Audi-Drama in der Wüste
Zwei neue Chassis, bitte!

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Böse Überraschung für die Mechaniker des Audi-Werksteams Joest Racing in Bahrain: Beim turnusmäßigen Zerlegen der Autos am Dienstag stellte man fest, dass beide Chassis Risse aufweisen. Dann begann ein Wettlauf gegen die Zeit.

Audi R18 - WEC - Bahrain - 2014
Foto: Audi

Dramen sind im Motorport keine Seltenheit, meistens finden sie aber auf der Rennstrecke statt. Nicht so in Bahrain, dem Schauplatz des siebten und vorletzten Laufes zur Sportwagen-WM. Am Montag vor dem Rennen trafen die Autos vom Rennen in Shanghai im Fahrerlager ein, die Joest-Mechanikermeute begann mit der üblichen Prozedur, beide Autos komplett zu zerlegen, sie genau zu inspizieren und neu aufzubauen.

Gleich 2 Audi R18-Chassis mit Rissen

Als der Unterboden komplett demontiert war, stellten die Mechaniker am ersten Auto fest, dass das Monocoque Risse aufwies. Ein Ersatz-Monocoque hat das Einsatzteam natürlich immer dabei, und es war noch früh in der Woche. "Wir dachten, alles kein Problem", so Joest-Technikdirektor Ralf Jüttner. Er forderte auch gleich noch ein Reservechassis von Audi Sport in Ingolstadt an, denn sonst wäre das Team ja ohne Reserve ins Rennwochenende gegangen.

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Als die zweite Mechaniker-Crew den zweiten Audi R18 e-tron quattro zerlegte, kam die nächste Hiobsbotschaft: Auch dieses Chassis wies Risse im Monocoque auf. Am Mittwoch begann dann die erste Crew, mit Hilfe des vor Ort befindlichen Chassis ein neues Auto aufzubauen. Die zweite Crew musste dagegen Däumchen drehen, denn das zweite Reservechassis wollte einfach nicht in Bahrain kommen.

Und es kam die nächste Hiobsbotschaft: Der Frachtflieger aus Deutschland war überladen, der Flugkapitän ließ einen Teil der Ladung wieder ausladen – darunter auch das von Ralf Jüttner angeforderte Reservechassis aus Ingolstadt.

Mechaniker-Wettlauf gegen die Zeit

Cleverer Weise hatte Jüttner aber noch einen Joker im Ärmel, denn er hatte noch ein zweites Reservechassis angefordert, diesmal vom Testteam. "Denn sonst hätten wir ja am Rennwochenende wieder keinen Ersatz mehr gehabt, und das war uns zu heikel. Also haben wir vom Testteam auch noch ein Monocoque angefordert."

Das zweite Monocoque traf am Donnerstagmorgen kurz vor drei Uhr im Fahrerlager ein - fast zeitgleich mit der Mechaniker-Crew, die ihre Wecker auf 02.30 Uhr eingestellt hatte. "Uns war klar, dass wir es bis zum ersten freien Training um 15.00 Uhr (lokale Bahrain-Zeit, 13.00 MEZ) niemals schaffen würden, das zweite Auto auch noch fertig zu bekommen", dachte Ralf Jüttner.

Doch erstens half die Crew vom anderen Auto mit, nachdem sie bereits selbst ein Auto komplett neu aufgebaut hatten. Und zweitens sind die Audi-Mechaniker berühmt dafür, Autos in Rekordzeit neu aufzubauen. In Le Mans mussten sie dieses Jahr nach dem Unfall von Loic Duval ebenfalls einen LMP1-Prototypen - der nebenbei bemerkt aus gut 6.000 Einzelteilen besteht - komplett neu aufbauen, und erledigten den Job in mehr oder weniger 8 Stunden!

Beide Audi R18 rechtzeitig zum Training fertig

In Bahrain waren sie nach 7 Stunden (!) fertig. "Okay, danach mussten noch die Elektroniker die gesamte Software checken und aufspielen, aber die Hardware wie Motor, Cockpit, Getriebe und Hybridsystem war nach 7 Stunden fix und fertig und voll funktionsfähig. Das ist absolut irre, so etwas habe ich noch nie erlebt, auch nicht in le Mans."

40 Minuten vor Rennbeginn kam der Technische Steward, um das zweite Auto zu prüfen und abzunehmen. "Wenn wir jetzt noch mit beiden Autos das erste Training durchfahren können, dann schulde ich den Mechanikern aber wirklich ein paar Bier", so Jüttner. Und siehe da: beide Audi R18 e-tron quattro traten zum ersten freien Training ganz pünktlich an.

Ralf Jüttner zeigte stolz ein Foto umher, das zuvor am frühen Morgen in der Box aufgenommen wurde: da hatten die Joest-Mechaniker vier Satz Reifen und einen Rennsitz hingestellt, und dem Technischen Steward eine SMS mit Bild geschickt: Der Text: "Das Auto ist fertig für die technische Abnahme." 10 Stunden später war es dann wirklich soweit.

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