GT-Klasse Le Mans
Wird das Rennen über die BOP entschieden?

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Die Fahrzeugeinstufungen für die GT-Werkswagen (GT LM Pro) von Ferrari, Aston Martin, Porsche und Corvette sorgen im Fahrerlager von Le Mans für Zunder: die vermeintlich Benachteiligten fühlen sich ebenso ungerecht behandelt wie die vermeintlich Bevorteilten. Wer hat Recht?

Impressionen - Manthey Racing - Porsche 911 RSR - 24h-Rennen Le Mans 2015 - Mittwoch - 11.6.2015
Foto: Porsche

Immer dann, wenn Fahrzeugeinstufungen (Balance of Performance oder BOP) über die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern mitentscheiden, ist das Gejammer und Gezeter im Fahrerlager groß. In diesem Jahr ist es in Le Mans in der GT-Klasse besonders groß, denn alle Hersteller klagen ausgiebig über Benachteiligungen – die Schnellen ebenso wie die Langsamen.

Porsche und Ferrari fehlen über zwei Sekunden

Betrachtet man die Hackordnung auf der Rennstrecke nach dem ersten Zeittraining, so ist die Angelegenheit eigentlich klar. Drei Aston Martin Vantage V8 gaben den Ton an, dahinter folgten die beiden Corvette, mit mindestens einer Sekunde Rückstand. Porsche und Ferrari waren nur dritte und vierte Kraft, mit Rückständen von über zwei Sekunden pro Runde.

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Damit haben wir bei der reinen Rundenzeit-Performance eine Doublette zum Vorjahr. Auch 2014 stellten Aston und Corvette die schnellsten Fahrzeuge. Man hätte erwarten können, dass ACO und FIA bei den BOP-Einstufungen für 2015 nachregulieren. Das haben sie auch getan, aber offenbar völlig unzureichend. Da die Autos im Vergleich zum Vorjahr unverändert sind, einigten sich die Hersteller und Regelgeber darauf, die BOP für Le Mans 2015 auf der BOP aufzusetzen, die nach Le Mans 2014 gemacht wurde. Damals bekam Aston Martin 20 Kilo mehr Gewicht und Corvette eine zu vernachlässigende Restriktorverkleinerung um 0,1 mm. In Summe blieben damit die Kräfteverhältnisse fast unberührt.

Corvette wollte größeren Tank

Porsche und Ferrari haben sich darüber ausgiebig bei FIA und ACO beschwert, und zwar bis einschließlich zum Vortest zwei Wochen vor Le Mans. Die FIA hat aber alle diesbezüglichen Einwände abgeschmettert. "Damit sind Corvette und Aston Martin klar in der Favoritenrolle, besonders wenn das Wetter stabil bleiben sollte", sagt Porsche-Teamchef Olaf Manthey.

Die bisherigen Trainingsergebnisse geben ihm Recht. Einen Rückstand von fast 2,5 Sekunden pro Runde ist nicht kompensierbar, auch nicht durch gute Taktik. Eigentlich braucht Porsche regen und Fehler bei den Gegnern sowie eine aggressive Rennstrategie, um überhaupt vorne mitspielen zu können. Das gleiche gilt auch für Ferrari, wobei den italienischen Rennwagen Regen ganz generell nicht so schmeckt wie Porsche. "Im Rennen wird der Abstand bei der Pace geringer ausfallen als im Training, weil dann mehr Gummi auf der Bahn liegt, was uns tendenziell entgegen kommt", so Manthey.

Aber mehr Gummi allein kann die Lücke zu Aston und Corvette nicht schließen. Man sollte also annehmen, dass die Briten und die Amerikaner glücklich sind – das sind sie aber nicht. Corvette wollte unbedingt ein größeres Tankvolumen, genau 3 Liter mehr, aber das haben ACO und FIA abgelehnt. "Jetzt stehen wir vor dem Problem, dass wir nicht wie unserer drei Gegner immer 14 Runden mit einer Tankfüllung fahren können, sondern phasenweise je nach Fahrer nur 13 Runden – ein Riesennachteil", schimpft Corvette-Sportchef Doug Fehan.

Porsche setzt auf volles Risiko

Auch Aston Martin hat zu klagen, denn die Anpassung der Tankrestriktoren aus der 2014er BOP nach Le Mans wurde nicht übernommen. Da Aston mit 95 Liter das größte Tankvolumen aller GT-Hersteller hat, stehen sie beim Nachtanken länger als die Gegner, denn die Tankrestriktoren sind mit Ausnahme von Porsche bei allen Herstellern gleich.

Bei Porsche kann man das Lamento bei Aston und Corvette überhaupt nicht nachvollziehen. Der Grad der Benachteiligung beim Restriktor wirkt viel stärker als der Unterschied bei Tankrestriktoren oder Tankvolumen. Als Beispiel wird gerne der Vergleich mit der BOP in der amerikanischen USC-Serie angeführt, wo Porsche und Corvette ebenfalls Gegner sind.

Im Sebring-Rennen hatte Porsche einen um 0,8 mm größeren Restriktor als Corvette und ein anderes Aero-Paket – und war trotzdem minimal langsamer. In Le Mans hat Porsche nur um 0,2 mm größere Restriktoren als Corvette – und fährt entsprechend deutlich hinterher. "Wir geben nicht auf und werden im Rennen voll auf Risiko setzen, um die Gegner unter Druck zu setzen", verspricht Teamchef Olaf Manthey. Ob das ausreicht, um Corvette und Aston abzuhängen? Wenn es im Rennen trocken bleiben sollte, ist die Antwort klar: Nein!

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