Blancpain Endurance Series
Die Konsolidierung des GT3-Sports?

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Die Blancpain-Serie von GT-Promoter Stéphane Ratel rücken zusammen. Während die Sprint-Variante schon immer kränkelte, fehlen nun plötzlich 20 Autos in der Langstrecken-Serie. Ein Grund zur Sorge?

Blancpain Series Monza 2014
Foto: xpb

Erfolg ist immer relativ und natürlich eine Frage der Perspektive. Wer also den GT-Promoter Stéphane Ratel mit der Frage behelligt, warum denn seine Blancpain Endurance Series nur noch 40 Starter aufweist statt wie noch im letzten Jahr derer 60, so könnte er es bei einer ganz simplen Gegenfrage bewenden lassen: "Welche andere Serie vereint denn heute schon 40 Fahrzeuge gleicher Bauart in einem Rennen?"

Touché, Monsieur Ratel. Seine Langstreckenserie mit Rennen über drei Stunden erlebte im vergangenen Jahr einen außergewöhnlichen Boom, in dieser Saison haben einige Teams, wie zum Beispiel Marc VDS, dem Format den Rücken gekehrt. Dabei ist die natürliche Selektion dem Chef – wen wundert es? – noch nicht einmal unrecht. "60 Autos waren zu viel, in den Boxen ging es extrem eng zu, und in der ersten Schikane in Monza hatten wir letztes Jahr einen echten Rückstau erlebt. Ich wollte aber nicht aussuchen, wer dabei sein darf und wer nicht – nun hat sich das Ganze selbst reguliert", sagt Ratel.

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Saison-Highlight der Blancpain Endurance Series längst dicht

Wirklich besorgt wirkt der braungebrannte Sonnyboy mit den dunklen Haaren, die er sich fortwährend aus dem Gesicht streicht, aber nicht. Im Fahrerlager hat Ratel den Ruf, freundlich und bemüht zu sein, man erzählt aber auch, er könne ganz anders. Um das Saison-Highlight der Blancpain Endurance Series, das 24h-Rennen in Spa Ende Juli, muss er sich sowieso keine Sorgen machen – denn mit 65 Einschreibungen sind die Schotten bei diesem Klassiker schon heute längst dicht.

Bei seinem zweiten Flaggschiff neben der Endurance Series, der ehemaligen FIA GT-Weltmeisterschaft, die nun unter dem gleichen Markennamen als Blancpain Sprint Series läuft, hat er wieder ganz allein das Zepter in der Hand. Die FIA mischt bei dem seit geraumer Zeit kränkelnden Konzept nicht mehr mit. "Sie haben eine strategische Allianz mit dem ACO, wir haben dadurch mehr Freiheiten. Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten können. Der Vorteil ist, dass wir nun beide Serien unter einem Namen vermarkten können."

22 Autos waren bei der Sprintserie, die im französischen Nogaro Mitte April ihren Auftakt feierte, am Start. Nur fünf Teams treten in beiden Meisterschaften an. "Das hat uns etwas verwundert", gibt Ratel zu. Denn eigentlich sieht er in der Verknüpfung der beiden Championate den großen Vorteil. Vincent Vosse, Teamchef des belgischen WRT-Teams, hat sich ganz bewusst für beide Serien entschieden. "Es sind insgesamt zwölf Rennen, man hat keine lästigen Terminüberschneidungen, es gibt gutes Preisgeld, und man kann im Idealfall sogar zwei Titel holen."

GT-Promoter Ratel spricht am liebsten in Zahlen

Am liebsten spricht Ratel in Zahlen. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Zettel, auf dem er fein säuberlich aufgelistet hat, wie viele Fahrer aus wie vielen verschiedenen Nationen antreten. Er selbst hat die Strichliste erstellt und betet sie auch in der Fahrerbesprechung noch einmal stolz herunter. Die Piloten der Blancpain Endurance Series kommen aus 25 Ländern, und auch die Vielfalt bei den Herstellern ist groß: Ferrari, Porsche, BMW, Aston Martin, Audi, McLaren, Mercedes, Lamborghini, Jaguar und neuerdings auch Bentley geben sich auf der Strecke die Ehre.

Was die Qualität des Starterfelds betrifft, gehen die Meinungen indes auseinander. Die einen sind überzeugt, es gehe immer noch auf hohem Niveau zu, die anderen weisen darauf hin, dass es nur noch wenige Top-Autos gebe. Dazu zählen zum Beispiel die beiden WRT-Audi mit GT-Cracks wie Marc Basseng, Frank Stippler und Christopher Mies am Steuer, der Mercedes SLS AMG von HTP Motorsport mit Vorjahresmeister Maximilian Buhk, die McLaren mit bekannten Namen wie Alvaro Parente, Andy Soucek oder Kevin Estré und natürlich Bentley, die Ex-F1-Pilot Jerome D’Ambrosio verpflichtet haben.

Das BOP-Tauziehen geht weiter

Zuletzt warb Ratel für die neuen Fernseh-Deals, die er eingefädelt hat. Aus deutscher Sicht sind sie allerdings eher ein Rückschritt: Die Live-Übertragung auf RTL Nitro fällt weg, stattdessen werden bei RTL stark zeitverzögert vor dem Formel-1-Qualifying nun Zusammenfassungen gezeigt. Eurosport überträgt ebenfalls nur einige ausgewählte Sprintrennen live, ansonsten muss man sich auch hier mit Zusammenfassungen begnügen. "Als Team braucht man Planungssicherheit. Was soll ich denn im Oktober meinem Sponsor erzählen, wenn die Fernseh-Deals erst eine Woche vor Saisonstart bekannt gegeben werden?" fragt Hans Reiter, der mit seinem Team in Monza mit einem Lamborghini am Start war.

Stabilität ist auch das große Thema in Sachen Balance of Performance (BOP). Eigentlich müsste man meinen, der Ärger sei verpufft, schließlich wurde der technische Stand der GT3-Renner im vergangenen Jahr eingefroren. Damit gehören die über den Winter kostspielig entwickelten Evo-Pakete der Vergangenheit an. Es dürfen nur noch Modifikationen ans Auto gebracht werden, die der Haltbarkeit dienen.

Das Tauziehen nimmt trotzdem kein Ende. Im Vergleich zum letzten Rennen der vergangenen Saison durfte Audi für den Saisonauftakt 30 Kilo ausladen und acht Millimeter tiefer an der Hinterachse fahren, Porsche durfte 15 und BMW zehn Kilo ausladen. Ferrari, Lamborghini, McLaren, Mercedes und Nissan mussten stattdessen Gewicht einpacken. Der Unterschied zwischen Audi und beispielsweise Mercedes liegt nun bei 45 Kilogramm im Vergleich zum vergangenen Jahr.

Kleine Anpassungen während der Saison

Da werden viele das Gefühl nicht los, die SRO wolle den Ärger von Audi wieder etwas ausbügeln – die Ingolstädter waren 2013 beim 24h-Rennen von Spa aufgrund der FIA-Einstufung chancenlos. "Die SRO hat keinen Grund politisch zu sein, die wollen einfach nur eine gute Meisterschaft", behauptet Vosse. "Man kann nicht nach drei Rennen sagen: Oh, da müssen wir nach der BOP schauen. Denn dann ist die Hälfte der Meisterschaft schon gelaufen. Man muss schnell reagieren." Das sieht auch Ratel so: "Die Reaktionszeit bei dem alten FIA-System war zu lang."

Um sich jedoch nicht mehr ständig auf diese Diskussionen einlassen zu müssen, hat er gleich zum Saisonauftakt klargestellt, dass man mit ihm nicht mehr zu verhandeln brauche. Stattdessen setzt man nun von vornherein auf kleine Anpassungen während der Saison. Dafür wurden die jeweiligen Streckentypen in drei Kategorien, abhängig vom Abtriebsniveau, unterteilt. Diese neue Philosophie findet im Fahrerlager allerdings nicht nur Freunde.

"Never change a winning system", sagt beispielsweise Hans Reiter, "wir müssten dankbar sein, dass die BOP so halbwegs funktioniert hat." Für den Bayer war ein Erfolgsgarant der Serie, dass man im Vergleich zu anderen Championaten so wenig wie möglich an der Balance of Performance herumschraubte. "Ich sage auch immer wieder: Wir dürfen die Reifen nicht vergessen, die sind im Laufe der Jahre immer härter geworden – und das macht dir dein Abtriebspaket kaputt."

Bentley das "dicke Schiff" auf großer Fahrt

Neueinsteiger Bentley hatte ganz andere Sorgen als die Einstufung. Nach dem Test beim nicht viel beachteten 12h-Rennen von Abu Dhabi musste sich der Kraftprotz in Monza zum ersten Mal im richtigen Wettkampf behaupten. Schon nach dem Qualifying zahlte sich die Kooperation mit dem Rallye-Team M-Sport aus – denn der Bentley mit der Startnummer 7 machte frontal Bekanntschaft mit den Reifenstapeln. Bis um 8 Uhr morgens schraubte man durch, um das Auto doch noch ins Rennen schicken zu können.

"Es mag außergewöhnlich sein, mit M-Sport, einer Mannschaft aus dem Rallye-Sport zusammenzuarbeiten, aber wir wollten etwas Neues ausprobieren. Vor allem bei ihrem Ersatzteilmanagement haben sie einen Vorteil", sagt Bentley-Motorsportchef Brian Gush. Auch wenn hier und da über den Continental GT3 als das "dicke Schiff" gewitzelt wurde, traute die Konkurrenz den Briten von Anfang an viel zu.

Dabei bringt man mit 1.300 Kilogramm zwar viel auf die Waage, aber das Mindestgewicht für den Mercedes SLS AMG liegt sogar noch zehn Kilogramm darüber. Im Rennen rührten die Bentley-Boys ordentlich die Werbetrommel für den Continental. Lange hielt man sich auf Rang zwei hinter dem weit vorausgepreschten McLaren, der dank Set-up-Modifikationen und verbesserter Feinjustierung von Federn und Dämpfern in einer anderen Welt zu fahren schien.

Das Ziel von Bentley lautet, in diesem Jahr rund zehn Autos zu verkaufen. Neben dem Einsatz in der Blancpain-Serie steht bereits fest, dass ein Kundenauto in der britischen GT-Meisterschaft antreten wird. Die Fahrerwahl ist allerdings etwas außergewöhnlich: Neben D’Ambrosio, der kaum Erfahrung im GT-Sport hat, prangen Namen wie Duncan Tappy und Andy Meyrick, die selbst GT-Experten nicht unbedingt geläufig sind, auf den grün-weißen Rennautos.

"Wenn wir immer das Gleiche machen, bekommen wir das gleiche Ergebnis", sagt Gush, "deshalb machen wir es anders."

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