Die kuriosesten Patzer beim 24h-Rennen
Dumm gelaufen in der Grünen Hölle

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Das 24h-Rennen auf dem Nürburgring liefert stets schöne Anekdoten und saftige Stories. Besonders spannend sind jene Geschichten, in denen es um kuriose Unfälle oder um phantasievolle Interpretationen der Regeln geht.

24h-Nürburgring, Impressionen Historie
Foto: Jörg Ufer

Ein Blick in die Historie des Langstrecken-Klassikers fördert viele Erinnerungen zu Tage – kuriose, tragische und lustige Ereignisse. 2003 zum Beispiel ersann der mit allen Wassern gewaschene, gerissene Peter Zakowski einen besonders ausgebufften Trick, weil er glaubte, sein Zakspeed-Team sei mit der Viper gegen die neuerdings zugelassenen DTM-Fahrzeuge chancenlos.

Statt an der Zapfpistole quälend langsam zu tanken, planten Zakowski und Teamingenieur Andreas Hainke, den leergefahrenen 90-Liter-Tank bei jedem Stopp gegen einen bereits befüllten Tank einfach auszutauschen. Stoppdauer: nur 20 Sekunden.

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Da alle Teilnehmer an den normalen Zapfanlagen in der Boxengasse auftanken müssen, errechnete sich Zakowski eine Dauer von nur 90 Sekunden von der Boxeneinfahrt bis zur Ausfahrt. Zeitgewinn gegenüber den DTM-Autos (mit 120-Liter-Tank): über eine Minute.

Der trickreiche Peter Zakowski

Doch die Rennleitung überriss den Trick dank eines Insider-Tipps und präzisierte das Reglement in letzter Sekunde. Worauf Zakowski ebenso auf einen 120-Liter-Tank umrüstete, dabei gleichzeitig seinen Boliden nunmehr nicht mehr als Chrysler im Wagenpass deklarierte, sondern Dodge als Hersteller auswies.
 
Damit sah sich Zakowski nicht mehr an die Homologation mit einem 90-Liter- Tank gebunden, was wiederum DMSB-Technikchef Dieter Fürst nur wenig imponieren konnte. In rustikaler Manier übertünchte Fürst unverzüglich den Herstellernamen Dodge mit Tipp-Ex und ersetzte ihn handschriftlich einfach wieder mit Chrysler.
 
Damit war die Nordschleifen-Posse noch lange nicht beendet. Zakowski, deutlich frustriert, ließ dennoch munter randvoll nachtanken – 120 statt 90 Liter bei jedem Stopp. Konsequenz: fünf Runden Abzug samstagsabends. Diese Sportstrafe schien den hart gesottenen Zakowski freilich noch immer nicht zu läutern. Just als sein bulliger Sportwagen sonntagmittags wieder auf Gesamtrang zwei lag, folgte die zweite Fünf-Runden-Wertungsstrafe – wer nicht hören will, muss eben fühlen.
 
Das Ziel sah die gelbe Flunder letztlich auf dem fünften Platz – trotz der gestrichenen zehn Runden mit nur neun Umläufen Rückstand auf den Sieger. Die Zakspeed-Viper hatte also de facto mehr Kilometer absolviert als der siegreiche DTM-Opel des Phoenix-Teams.
 
Nachdem ab 1994 keine GT-Fahrzeuge mehr zugelassen waren, drohte die Veranstaltung in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Zeit für Organisationsleiter Peter Geishecker und seine Mannschaft, um durchzugreifen. Geishecker, ein Kölner Original und einst Obst- und Gemüsehändler, hat ein ausgeprägtes Gespür, für das, was die Leute sehen wollen.

Im VW Bus vor dem Ferrari

„Alles, was vier Räder hat, darf fahren“, lautet nunmehr das Credo der Veranstalter. Die Folge: Über 400 Nennungen gehen beim ADAC Nordrhein für das Rennen im Jahr 2000 ein. 220 Teams dürfen starten. Exoten sind erwünscht. Ein Citroën XM, eben noch als Taxi auf den Straßen unterwegs, wird dank Slicks und Überrollbügel flugs zum Renn-Tourenwagen umfunktioniert. Ebenso ein Volkswagen-Bus. Im Ziel liegt das hochbeinige Gerät nicht nur auf Rang sechs in der Klasse für alternative Treibstoffe (so etwas gab es damals schon am Ring) – sondern auch vor dem einzigen Ferrari im Rennen. Das Potpourri der Produktionswagen errang bei den Fans schnell Kultstatus.
 
Die Marke BMW ist nicht nur die erfolgreichste am Ring. Sie ist auch Bestandteil der komischsten Stories. Zum Beispiel jene mit Leopold Prinz von Bayern, bei der Ausgabe 1994. Als Mitglied des illustren „Dream-Teams“ von BMW mit ehemaligen Profis, die allesamt die 50 schon überschritten haben, ist der Prinz der einzige noch Aktive.
 
Der Prinz, den im Fahrerlager alle „Poldi“ nennen, duelliert sich nachts um halb eins mit Markenkollege Joachim „Jockel“ Winkelhock. Es ist fürchterlich nass, aber der Blaublüter bietet Großartiges am Volant. „Poldi war da echt schnell“, erinnert sich Winkelhock. Zu schnell, wie sich am kritischen Aremberg zeigen sollte.
 
Auf der Grand Prix-Strecke lässt er den 318i von Winkelhock hinter sich. Dann dreht er sich ausgangs Bitkurve, kämpft sich wieder ran und liegt im Schwedenkreuz wieder direkt hinter dem Schwaben. Dann passiert’s: Regen, Nebel, Aquaplaning – es folgt die berühmteste Prinzen-Rolle des Motorsports.

Wie ein gruseliges Gespenst

Von Bayern f liegt erst nach links, verschwindet für einen Moment in der Dunkelheit, federt urplötzlich zurück wie ein gruseliges Gespenst; seitwärts und koppheister schlägt der Dreier-BMW rechts am Aremberg in Wald und Wiese ein. Zuvor reißt er, so unglaublich das klingt, an Winkelhocks BMW den Scheibenwischer ab – vermutlich mit der Heckschürze.
 
Winkelhock erinnert sich: „Ich war mir sicher: Jetzt ist’s aus, der schlägt mir ins Cockpit ein.“ Beim Prinzen sind bis auf den Zeigefinger alle Finger der linken Hand gebrochen. Auch die im Flug verlorengegangene teure Uhr, Marke MCM, bleibt für alle Zeiten unauffindbar.
 
Zwischen Winkelhock und seiner Boxen-Crew kommt es zu folgendem Dialog: „Ich komm jetzt rein.“ Box: „Wieso, was gibt’s, ist was?“ Winkelhock: „Ich brauch’ einen neuen Scheibenwischer. Meinen hat mir der Poldi gerade abgefahren.“ Box: „Der Poldi hat was?“ Winkelhock: „Ihr glaubt nicht, was da gerade passiert ist. Der Poldi ist über mein Auto geflogen und hat meinen Scheibenwischer abgerissen!“ Box: „Na, dann komm mal rein.“

Pech in der Einführungsrunde

Auch bei der ereignisreichen Ausgabe 2003 – siehe die Peter-Zakowski-Story – spielt BMW im Panoptikum aus Pleiten, Pech und Pannen eine besondere Rolle. Hans-Joachim Stuck warnte seine BMW-Schnitzer-Mannschaft im Vorfeld vor dem Schneckentempo in der Einführungsrunde, wenn Fans Spalier stehen, um jeden Teilnehmer abzuklatschen.
 
Die Truppe um Teamchef Charly Lamm wollte sodann alles richtig machen, indem sie dem vermeintlichen Überhitzen des Motors noch in der Startaufstellung mit einer großen Portion Trockeneis im vorderen Kühlschacht entgegenwirken wollte.
 
„Das hat beim Test in Hockenheim auch wunderbar geklappt“, erzählt Teamchef Lamm. „Doch da haben wir das Trockeneis am Ende des Tests bei einem warmgefahrenen Auto ausprobiert.“ Am Ring aber war es wieder typisch saukalt. Konsequenz: Bei beiden M3 GTR wurde das Öl so dickflüssig, dass die Leitungen zum Getriebe platzten. Der M3 von Jörg Müller strandete bereits in der Einführungsrunde, der mit Stuck am Steuer schaffte es gerade noch so in die Box. Künstlerpech.
 
Aber was sind schon Defekte in der Einführungsrunde, wenn es einen sogar in der ersten Trainingsrunde aus der Bahn wirft? Bernd Schneider legte 1991 seinen Ford Sierra Cosworth gleich auf den ersten Trainingsmetern im Bereich Ex-Mühle aufs Kreuz. Der Grund: Eine undichte Leitung zum Getriebeölkühler sprühte Öl auf die Hinterreifen des Cossie. Schneider war bei der Rutschpartie mit Salto machtlos.
 
Und oft genug ist es auch die letzte Runde, die es in sich hat. So auch im vergangenen Jahr: Porsche-Star Romain Dumas ist auf den letzten Metern mit einem Mercedes SLR in eine epische Schlacht um Rang drei verwickelt. Doch Dumas ist um sieben Sekunden zu früh dran – wenn er jetzt die Linie passiert, muss er eine weitere Runde absolvieren, und dazu fehlt ihm der Sprit.
 
Das Team von Olaf Manthey will ihn noch einbremsen, aber Dumas stoppt seinen 911 zu spät, erst hinter der Linie. Der dritte Rang ist ohnehin futsch, der Franzose wartet links am Streckenrand. Und was passiert? Ein unachtsamer Fahrer im Renault Clio rauscht heran und fährt dem GT3R volles Rohr hinten drauf. „Der Clio-Fahrer hatte nur auf die Zielflagge rechts geachtet“, sagt Teamchef Olaf Manthey. Es war nicht seine einzige schmerzhafte Erfahrung an diesem Wochenende. Am Freitag purzelte er vom Motorroller – Beckenprellung.
 
Olaf Manthey, die Nordschleifen-Legende, hat das Rennen als Fahrer nie gewonnen. „Viel mehr bedeuten mir die Siege mit meinem Team“, sagt der zwirbelbärtige Porsche-Teamchef, dessen Truppe von 2006 bis 2009 viermal in Folge und auch 2011 wieder den ganz großen Pott geholt hatte.
 
Seine schönste Erinnerung verknüpft Manthey mit dem Rennen 1982. Zwar f log er mit seinem Ford Escort bei einem plötzlichen Regenguss im Bereich Kesselchen nach 17 Stunden heftig ab, gerade als er auf dem zweiten Platz lag. Doch zurück an der Box erwartete ihn die schönste Überraschung der Welt.
 
Manthey: „Mein Schwiegervater steht plötzlich vor mir und hält mir so ein Polaroid vor die Nase.“ Es war das erste Foto seiner gerade geborenen Tochter Sabrina.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten