Energiewende im Top-Motorsport
Ja zur Effizienz, aber wer zahlt's?

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Marcus Schurig über den großen Sinneswandel, vor dem der weltweite Top-Motorsport im Jahr 2014 mit der Einführung der neuen Effizienz-Reglements steht, und wie hoch Zeche und Risiko ausfallen werden.

Marcus Schurig
Foto: Spa

Die erfolgreichen Sportarten eint immer das Gleiche: Ihre Regeln sind fast immer selbsterklärend. Im Fußball muss das Runde ins Eckige, und selbst der Laie erfasst auf Anhieb, was Abseits bedeutet. Im Motorsport muss es ganz ähnlich sein: Der Sieger fährt als Erster über die Ziellinie, und jedes Überholmanöver ist ein Highlight wie ein Tor im Fußballspiel. Okay, die technischen Gerätschaften sind im Motorsport ein wenig komplizierter und unterliegen daher schwer verdaulichen Regelwerken, doch die muss man nicht lesen, um Motorsport zu verstehen. Die Matrix eines Autorennens kann durch bloßes Zusehen entschlüsselt werden.

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Daran wird sich glücklicherweise auch im neuen Jahr 2014 nicht viel ändern - der Sieger bleibt auch 2014 der Sieger, wenn er die vorgegebene Distanz oder Zeit als Erster absolviert hat. Doch der Motorsport steht ähnlich wie der Individualverkehr mit dem Auto unter gesellschaftlicher Beobachtung: Er verbrennt fossile Rohstoffe, die nicht unendlich verfügbar sind, und produziert obendrein Emissionen. Der Motorsport, sagt die Weltbehörde FIA, muss grüner werden, sonst bekommt er entweder von der Politik die Rote Karte oder die Hersteller ziehen als Träger des Sports den Stöpsel.

Effizienz-Trendwende nur auf WM-Ebene

Aus diesem Grund sollen die Top-Rennserien, die den Motorsport am wirkungsvollsten repräsentieren, auf umweltbewusst getrimmt werden. Nach langem Hin und Her hat die FIA erkannt, dass nur in den Top-Serien genügend Geld im Umlauf ist, um das auch umzusetzen. Pläne zur Einführung von Hybridtechnik im GT-Sport oder der Tourenwagen-WM wurden daher schnell wieder ad acta gelegt.

Übrig geblieben sind nun zwei Weltmeisterschaften - die Formel 1 und die Sportwagen-WM -, wo die Reglements für 2014 so umgebaut wurden, dass sie dem Zeitgeist Rechnung tragen: Die Energiemenge für die Verbrennungsmotoren wird jetzt deutlich begrenzt, und parallel wird die Hybridisierung über elektrische Energiequellen wie KERS analog zum Straßenverkehr hochgefahren.

Reizvolle Herausforderung in Le Mans

Man kann den Plänen eine gewisse Sinnhaftigkeit nicht absprechen, die Sache könnte sogar durchaus reizvoll werden, besonders in Le Mans, wo die Ingenieure beim Motor und den Energierückgewinnungssystemen maximale Freiheiten haben - solange sie die festgelegten Energiegrenzen einhalten. Wer 2014 als Erster über die Ziellinie fährt, war nicht nur der Schnellste, sondern der Effizienteste. Mit dieser frohen Botschaft können die Hersteller gut leben - und die Politik vermutlich auch.

Ob die gesteigerte Komplexität auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Motorsports erhöht, bleibt abzuwarten. Wenn die Grundregeln nachvollziehbar sind, bleibt die Show wahrscheinlich erhalten - auch für jene, die nicht in jede technische Mikroverästelung des Sports eindringen wollen. Die Sollbruchstelle der neuen Effizienzregeln sind aber die Kosten. Deshalb hätte die FIA zwingend eine wirkungsvolle Kostenkontrolle einführen müssen. Doch damit sind die hohen Herren schon in der Formel 1 kläglich gescheitert, mit dem sogenannten Resource Restriction Agreement.

Knackpunkt Kostenkontrolle

Die Gründe liegen auf der Hand: Ohne freiwillige Transparenz sind Budgetobergrenzen nur schwer zu kontrollieren. Und desto mehr Geld man hat, umso schneller fährt natürlich das Rennauto. Die Hersteller wollen sich aber ihre zentrale Stellschraube - die eingesetzte Geldmenge - nicht von der FIA aus der Hand schlagen lassen. Doch damit schaufeln sie dem Motorsport das Grab: Wenn man 300 Millionen Euro ausgeben muss, um in Le Mans zu siegen, dann platzt die Blase des energieeffizienten Motorsports ganz schnell. Auf die Vernunft der Hersteller darf man nicht setzen, nur die FIA könnte einen Finanzkollaps verhindern. Wenn sie es denn wollte.

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