Siegertreffen vom Tuner Grand Prix 1992 und 2011
Generationentreffen der Corvette-Sieger

Inhalt von

20 Jahre sport auto-Tuner Grand Prix auf einen Blick: Zu Besuch bei zwei Tuner Grand Prix-Helden und ihren straßenzugelassenen Sportgeräten aus dem Callaway-Rennstall. Herbert Schürg, Premierensieger von 1992, trifft auf Heinz Müller, Bundesliga-Torwart von Mainz 05 und GT-Sieger beim Tuner GP 2011.

Corvette, Heinz Müller, Callaway-Z06.RR
Foto: Rossen Gargolov

Es gab keinen Pokal und keinen Lorbeerkranz an jenem Aprilmontag im Jahr 1992 in Hockenheim. Trotzdem zählt die Bestmarke von damals in der sport auto-Historie bis heute so viel wie der Sieg im olympischen 100-Meter-Finale. Mit einer Rundenzeit von 1.16,47 Minuten brannte am 6. April 1992 eine Callaway-Corvette eine Runde für die Ewigkeit in den Asphalt des Kleinen Kurses. Mit 0,08 Sekunden Vorsprung gewann der getunte US-Sportler den ersten sport auto-Grand Prix aller Zeiten.

Unsere Highlights

Treffen mit den Tuner Grand Prix-Helden

Szenenwechsel, 20 Jahre später – Zeit für ein Wiedersehen mit dem Tuner Grand Prix-Helden von einst. Wir sind zu Besuch in Leingarten nahe Heilbronn beim Corvette-Rennstall und Tuner Callaway. „Wo das Siegerauto von 92 heute ist, wissen wir leider nicht, aber wir haben etwas ähnliches bei uns in der Halle stehen“, sagt Herbert Schürg, ehemaliger Callaway-Rennfahrer in der historischen Tourenwagen-Europameisterschaft und damaliger Tuner Grand Prix-Pilot. „Zudem haben wir das Auto von Heinz auch gerade hier“, ergänzt der 62-jährige Ingenieur, der 35 Jahre lang bei Fiat in der Entwicklungsabteilung tätig war und nun bei Callaway als Berater mitwirkt.

Mit „dem Auto vom Heinz“ ist nicht etwa der GT3-Rennwagen des ehemaligen F1-Vizeweltmeisters und aktuellen Callaway-GT Masters-Piloten Heinz-Harald Frentzen, sondern von Heinz Müller gemeint. Noch nie gehört? Bei allen Sportschau-Süchtigen klingelt es längst – Heinz Müller ist Profi-Torwart und steht bei Mainz 05 in der ersten Bundesliga zwischen den Pfosten. 2011 nahm der leidenschaftliche Autofan erstmals mit seiner Callaway-Corvette Z06.RR am Tuner Grand Prix teil und gewann die GT-Klasse für Fahrzeuge mit Saugmotor.

„Heinz kommt später, der ist gerade noch beim Fußball-Training in Mainz“, sagt Herbert Schürg, während er vor dem Corvette-Duo in der Callaway-Werkstatt steht. Rechts das aktuelle Z06-Monster mit Renngenen und Straßenzulassung, links der Biturbo-Star des Modelljahres 1988. Mit der getunten Corvette der Baureihe C4 startete die Callaway-Geschichte Ende der achtziger Jahre so kraftvoll wie einst Carl Lewis aus den Startblöcken.

Nach der Gründung durch Reeves Callaway 1977 im amerikanischen Nest Old Lyme im US-Bundesstaat Connecticut fungiert die Firma seit 1987 bis heute als Corvette-Werkstuner. Zum 25-jährigen Jubiläum erinnert Callaway 2012 mit einer Sonderserie von 25 Exemplaren der Callaway Corvette 25th Anniversary Limited Edition, einer modifizierten Grand Sport mit 628 PS, an die wilde Anfangszeit.

US-Sportwagen schlägt europäische Konkurrenz

Den Weg nach Deutschland fanden die heißen Vetten dank Ernst Wöhr. „Wir sind schon seit unserer Jugend eingefleischte Corvette-Fans, haben nach Feierabend miteinander geschraubt und uns dann selbstständig gemacht“, erzählt Wöhr, der mit seinem Partner Giovanni Ciccone 1985 die Firma „Wöhr und Ciccone“ gründete. Zunächst wurden die Brötchen mit dem Aufbau von Unfallautos verdient, bevor Wöhr bei einem USA-Besuch auf „Mr. Corvette“, Ex-Werksfahrer sowie Corvette-Tuner Dick Guldstrand traf. Zusammen mit Guldstrand holte Wöhr die 350 PS starke Corvette GS 80 E nach Deutschland. Im sport auto-Test 8/1987 grätschte die frisierte Corvette damalige Überflieger wie Ferrari Testarossa, Lamborghini Countach und Porsche Turbo in Hockenheim lässig weg.

„Dann habe ich Reeves Callaway auf der IAA kennengelernt“, erinnert sich Wöhr. Seit 1988 ist die Firma „Wöhr und Ciccone“ die offizielle Callaway-Zweigstelle in Europa. Während heute hauptsächlich der Aufbau und die Betreuung von sämtlichen GT3-Rennwagen unter der Callaway-Flagge sowie Karbon-Auftragsanfertigungen aus der Automobilindustrie im Vordergrund stehen, brandete Ende der achtziger Jahre der Tuning-Hype um die Corvette C4 auch in der Halle im Leingartner Industriegebiet nahe Heilbronn so richtig auf.

Cowboy-Style made in Leingarten

Mit mächtig Qualm an der Hinterachse ging’s los: „Du musstest dich regelrecht zwingen rund zu fahren. Wir hatten Leistung im Überschuss“, erinnert sich Herbert Schürg an seinen ersten Start beim sport auto-Kräftemessen 1990, damals noch „Race of Champions“ genannt. Während die Callaway-Corvette bei der einmalig ausgetragenen Vorläufer-Veranstaltung noch mit Biturbo startete, gewann Schürg den ersten Tuner Grand Prix zwei Jahre später mit 385 PS starkem LT1-Saugmotor. Spektakulärer waren jedoch die von 1987 bis 1991 verbauten Triebwerke mit der Biturbo-Option B2K.

Motorhaube des Callaway-Jahrgangs 1988 auf: Zwei riesige Ladeluftkühler dominieren die V8-Szenerie des mittels zweier Rotomaster-Turbolader aufgepusteten Small Block-Herzes. Eine geschmiedete Kurbelwelle, spezielle Ventile und Pleuel, Mahle-Kolben und feinste Handwerkskunst wie neu gehonte Bohrungen, nachgeschliffene Lagerböcke und strömungsoptimierte Einlasskanäle waren weitere Zutaten des Motorentunings. Anfangs pressten die Callaway-Mannen aus dem ab Werk 243 PS starken 5,7-Liter-V8 rund 350 PS (1987), dann 382 PS (1988) und später 409 PS (1991).

Nicht immer passten Ladedruck und Leidenschaft zusammen: „Mir hat es mal in Neckarsulm mitten in der Stadt die Kopfdichtung rausgerissen. Der Ladedruck war damals nicht kontrollierbar“, denkt Callaway-Kopf Ernst Wöhr lächelnd zurück. Stimmte der Boost, kannte die Biturbo-Sucht kaum Grenzen. Die Spitze markierte die Callaway Twin Turbo Sledgehammer mit rund 880 PS. Im Oktober 1988 donnerte das Corvette-Projektil mit 254,76 Meilen (ca. 409 km/h) zum Weltrekord für straßenzugelassene Fahrzeuge.

Doch die gepimpte US-Flunder konnte nicht nur geradeaus rennen. „Wir sind damals zwar auf Achse nach Hockenheim gefahren, trotzdem ging es beim Tuner Grand Prix schon ernst zur Sache“, erzählt der ehemalige Callaway-Pilot Schürg. Nach der Bestzeit beim ersten Tuner Grand Prix zeigte sich Schürg zwar zufrieden, sah aber noch Entwicklungspotenzial. O-Ton 1992: „Es müsste mit besseren Reifen eigentlich noch mehr drin sein.“

Callaway-Corvette fährt Porsche 911 Turbo S Rundenzeit

Zum Vergleich: Das 1.533 Kilo schwere US-Coupé rannte damals mit Bridgestone Expedia S0-1 im Format 285/35-ZR 18 rundum fast so schnell wie die 240 Kilo leichtere Porsche-Waffe 911 Turbo S der Baureihe 964 um den Kurs (Rundenzeit: 1.16,2 min). Bis auf die Leistungssteigerung des LT1-Saugers von 306 auf 385 PS und Schraubenfedern statt der normalen Querblattfedern blieb die Callaway-Corvette LT1 seinerzeit nah am Serienstand.

Zurück in die Zukunft: Vorne mitgeigen ist heute beim Tuner Grand Prix ohne umfassende Modifikationen am Einsatzauto unmöglich. Fußball-Training beendet, es regieren die Querdynamikgedanken. „Der Herbie hat mir schon ein sehr feines Gerät auf die Beine gestellt“, erklärt Torwart Heinz Müller mit glänzenden Augen, während er vor seiner von Herbert Schürg bis ins kleinste Detail umgebauten Callaway-Corvette Z06.RR steht. Mit einer durchschnittlichen Rundenzeit von 1.07,886 Minuten (Mittelwert der fünf schnellsten Runden) gewann der 34-jährige Profi-Fußballer überlegen die GT-Sauger-Klasse und zählte zu den schnellsten Teilnehmern beim Tuner Grand Prix 2011.

Seine Z06 kaufte Müller, der vor seinem Bundesliga-Auftritt für Mainz 05 beim FC Barnsley in der zweiten englischen Liga das Tor hütete, in England. Von der Insel ging’s dann samt Cupreifen mitten im Winter trotz Schnee und Eis auf Achse zurück nach Deutschland. Dabei bringt Müller nicht nur Talent im Tor, sondern auch am Lenkrad mit. Anders als beispielsweise Madrids Starkicker und Gel-Gockel Cristiano Ronaldo, der seinen Ferrari 599 GTB Fiorano einst ungeübt in eine Tunnelwand bohrte, behält der sympathische Mainzer-Keeper auf und neben der Strecke die Haftung.

„Mit zwanzig bin ich auch unwissend mit meinem damaligen R5 Turbo bei den Touri-Fahrten in Hockenheim rumgerutscht“, erzählt der gebürtige Frankfurter schmunzelnd. „Vor vier Jahren habe ich mich in Themen wie Bremsen, Fahrwerk und Fahrdynamik dann richtig eingelesen, unter anderem mit einem Buch von Walter Röhrl.“

Corvette wurde zum Trackday-Hero umgerüstet

2011 kletterte Müller dann beim Tuner Grand Prix erstmals auf das Siegerpodest. Davor standen nicht nur unzählige Trainingseinheiten auf der Rennstrecke auf dem Programm. „Wir haben die Z06 komplett zerlegt“, beschreibt Herbert Schürg den Anfang, wie Müllers Corvette zum Trackday-Hero mutierte. Zahlreiche Karosserieteile wie die Karbon-Motorhaube, die Flics an der Frontschürze und die komplett aus Karbon konstruierte Dacheinheit entstammen genauso dem GT3-Rennwagen wie der Heckflügel. Für eine optimale aerodynamische Balance montierte Schürg den ZR1-Splitter sowie den Unterboden-Diffusor der GT3-Version an der Vorderachse.

„Einfach nur den Heckflügel hinten draufsetzen, das wäre Eisdielen-Tuning gewesen“, erklärt der rennsporterfahrene Entwickler der Z06.RR. Auch unter dem Karosseriekleid hielt mit der GT3-Bremse von AP Racing sowie der Bremskühlung aus dem Callaway-Rennwagen feinste Renntechnik Einzug. „Im Vergleich zum GT3-Rennwagen gibt’s hier aber auch eine Handbremse“, sagt Schürg.

Renn-Corvette mit 600 PS starken Sieben-Liter-V8

Nachdem 2011 beim Tuner Grand Prix das volleinstellbare Moton-Fahrwerk aus dem 2011er-GT3-Fahrzeug zum Einsatz kam, wurde die Z06.RR nun auf das aktuell in der GT3-Rennversion genutzte Bilstein-Fahrwerk umgerüstet. Nach Fahrwerk und Bremsanlage gab’s zudem eine Rosskur für den LS7-Sieben-Liter-V8 bei APP Racing Engines in Holland, wo auch die Callaway-Rennaggregate aufgebaut werden. Ergebnis mit neuer Edelstahlabgasanlage: Sauger-Gebrüll im Rennwagenstil und rund 600 PS (Serie: 512 PS). Dabei erfolgt die Kraftübertragung nicht mehr durch das Z06-Seriengetriebe, sondern durch das ZR1-Getriebe. „Bei der ZR1 ist die Gangspreizung idealer abgestimmt“, sagt Herbert Schürg.

Anders als im Serienfahrzeug besteht bei der getunten Z06 kein Anlass mehr, über die Verarbeitungsqualität im Innenraum zu lästern. Der Instrumententräger wurde ebenso wie die neuen Karbon-Türplatten komplett mit Alcantara überzogen. Außerdem tauschte Entwickler Schürg die sonst an Opas Sofa erinnernden Corvette-Seriensessel gegen Recaro-Schalensitze mit Schroth-Sechspunktgurten. Für noch mehr Sicherheit sorgt im weitgehend von Dämmmaterial befreiten Innenraum der Käfig aus der seriennahen GT4-Rennversion.

Nicht nur die Callaway-Z06. RR ist bestens auf den Jubiläums-Tuner Grand Prix 2012 vorbereitet. Ein Tag im Leben des Heinz Müller Anfang Mai 2012: 7 Uhr Aufstehen, Fahrt nach Hockenheim, Corvette-Test großer Kurs, Rückfahrt nach Mainz, 15 – 17 Uhr Fußball-Training, Rückfahrt nach Hockenheim, ab 18.30 Uhr Corvette-Test auf dem Kleinen Kurs. „So etwas geht natürlich nur in der Endphase der Bundesliga-Saison, wenn alles entschieden ist. Ansonsten hat der Fußball absolute Priorität“, sagt der schnelle Profi-Torwart abschließend.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten