Ferrari 499P - Hypercar für Le Mans 2023
Erste Bilder der roten Göttin

Mit dem Ferrari 499P wollen die Italiener 2023 in Le Mans um die Krone in der Topklasse kämpfen. Wir zeigen die ersten Bilder des Hypercars in seinem fertigen Design. Und wir haben die technischen Daten des Prototyps, der sich schon bald mit Toyota, Peugeot und Porsche messen will.

Ferrari 499P Hypercar
Foto: Ferrari

Es gab eine Zeit, da war Le Mans für Enzo Ferrari wichtiger als die Formel 1. Die Sportwagen auf der Langstrecke waren den Straßenautos ähnlicher als die Einsitzer mit freistehenden Rädern. Und das verkaufte ihm Autos. Mit neun Siegen in Le Mans und 22 Titelgewinnen in der Sportwagen-WM zählte Ferrari in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren zu den erfolgreichsten Rennställen auf der Langstrecke.

Rund 50 Jahre nachdem sich Ferrari 1973 mit dem Modell 312PB aus der Szene verabschiedet hat, stellte man am Samstag (29.10.) offiziell das Auto für das Comeback in der auferstandenen Langstrecken-Weltmeisterschaft vor.

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Ferrari tritt dort ab 2023 mit einem Hypercar gegen Toyota, Peugeot, Porsche, Cadillac und Glickenhaus an. Der Ferrari 499P wurde bereits eine Weile in Tarnlackierung auf Teststrecken gesehen, doch jetzt wurde das Auto in Imola zum ersten Mal in seiner endgültigen Lackierung präsentiert. Das Debüt ist für die 1.000 Meilen von Sebring im März 2023 geplant.

499P steht für Hubraum, Zylinder und Prototyp

Das neue Hypercar trägt die Typenbezeichnung 499P. "P" steht wie in alten Zeiten für Prototyp. Die 499 spielen Ferrari-typisch auf den Hubraum des V6-Biturbo an (drei Liter geteilt durch die Zylinderanzahl). Die Lackierung, mit welcher der 499P im nächsten Jahr antritt, erinnert an das Farbschema des 312PB aus den 1970er-Jahren. Mit den Startnummern 50 und 51 schlagen die zwei Einsatzfahrzeuge auch zahlentechnisch die Brücke in die Vergangenheit.

Der Allrad-Prototyp erfüllt die technischen Vorschriften und Anforderungen der Le-Mans-Hypercar-Klasse mit Hybridantrieb: Er liefert in einem BOP-abhängigen Fenster eine maximale Leistung von 680 PS an die vier Räder. Das Mindestgewicht liegt bei 1.030 Kilo.

Unter der Leitung von Antonello Coletta und der technischen Aufsicht von Ferdinando Cannizzo entstand ein Auto, das mit extremen Aerodynamiklösungen auffällt. Vom angehobenen, geschwungenen Frontsplitter bis zum doppelstöckigen Heckflügel, von drei vertikalen Finnen mit drei Airbox-Einlässen auf dem Dach zu stark ausgeschnittenen Radhäusern.

Ferrari 499P Hypercar
Ferrari
Die Nummer 50 auf der Front soll darauf hinweisen, dass Ferrari nach 50 Jahren wieder um den Gesamtsieg in Le Mans kämpft.

Radikale Aerodynamik

Das Design des neuen Ferrari 499P wurde mit Unterstützung des Ferrari Styling Centers unter der Leitung von Flavio Manzoni verfeinert. Die Luft strömt durch die Seitenkästen über die Aussparungen zwischen den Kühlrippen rund um das Cockpit.

Die Kühler liegen direkt darunter in den Seitenkästen. Beim 499P ist die Oberfläche der Radkästen, ein Markenzeichen von Ferrari, durch große Lamellen gekennzeichnet, die darauf abzielen, den Druck in den Radhäusern zu reduzieren. Die Scheinwerfer verleihen der Nase Charakter, mit subtilen Verweisen auf die Styling-Merkmale, die erstmals beim Ferrari Daytona SP3 eingeführt wurden.

Die Architektur des Ferrari 499P basiert auf einem völlig neuen Kohlefaser-Monocoque-Chassis. Die Geometrie der Aufhängungen besteht rundherum aus Doppelquerlenker-Pushrods. Das Bremssystem integriert ein Brake-by-Wire-System.

Ferrari 499P Hypercar
Ferrari
Die Fahrer für das WEC-Projekt will Ferrari erst zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben.

Biturbo-V6 mit Hybrid-Unterstützung

Der Hybrid-Antriebsstrang des 499P kombiniert einen Heckantrieb mit einem Elektromotor, der für einen Boost an der Vorderachse sorgt. Der Verbrennungsmotor stammt aus der straßentauglichen Biturbo-V6-Familie. Er teilt die Architektur des Motors des neuen 296 GT3 und wurde von den Ferrari-Ingenieuren einer gründlichen Überholung unterzogen, um die Leistungsentfaltung auf der Rennstrecke anzupassen und um das Gesamtgewicht zu verringern. Die Power wird mit einem sequenziellen Siebenganggetriebe an die Räder übertragen.

Die zweite "Seele" des Hybridantriebs ist das ERS, das maximal 272 PS beisteuern kann. Der Elektromotor ist mit einem Differential ausgestattet und wird von einer Batterie angetrieben, die beim Verzögern und Bremsen aufgeladen wird und keine externe Stromquelle benötigt. Die Energie darf erst bei Erreichen einer bestimmten Geschwindigkeit als Drehmoment auf die Vorderräder übertragen werden. Bei der Entwicklung der Batterie mit einer Spannung von 900 Volt profitierte Ferrari von Erfahrungen aus der Formel 1.

Der Ferrari 499P wird auf der Strecke von Technikern und Ingenieuren aus Maranello in Zusammenarbeit mit AF Corse betreut. Die Partnerschaft setzt die Siegesserie fort, die 2006 in der FIA GT mit dem F430 GT2 begann, der in seiner Debütsaison Team-, Fahrer- und Konstrukteurstitel sicherte.

Ferrari-Chef John Elkann schraubt die Erwartungen hoch: "Mit dem 499P kehren wir zurück, um in der WEC-Serie um den Gesamtsieg zu kämpfen. Wir gehen diese Herausforderung mit Demut an, sind uns aber einer Geschichte bewusst, die zu unseren Erfolgen bei den 24 Stunden von Le Mans geführt hat."

Ferrari 499P Hypercar - Test - Portimao 2022
Ferrari
Der Ferrari 499P hat schon jede Menge Testrunden zurückgelegt – allerdings noch im Tarnkleid.

LMH-Hypercar statt LMDh-Renner

Dass die Italiener überhaupt in die Langstrecken-WM zurückkehren, hat auch mit der Budget-Grenze in der Formel 1 zu tun. Um die Ausgaben zu senken, musste die Scuderia Ressourcen und Personal abziehen, die man elegant in das Le-Mans-Engagement rüberschieben konnte.

Lange stellte sich nur noch die Frage, mit was für einem Autokonzept Ferrari das Le-Mans-Programm bestreiten wird. Ab 2023 werden sich in der ehemaligen LMP1-Klasse sogenannte LMH-Hypercars und LMDh-Rennwagen um den Gesamtsieg streiten. Am Ende entschied sich Ferrari für die Entwicklung und den Bau eines komplett neuen, eigenen Hypercars.

Der größte Unterschied der beiden Konzepte liegt in den Kosten. LMDh-Renner sind deutlich günstiger, weil die Ingenieure hier auf viele Standardteile wie z.B. das Monocoque, die Aufhängungen, das Hybridsystem und das Getriebe zurückgreifen können. Porsche, Cadillac, BMW und die Honda-Tochter Acura fahren diesen sparsamen Kurs, der ein Budget von ca. 15 bis 20 Millionen verlangt.

Die aufwändigeren Hypercar-Prototypen kommen nach Schätzungen von Experten auf den dreifachen Preis. Hier müssen die Hersteller das komplette Auto selbst konstruieren. Das Hybridsystem darf seine Power dafür wie schon erwähnt aber auch an die Vorderräder abgeben. Für diesen Weg haben sich neben Ferrari bislang auch Toyota, Peugeot und Glickenhaus (ohne Hybrid) entschieden.

Die große Frage lautet spätestens im nächsten Jahr, wie die beiden Konzepte künstlich auf ein vergleichbares Niveau gebracht werden können, damit am Ende auch beide siegfähig sind. Dem austragenden Veranstalter ACO, der für die sogenannte Balance of Performance (BOP) zuständig ist, dürften da noch einige heiße Diskussionen ins Haus stehen.