FIA GT Sprint-Series 2013
Neustart nach dem WM-Kollaps gelungen

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Die alte GT-Weltmeisterschaft ist tot, es lebe die neue GT Sprint Series. Wird jetzt alles besser? sport auto sprach mit Teamchefs, Piloten und Promoter Stéphane Ratel über den internationalen Neustart im GT3-Rennsport.

GT Sprint-Series, Rennszene, Start
Foto: John Brooks

Wie führt man eine Weltmeisterschaft ohne WM-Titel fort? Der knifflige Downgrade beim Stellenwert konnte den umtriebigen und allgegenwärtigen GT-Promoter Stéphane Ratel nicht beeindrucken, wie es scheint. Der Dauer-Optimist durfte drei Jahre seinen WM-Traum in vollen Zügen ausleben, mit Segen der FIA. 2012 platzte dann die Blase: Die Kosten waren zu hoch, der Gegenwert zu gering, kaum TV, wenige Zuschauer, geringe Erlöse beim TV-Handel - die GT-WM endete in der Sackgasse.

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GT-WM wurde zur neuen GT Sprint Series

Ratel ist gut darin, Niederlagen in Siege umzudeuten - oder sie einfach kleinzureden. Doch gute Rhetorik allein reicht nicht zum Überleben, weshalb Ratel die ehemalige GT-WM über den Winter in die neue GT Sprint Series umbaute - wieder mit Segen der FIA, allerdings ohne die horrenden Abflussgebühren für einen WM-Titel. Der Kalender für 2013 wurde von neun auf fünf Rennen zusammengestrichen, die nun überwiegend in Europa stattfinden. Das geplante Grand Finale im arabischen Abu Dhabi ist bis heute jedenfalls noch nicht bestätigt.
 
Dazu hat Ratel alte Glaubensbekenntnisse geopfert, um das Fortbestehen seiner Meisterschaft zu sichern. Statt der reinrassigen Profipaarungen aus der alten WM sind nun auch gemischte Fahrerpaarungen mit Profi und Amateur erlaubt. Außerdem warf Ratel die alte Bestimmung über Bord, nach der jede Marke eine Mindestanzahl an Fahrzeugen oder Teams stellen musste. Diese Umbaumaßnahmen stellten sicher, dass bei den ersten beiden Saisonrennen in Nogaro und Zolder jeweils knapp über 20 Rennwagen in der Startaufstellung standen.
 
Bei der Auswahl der Rennstrecken setzt Ratel nun auf die kleinen und schnuckligen Events, das erspart ihm leere Zuschauerränge und blöde Fragen. Das Einzige, das nicht geändert wurde, ist das Rennformat mit Qualifikationsrennen und Meisterschaftslauf, jeweils über eine Stunde und mit Pflichtboxenstopp samt Fahrerwechsel.
 
Was hat es gebracht? Elf Autos starten in der Profi-Klasse, darunter gute Fahrer wie Alvaro Parente, Anthony Kumpen, Ex-Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb, René Rast, Ricardo Zonta oder Peter Kox. Acht Autos sind in der Pro-Am-Klasse genannt, drei weitere Fahrzeuge in der Gentleman-Trophy.
 
Die Drei-Klassen-Struktur mag die Starterzahlen auf über 20 Autos gepusht haben, doch nicht alle Teams im Fahrerlager sind vom neuen Ansatz überzeugt. „Es ist schade, dass das pure Profi-Konzept aus der WM nicht überlebt hat”, so Audi-WRT-Technikdirektor Pierre Dieudonné. „Die Hochwertigkeit hat fraglos gelitten, das Image der neuen Sprint Series liegt irgendwo zwischen der Blancpain-Series, die sich primär an Privatfahrer richtet, und dem Anspruch der ehemaligen GT-WM.
 
Das alte Konzept war stark, jedes Team hatte zwei Autos wie in der Formel 1, das konnte man gut verkaufen. Jetzt sind zwar die Starterzahlen im grünen Bereich, aber Image und Prestige haben doch etwas gelitten. Dafür haben die Veranstalter das Thema Fernsehen gepusht, was den Teams fraglos hilft.”

Drei Klassen - gut oder schlecht?

AF-Corse-Teamchef Amato Ferrari ist neu in die GT Sprint Series eingestiegen, und ohne die deutlichen Veränderungen wäre er gar nicht dabei: „Die Sponsorensuche ist im Motorsport nach wie vor ein sehr schwieriges Geschäft. Die Option, einen Profi und einen Amateur auf ein Auto setzen zu können, hat es mir überhaupt erst ermöglicht, in die Serie einzusteigen. Ob die Serie nun einen WM-Titel hat oder nicht, ist meines Erachtens völlig zweitrangig. Wichtig ist, dass Teams und Sponsoren einen Gegenwert über das TV-Paket bekommen, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Gleichzeitig braucht man eine gesunde Größe beim Starterfeld - und die wäre ohne das Drei-Klassen-Schema in der gegenwärtigen Phase niemals zu erreichen gewesen.”
 
Amato Ferrari plädiert dafür, nach dem Neuaufbau wieder mehr Rennen außerhalb Europas anzuvisieren: „Es gibt in Asien oder Südamerika viele gute Piloten, die auch ein bekömmliches Budget mitbringen. Langfristig muss die Sprint Series das stärker nutzen, aber das geht nur mit mehr Auslandsrennen.”

Die Vision von Stéphane Ratel

Offenbar ist die Rechnung von Ratel aufgegangen: Ohne die FIA-Gebühren für den WM-Titel konnte er mehr Geld in die Fernsehvermarktung pumpen, was ihm die Teams hoch anrechnen. „In der Summe habe ich zwar mehr Teams verloren, als ich erwartet hatte”, bilanziert Ratel. „Es ist schade, dass Teams wie AllInkl-Münnich, Hexis und Vitaphone die GT-Arena verlassen haben. Andererseits haben wir neue Teams und Fahrer angelockt, zum Beispiel aus Brasilien, weil wir in den vergangenen Jahren eben viele Rennen außerhalb Europas bestritten haben.”
 
Ratel würde auch in Zukunft gerne wieder mehr Rennen in den aufstrebenden Märkten bestreiten, doch die Teams rebellieren schon jetzt bei der Planung für das Saisonfinale in Abu Dhabi: Es ist vereinbart, dass die Saisonkosten bei maximal 600.000 Euro pro Fahrzeug liegen sollen. Doch die Teams glauben, wenn Abu Dhabi stattfände, würde diese Obergrenze überschritten werden.
 
Ratel bemerkt: „Mit dem WM-Titel bist du gewungen, Rennen auf mindestens drei Kontinenten auszurichten. Dieser Druck ist jetzt weg, aber wir sollten ein internationales Rennen als krönenden Abschluss haben. Wir müssen es nur schaffen, dass die Veranstalter ein Antrittsgeld für die Sprint Series bezahlen, dann können wir die Mehrkosten für die Teams problemlos kompensieren.”
 
Kostenkontrolle ist das große Thema im Fahrerlager der FIA GT Sprint Series: Die Anzahl der Rennen wurde reduziert, der Markt für Privatfahrer mit Sponsoren geöffnet. Darüber hinaus wurde der Technikstand der GT3-Fahrzeuge für zwei Jahre eingefroren, um die Kosteneskalation einzudämmen. Außerdem greift die Rennleitung bei Foulspiel auf der Rennstrecke nun rabiat durch. Hintergrund: Im vergangenen Jahr explodierten die Ersatzteil- und Reparaturkosten, weil die harte Gangart auf der Rennstrecke den Business Case für die GT-Teams zertrümmerte.

Die Kosten bleiben das Thema

Nissan-RJN-Teamchef Bob Neville sieht dennoch die Kostenseite als den kritischen Punkt der Meisterschaft: „Die Fahrzeuge und Ersatzteile in der GT3-Klasse werden jedes Jahr teurer, da ist es schwierig, eine Refinanzierung auf die Beine zu stellen. Wir wollten nicht nur in der Britischen GT fahren, sondern auch eine internationale Serie bestreiten, die aber primär auf Europa beschränkt sein sollte. Da ist die Sprint Series sicher die beste Option. Was mich überzeugt hat: Man hat die kostspieligen Krawallattacken auf der Rennstrecke durch hartes Durchgreifen der Rennleitung unterbunden, gleichzeitig ist das Reifenreglement vernünftig gestrickt. Wir müssen mit sechs Reifensätzen pro Wochenende auskommen.”
 
Pirelli stattet die Sprint Series als Einheitslieferant aus, in der vagen Hoffnung, durch die Nähe zu den GT3-Herstellern auch das Erstausrüstungsgeschäft für die Serienproduktion ankurbeln zu können. Doch Ratel hatte Pirelli ein Starterfeld von 28 Autos versprochen. Darauf basierte auch der Refinanzierungsplan der italienischen Reifenmarke - und der verrutscht gerade ein wenig.

Das Gottesgeschenk Loeb

Der Wechsel von der GT-WM zur GT Sprint Series hat zwar Topteams wie Hexis oder Vitaphone vertrieben, doch der Stamm der GT-Serie erscheint weiterhin gesund und tragfähig: Teams wie WRT (Audi) oder Reiter (Lamborghini) bürgen für Qualität und teilten sich auch prompt die beiden Rennsiege in Nogaro und Zolder.
 
Doch das neue Zugpferd der Sprint Series ist fraglos Ex-Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb, der mit seinem eigenen Team zwei McLaren MP4-12C an den Start bringt. Wann immer der Franzose im Fahrerlager auftaucht, bilden sich große Menschentrauben, und auch die Fernsehvermarktung setzt voll auf Loeb.
 
Nach zwei Rennen ist der Rallye-Star glücklich mit seiner Entscheidung, in der Sprint Series zu starten: „Natürlich wäre es attraktiver gewesen, eine Serie mit WM-Status zu bestreiten. Ich glaube auch nicht, dass das so viel teurer für die Teams wäre, weil Ratel ja die Auslandsrennen entsprechend subventioniert hätte.” Als das geplante Rennen in Brasilien gestrichen wurde, überprüfte Loeb noch einmal seine Entscheidung: „Wir blieben beim Entschluss, die GT Series zu fahren, weil wir hier die Möglichkeit haben, mit zwei Profis und gegen renommierte Teams antreten zu können. Für mich ist der GT-Sport eine gute Möglichkeit, meine Fähigkeiten auf der Rundstrecke zu verbessern.” Neben der FIA-Serie bestreitet Loeb auch noch die französische GT-Meisterschaft. „So konnten wir ein Paket schnüren, das sich rechnet.”
 
Bei aller Kritik ist die Stimmung im Fahrerlager überwiegend positiv, man sieht die Sprint Series als Neuaufbau des GT-Sports: „Und wenn Europa eines Tages für uns zu klein ist, dann können wir ja wieder weltweit Rennen fahren”, hofft Lamborghini-Teamchef Hans Reiter. Aber erst muss das Fundament neu gemauert werden: „Ich sehe vor allem die positiven Faktoren: Das TV-Paket ist besser, die Events werden stärker beworben, und die Zuschauerzahlen vor Ort steigen. Es war eine gute Entscheidung, von den großen F1-Rennstrecken wegzugehen und stattdessen auf den kleineren Strecken anzutreten.”
 
Die ebenfalls von Stéphane Ratel organisierte Blancpain-Series setzt auf ausdrücklichen Wunsch der Teams dagegen nach wie vor auf die glamourösen F1-Pisten. Mit Erfolg: Die wohlhabende Gilde der Hobbypiloten will in Monza fahren - und nicht in Nogaro.
 
Lamborghini-Teamchef Hans Reiter gehört zu jenen, die zweigleisig fahren und Fahrzeuge in den beiden von Ratel gemanagten Serien an den Start bringen. Er sieht das Engagement als Investment in die Zukunft und kommentiert die Sachlage wie gewohnt mit bayerischem Humor: „Die Blancpain-Series ist mit über 50 Fahrzeugen sportlich und finanziell extrem lukrativ - da können wir das Geld verdienen, das wir dann in der Sprint Series wieder verballern.”

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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