Blickpunkt Porsche-Kurven
Mit 245 km/h rein, mit 270 Sachen raus

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Le Mans war immer eine unerbittliche Rennstrecke. Früher flößten Namen wie Hunaudières, Indianapolis und Maison Blanche den Fahrern Respekt ein. Heute sind es die Porsche-Kurven. Audi-Fahrer Loic Duval hatte in der Passage, die mit 245 km/h beginnt und mit 270 km/h endet, am Mittwoch einen mörderischen Unfall.

Impressionen - 24h-Rennen von Le Mans 2014 - Motorsport - Porsche 919 Hybrid
Foto: Porsche

Die Liste der schweren Unfälle von Le Mans ist lang. Entlang der Rennstrecke an der Sarthe stehen viele Grabkreuze. Das hat Le Mans mit dem dem alten Nürburgring, Indianapolis und Monza gemein. Es war und ist eine gefährliche Rennstrecke. "Einige Stellen hier sind bezogen auf den Sturzraum nicht mehr ganz zeitgemäß", sagt Sebastien Buemi.

Früher verbreiteten die 6 Kilometer lange Hunaudières-Gerade, der Vollgas-Knick der Indianapolis-Kurve und Maison Blanche Angst und Schrecken. Maison Blanche war eine Rechts-Links-Rechts-Passage durch eine kleine Ortschaft. Es gibt sie heute nicht mehr. Die neue Streckenführung biegt einen Kilometer hinter Arnage in die Porsche-Kurven ab, die weiter innen verlaufen.

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Es geht nicht an Häusern vorbei, und die Mauern stehen auch nicht mehr direkt neben der Straße, doch mit den gestiegenen Geschwindigkeiten sind auch die Porsche-Kurven ein furchterregender Streckenabschnitt. Da helfen zehn Meter Platz links und rechts nicht viel.
Ein LMP1-Auto sticht mit 245 km/h in die erste Rechtskurve, die in eine Doppel-Links und dann in eine eine Doppel-Rechts mit abschließendem Linksknick übergeht. Am Ausgang sind die Autos 270 km/h schnell. Da darf dann nicht mehr das geringste schiefgehen. "Ein Formel 1-Auto wäre da nicht viel schneller", vergleicht Buemi.

Bei Loic Duval ging etwas schief. Der 32-jährige Franzose war im freien Training in der Rechtskurve mit dem doppelten Scheitelpunkt deutlich zu schnell, geriet aufs Gras, bekam Übersteuern und hob ab. Sein Audi zerschellte in den Fangzäunen. Duval stieg mit Schnittwunden und einem Brummschädel aus. Ein Wunder, wenn man sieht, was von dem Audi übergeblieben ist.

Wenig Zeit, sich heranzutasten

Ironie des Schicksals: Duval-Ersatzmann Marc Gené hatte 2008 in einem Peugeot einen fast identischen Crash. Am Donnerstag sorgte ein GT-Ferrari mit einem Abflug in den Porsche-Kurven für eine rote Flagge. Das wirft die Frage auf. Was ist so speziell an dieser Kurvenfolge? Buemi: "Der Speed und die schmale Fahrbahn. Im ersten Teil gibt es nur eine Linie. Wenn du die nicht erwischst, bist du entweder zu langsam oder in der Mauer."

Der Verkehr ist in diesem Geschlängel ein zusätzliches Problem, erklärt der Schweizer: "Es steht fast immer ein Auto im Weg. Deshalb hast du wenig Chancen, dich Schritt für Schritt an das Maximum in dieser Kurve heranzutasten. Wenn dann mal die Bahn frei ist, willst du volle Kanne durchheizen. Und dann wird es gefährlich."

Wegen des hohen Speed-Unterschieds zu den GT-Autos ergeben sich in den Porsche-Kurven auch immer wieder nervenaufreibende Aha-Erlebnisse. "Du siehst dort nur eine Kurve weit. Es kann aber sein, dass in der übernächsten Kurve ein langsames Auto lauert, auf das du dann plötzlich mit hohem Speed-Unterschied aufläufst. Und dann musst du zaubern."

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