Die Fans beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2014
Party auf der Nordschleife

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Das 24h-Rennen auf dem Nürburgring schreibt seine eigenen Geschichten. Nicht nur auf der Strecke, sondern auch abseits auf den Campingplätzen. Dort lautet das Motto: Party bis zum Umfallen.

Impressionen - Campingplatz - 24h-Rennen - Nürburgring 2014
Foto: Stefan Baldauf / Robert Kah

Am Pflanzgarten 1 kommt es zu einer Flugshow der besonderen Art. Während auf dem Nürburgring das Rahmenprogramm für das 24h-Rennen läuft, haben Yannik und seine Freunde einen Tisch und zwei Bierbänke aufeinander gestapelt. Allerdings steht die Konstruktion auf wackeligen Beinen. Selbst kleine Holzbretter, die sie unter die Tischbeine geschoben haben, sorgen für keinen festen Stand. Also muss eben Christoph festhalten. Dazu meldet sich einer der vielen Schaulustigen, die sich am Zaun vor dem Campingplatz der Crew aus Niederzissen versammelt haben, um das selbstgebaute Sprungbrett zu halten. „Ich stehe auf so eine kranke Scheiße“, sagt Yannik.

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Action beim 24h-Rennen auf und abseits der Nordschleife

Er nimmt sich einen Stuhl und steigt auf die oberste Bierbank. Nach einem Schluck aus der Bierflasche, setzt er behutsam einen Fuß vor den anderen. Am Schanzentisch angekommen blickt er noch kurz auf die Meute, bevor er sich aus rund 1,80 Metern in die Tiefe stürzt. Yannik liegt fast waagerecht in der Luft, bis er mit dem Bauch voran in einem Planschbecken landet. Platsch! Das Wasser sucht sich seinen Weg auf die Zuschauer. Doch statt die Besucher „Waah“ schreien zu hören, vernimmt man lautes Lachen. Später wagt auch Christoph den Sprung ins Nasse, ehe Yannick erneut sein akrobatisches Talent beweist.

Mit über 160 Fahrzeugen und mehr als 600 Rennfahrern am Start gilt das 24h-Rennen auf dem Nürburgring als die größte Automobilveranstaltung der Welt. Action gibt es jedoch nicht nur auf der Piste. Bei über 200.000 erwarteten Zuschauern (Veranstalter) wird auch abseits des Asphaltbandes kräftig Gas gegeben – und zwar auf den dutzenden Campingplätzen, die sich in den Wäldern rund um die Nordschleife verstecken.

Ein weiterer Beweis gefällig? Nur wenige Meter von der Flugshow entfernt wird „Büchs-Deluxe“ gespielt. Das geht so. Je drei Mann stehen sich im Abstand von fünf Metern gegenüber. Zwischen ihnen ist eine Flasche platziert, die von einer mit Klebeband ummantelten Klopapierrolle abgeworfen werden muss. Wird die Flasche von einem Team getroffen, muss das andere sie wieder aufstellen. In der Zwischenzeit darf die Mannschaft, die das Zielobjekt umgeworfen hat, aus Bierdosen trinken. Gewonnen hat, wer zuerst ausgetrunken hat. Neben dem Spielfeld: ein Zaun, der von unzähligen Bierdosen geschmückt wird. Wie oft hier wohl schon gespielt wurde?

Am Nürburgring zu Freunden geworden

Vom Pflanzgarten geht es zum Abschnitt Hatzenbach. Auf den Schotterwegen entlang der Nordschleife stehen Zelt an Zelt und Wohnwagen an Wohnwagen. Qualm steigt zwischen ihnen empor. Es wird fleißig gegrillt. Eine Besonderheit in Hatzenbach: ein geschmückter Weihnachtsbaum. „Gestern hatten wir Bescherung“, erzählt Asco von den Hatzen. „Es gab als Geschenke zum Beispiel eine Wasserpistole, einen Eimer Blutwurst mit Kölsch oder eine Halskette.“

Die Hatzen, das sind zwölf Nordschleifen-Anhänger, die teilweise aus den unterschiedlichsten Ecken Deutschlands kommen. Aus Emden, Köln und Gummersbach beispielsweise. Am Nürburgring sind sie zu Freunden geworden. Hier feiern sie jedes Jahr eine große Party. Das macht das 24h-Rennen so besonders. Es geht nicht nur um den Motorsport. Das ganzheitliche Erlebnis treibt die Fans Jahr für Jahr an den Ring. Unter Gleichgesinnten zu sein, zusammen zu grillen, Bier zu trinken, und zu feiern: Das macht einen großen Teil der Nordschleifen-Faszination aus.

Ärger mit den Nachbarn? Gibt es nicht. Schließlich kann jeder gerne auf ein Bierchen vorbeikommen. Und auch zum Wasser lassen. Dafür haben die Hatzen eigens ein Urinal aufgebaut – mit Blick auf die Rennstrecke. Asco erzählt: „Kuno hatte das Urinal im Keller stehen. Ich habe die paar Fließen mitgebracht.“ 50 Cent soll ein Gang aufs Panorama-Klo kosten. „Alle kucken, und alle wollen pinkeln, doch bezahlen will niemand“, sagt Kuno.

„Es gibt nur Vollgas“

Auf dem Weg vom Hatzenbach zum Schwalbenschwanz ist vorsichtig geboten. Am Wegrand steht ein Blitzer aus Pappe. Für die Verkehrsordnung ist gesorgt. Auf dem Domizil der „Crew Schwalbenschwanz“ brutzelt ein Spannferkel über dem Grill. Daneben liegen auf dem ramponierten Rasen verteilt Plastikflaschen, Kronkorken, Zigarettenschachteln, Bierflaschen Kanister sowie ein umgeworfener Kasten Sprudel. Es ist der einzige auf dem gesamten Campingplatz. Aufgeräumt wird erst nach dem Rennen. In der Zwischenzeit heißt es: Party bis zum Umfallen.

„Wir haben für das Wochenende 3.000 Euro zusammengelegt. Für uns gibt es nur ein Gas – und zwar Vollgas“, berichten die jungen Männer. Auch sie haben sich zur Abkühlung ein kleines Becken eingerichtet. Daneben steht eine Dusche. Ebenfalls auf dem Campingplatz: ein grünes Netz zum Volleyballspielen und eine Dartscheibe.

Für weitere Unterhaltung sorgt das Kinderspiel Luping Lui, das allerdings für den Trinkspaß zweckentfremdet wird. Es trinkt nicht nur der Verlierer, sondern alle Mitspieler. So erhöht sich der Spaßfaktor. Getränke gibt zu genüge: „Wir haben 65 Kisten Bier, dazu 100 Liter Schnaps, und Cola zum Mischen.“ Geschlafen wird drei bis vier Stunden täglich. „Es geht morgens um acht lost, und dann solange bis wir umfallen. Wenn jemand schlafen will, lassen wir ihn aber auch in Ruhe.“

Die Party am Nürburgring steht für die jungen Männer unter einem Kredo. Es zählt die Gemeinschaft. „Was am Schwalbenschwanz passiert, bleibt auch dort“, sagen sie. Nach einem ähnlichen Motto dürfte wohl auch die Mehrzahl der campierenden Besucher beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring verfahren.

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