Die Gründe für den BMW-Rückzug aus Le Mans
Amerikanische IMSA statt Sportwagen-WM

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BMW zieht sich nach einem Jahr und zwei Le Mans-Auftritten aus der Sportwagen-Weltmeisterschaft zurück. Der M8 GTE wird dann nur noch in der amerikanischen Sportwagenserie IMSA fahren. BMW-Sportchef Jens Marquardt nennt eine veränderte Welt und die Vermarktung des M8 als Hauptgründe für den Rückzug.

BMW M8 GTE - 24h-Rennen Le Mans 2019 - Qualifying
Foto: BMW

Die Macher der Sportwagen-Weltmeisterschaft (WEC) mögen in Le Mans ein neues Reglement für die Topklasse ab September 2020 präsentiert haben. Und mit Aston Martin einen neuen Gegner für Toyota gefunden haben. Die Probleme, die die Weltmeisterschaft mit sich herumschleppt, und ihre Zukunft gefährden, sind dadurch allerdings noch lange nicht gelöst.

Man könnte sagen, Ausrichter ACO und Motorsportweltverband FIA haben ein Loch notbedürftig geflickt, dafür droht an anderer Stelle eines aufzureißen. Die Sportwagen-WM wird ein weiteres langweiliges Jahr überbrücken müssen, bis Aston Martin mit dem Valkyrie kommt. Toyota wird auch in der Saison 2019/2020 die LMP1-Privatteams an die Wand fahren. Zu allem Überfluss dünnt sich das Feld der vorher blühenden Klasse LMGTE Pro aus. Manche behaupten sogar, sie drohe langsam zu zerfallen.

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BMW und Ford steigen aus. Da fallen in Le Mans gleich mal sechs Autos weg. Chevrolet hat für das nächstjährige Le Mans noch keine Zusage erteilt. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass man mit der neuen Mittelmotor-Corvette, die noch in diesem Jahr vorgestellt wird, 2020 an die Sarthe kommt. Dann wären vier Hersteller in der LMGTE Pro vertreten.

Jens Marquardt - BMW - Motorsport
BMW
BMW-Sportchef Jens Marquardt zieht sich mit seiner Mannschaft aus der Sportwagen-WM zurück.

ACO tritt gegen BMW und Ford nach

Der ACO versucht, das Aus von BMW und Ford positiv zu verkaufen – und schießt dabei übers Ziel hinaus. „Mit Porsche, Ferrari und Aston Martin bleiben die drei größten Sportwagenhersteller der Welt“, sagt Präsident Pierre Fillon. Da mussten sich die Verantwortlichen von Ford und BMW auf die Zähne beißen. Es gibt nicht wenige im Fahrerlager von Le Mans, die nach der Aussage den Kopf geschüttelt haben. BMW-Motorsportchef Jens Marquardt verzichtete auf eine öffentliche Retourkutsche „Ich kann verstehen, dass der ACO emotional reagiert.“

Ford zieht nach vier Auftritten in Le Mans den Stecker. Das Programm der Amerikaner war ursprünglich auf zwei Jahre ausgelegt. Man verlängerte es nach der ersten Saison um weitere drei Jahre. BMW hingegen verlässt die Sportwagen-WM bereits nach einer Saison. Auf eine so kurze Zeitspanne ist für gewöhnlich kein Motorsport-Programm ausgelegt. „Eigentlich wären es zwei Jahre gewesen. Aber dadurch, dass die WEC eine Super-Saison aufgelegt hat, fahren wir nur ein Jahr“, sagt Marquardt. Immerhin tauchte BMW durch die sogenannte Super Season zwei Mal in Le Mans auf.

Dass die Münchner die Sportwagen-WM so schnell wieder verlassen, hat laut Marquardt verschiedene Gründe, wie er in Le Mans ausführte. Die Welt sei eine andere als vor vier Jahren, als man den Einstieg beschlossen hatte. Die Automobilbranche durchlebt eine Krise. „Wir haben das Programm Ende 2015 gestartet. Damals gab es keinen Dieselskandal und keine drohenden Zollschranken, die uns belasten. Wir fahren durch steiniges Gewässer.“

WM fürs Marketing nicht relevant

Die Belastung auf die Automobilhersteller ist gewachsen. Neue Herausforderungen wie die Elektromobilität zwingen sie zum Umdenken, zum Verlagern von Ressourcen, zur Konzentration von Programmen, zum Sparen. BMW will in den nächsten Jahren mehrere Milliarden einsparen. Und da kann und muss der Motorsport seinen Teil zu beitragen. Zumal das WM-Programm nicht den gewünschten „Return of Invest“ bringt.

Ein GTE-Programm in der Sportwagen-WM kostet zwischen 15 und 30 Millionen Euro. Dafür ist die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit gering. Um es überspitzt auszudrücken: Eigentlich interessieren sich die Leute nur für das 24h-Rennen in Le Mans. Aus Marketinggründen machte für BMW deshalb eine Fortsetzung des Engagements keinen Sinn.

Das WM-Programm kam auf den Prüfstand und wurde vom Vorstand gekillt. Stattdessen setzt BMW den M8 GTE nur noch in den USA in der IMSA-Rennserie ein. „Wir haben zwei Programme und müssen uns für eines entscheiden“, führt Marquardt aus. „Die USA sind für BMW M allgemein und den Straßen-M8 der wichtigste Markt. Mit unserem IMSA-Rennprogramm können wir auf neun Events quer verteilt im Land die Geschichte des M8 erzählen. Das ist aus Marketing-Perspektive effizienter, als wenn wir nach China und Japan reisen. Motorsport ist ein Marketing-Tool. Mit der Sportwagen-WM kommen wir zu einem Rennen in die USA. Das ist zu wenig. Unsere Analysen zeigen, dass Frankreich noch ganz gut läuft. Die restlichen Länder, in denen die WM fährt, sind für unsere Marketing-Abteilung nicht relevant.“

Einwand: Hätte BMW nicht schon vor dem Einstieg in der WM wissen müssen, dass die Vermarktung schwierig ist? Und nicht gleich besser alle Ressourcen auf die IMSA verlagern? Marquardt: „Damals waren die Gegebenheiten andere. Es waren andere Beteiligte am Tisch. Hätten wir mit dem heutigen Wissen die Entscheidung damals treffen können, hätten wir uns vielleicht anders entschieden.“

BMW M8 GTE - 24h-Rennen Le Mans 2019 - Qualifying
BMW
Kann der M8 in seinem letzten Le Mans-Rennen auf das Treppchen fahren?

Verhältnis mit ACO „okay“

BMWs Programm in der Sportwagen-WM stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Immer wieder wurden dem Hersteller Steine in den Weg geworfen. Zum Beispiel bei der Entwicklung des M8 GTE. Das Auto war schon weit entwickelt, da entschieden die Regelhüter, dass BMW den Rennwagen doch nicht im ganzen Mittelbereich um zehn Zentimeter vertiefen dürfe. Das warf die Entwicklungsabteilung um vier Monate zurück – und kostete Geld.

Dann die Querelen um die Fahrzeugeinstufung – im Fachjargon Balance of Performance. BMW fühlte sich in Le Mans 2018 benachteiligt. Und auch in diesem Jahr. Das verleitet nicht gerade zum Weitermachen. Laut Marquardt hat das Aus in der Sportwagen-WM keine sportlichen Gründe. „Unsere Leistungen waren kein Faktor. Für gewöhnlich dauert es mit einem neuen Auto ein bisschen, bis das Thema Balance of Performance sitzt. Wir hatten gute Rennen und weniger gute.“ Das Verhältnis mit dem ACO sei okay. Okay heißt nicht schlecht, aber eben auch nicht gut. Insider berichten von einem zumindest gestörten Verhältnis zwischen BMW und dem WEC-Management.

Theoretisch könnte BMW die Sportwagen-WM auslassen, trotzdem 2020 aber in Le Mans auftauchen. Die Option liegt auf dem Tisch. Zwischen den Zeilen liest man allerdings heraus, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist. „Wir konzentrieren uns erst einmal auf das Rennen, dann auf die IMSA und evaluieren dann Ende des Jahres, was für 2020 Sinn macht“, sagt Marquardt. Und so wird BMW sein Sportprogramm konzentrieren auf die DTM, die Formel E, die GT3 und die IMSA.