelt, während der Saison als Gurke verschmäht. Und wieder ist das Zusammenspiel zwischen Reifen und Auto im Verdacht, zumindest bei Gemballa Racing. „Mit dem Michelin-Reifen funktioniert das Auto, mit dem Yokohama nicht“, meint Bert. Der McLaren heizt den Yokohama nicht genug ein. „Die Slicks sehen aus wie ein Babypopo.“ Eine Ursache sieht Bert im Fahrwerk. Dem homologierten Dynamic Suspensions Fahrwerk konnten die Techniker offenbar noch nicht alle Geheimnisse entlocken.
Das MRS-Molitor-Team wirkt dagegen wie der Stamm der Weisen. Zwar hatten auch sie Startschwierigkeiten, scheinen die empfindliche Seele des McLaren aber nun zu durchschauen. „Am Anfang hatten wir nur Haltbarkeitsprobleme“, sagt Molitor. „Es kam uns vor, als wäre das Auto mit der heißen Nadel gestrickt.“
Die Teile waren schlampig montiert, Leitungen scheuerten auf, und das Motormanagement war ebenfalls mangelhaft. Molitor suchte daraufhin das Gespräch mit McLaren-Formel-1-Teamchef Martin Whitmarsh. Ein Weckruf für die Mannschaft aus Woking.
Offenbar hatte man Zulieferer überschätzt. Deshalb soll das Projekt nun auch in die Formel 1-Abteilung umgezogen sein. Seitdem liefert McLaren ständig Neuerungen, die Traktionskontrolle funktioniert, und Ingenieure kümmern sich an der Strecke um die Teams.
„Die Unterstützung ist nun sensationell, aber erst jetzt können wir an der Perfektionierung des Paketes arbeiten“, so Molitor. Die Probleme mit den Yokohama-Reifen hat die Molitor-Truppe kurioserweise nicht. „Die arbeiten hervorragend“, sagt er. „Wenn es so weiterläuft, dann ist das Auto in der Lage, in die Top Five oder auf das Podium zu fahren.“

Davon träumt auch Uwe Geipel mit seinem Team Yaco Racing. Der ehemalige DDR-Rallyemeister setzt die zwei von Hans Reiter konstruierten Chevrolet Camaro ein. Mit der bulligen Statur und einem Sound, dass die Ohren klingeln, gehört der Ami zu den Publikumslieblingen. „Ich hatte keine Lust, den elften Mercedes oder den siebten Porsche einzusetzen“, sagt Geipel. Er ist der perfekte Partner für Reiter, der allen beweisen will, dass auch ein erschwingliches Auto konkurrenzfähig sein kann. Man könnte sie auch die zwei Robin Hood des GT Masters nennen.

Kampf für mehr Gerechtigkeit

Der Kampf für mehr Gerechtigkeit ist schwieriger als gedacht. „Wir haben zu viel Dampf im Karton“, sagt Geipel. Die Schwierigkeit besteht darin, die brachiale Kraft des Camaro auf die Straße zu bringen. Ausnahmsweise lautet die Aufgabe nicht, mehr Leistung zu finden, sondern diese zu reduzieren. Im zweiten und dritten Sektor auf dem Nürburgring verlor die Wuchtbrumme kaum auf die Konkurrenz – dafür drehten im ersten Sektor die Räder in den langsamen Kurven ständig durch.

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